Die Schweizer Banken sind qualitativ und preislich absolut konkurrenzfähig. Doch vorerst müssten sie noch Überkapazitäten abbauen, sagt Anne-Katrin Scherer.
Frau Scherer, die Finanzbranche, insbesondere die Bankindustrie, hat ein veritables Imageproblem. Und noch, so scheint es, wird erst ansatzweise an einer Korrektur dieses Images gearbeitet. Weshalb geht es nicht schneller und überzeugender?
Sowohl von den Aufsichtsbehörden sowie den Branchen- und Berufsverbänden wurden und werden seit Jahren viele Massnahmen eingeleitet und umgesetzt. Die Regulationen sind inzwischen derart streng, dass kleinere Finanzunternehmen wegen des damit verbundenen Aufwandes sogar unter Druck geraten. Auch die Transparenz im Finanzbereich und die Sanktionsmöglichkeiten sind verglichen mit anderen Branchen sehr hoch.
Verstösse einzelner schwarzer Schafe dringen schnell an die Öffentlichkeit. Skandale in der Bankbranche erzielen eine enorm hohe Publizität und zerstören über Jahre aufgebautes Vertrauen jeweils wieder in Sekunden.
«Exorbitante Boni schaden dem Image der Branche»
Im Visier der öffentlichen Meinung sind die zum Teil exorbitanten Boni. Teilen Sie das oft gehörte Argument, die Schweizer Banken müssten diesbezüglich mit den Mitbewerbern, vor allem im angelsächsischen Raum konkurrenzfähig bleiben?
Exorbitante Boni machen keinen Sinn und schaden dem Image einer Branche. Doch auch hier sind es nur wenige Leute, die überhöhte Bezüge tätigen. Der Durchschnittslohn eines Bankangestellten ist nicht so hoch wie allgemein angenommen wird. Ich behaupte, dass sich die Schweiz gegenüber anderen Märkten auch ohne überrissene Boni behaupten kann. Um die Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz zu erhalten, sind aber auch die Politiker gefordert.
«Das Stressniveau steigt in Krisenzeiten markant»
Wie ist es zu erklären, dass nur über die Höhe von Erfolgsbeteiligungen gesprochen wird, nie aber auch von einer Beteiligung an einem entstandenen Verlust? Wäre das nicht «ausgleichende Gerechtigkeit»?
Das ist auch mir schwer verständlich. Auf der anderen Seite muss ich attestieren, dass das Stressniveau bei Bankangestellten in Krisenzeiten markant ansteigt. Oft müssen sie dann besonders viel arbeiten.
Gibt es überhaupt eine Erfolgsbeteiligung, die objektiv betrachtet als fair bezeichnet und auf einzelne Personen oder Teams bezogen werden kann?
Kaum. Aber wie gesagt, in Krisenzeiten muss ein Mitarbeiter oft mehr arbeiten, auch wenn dies im Endergebnis nicht ersichtlich ist. Der Mehrwert einzelner Personen kann oft nicht durch einzelne Performance-Messstäbe gemessen werden, und es ist meist schwierig, diesen über verschiedene Kostenstellen auf Teams und auf einzelne Personen aufzuteilen.
«Bonikürzungen sind nicht ohne Folgen für die Wirtschaft»
Einst wurden Banker und Finanzexperten geschätzt für ihr «big spending», ihren grosszügigen Umgang mit Geld, weil davon weite Teile der Wirtschaft und – über die Steuern – auch der Staat profitierte. Doch diese Zeit ist vorbei. Werden die Veränderungen in der Finanzbranche auch spürbare Folgen für die Gesamtwirtschaft haben?
Das ist definitiv zu befürchten. Ich gehe davon aus, dass die Branche in den nächsten paar Jahren um einiges schrumpfen und der Konsum entsprechend sinken wird. Das bleibt für die Gesamtwirtschaft nicht ohne Folgen.
Welches Profil, welche Qualitäten und Eigenschaften muss der für Schweizer Finanzhäuser tätige Banker in Zukunft aufweisen?
Das Anforderungsprofil war schon immer hoch, und ich glaube nicht, dass sich daran viel geändert hat: Von einem Schweizer Banker wird verlangt, dass er sich ethisch vorbildlich verhält, ein hohes analytisches Denkvermögen aufweist, im Interesse des Kunden handelt und sich ihm gegenüber diskret und integer zeigt.
Was kann der Berufsverband der Finanzprofis zur Förderung des Images der hiesigen Banken konkret tun? Und wie lässt sich verhindern, dass alle Beschäftigte einer Bank in denselben Topf – jener der am Pranger stehenden Investmentbanker – geworfen werden?
Wir müssen Informationen besser vermitteln und mit den Regulatoren für noch transparentere Verhältnisse sorgen. Zudem sind die Mindestanforderungen für alle Bankbeschäftigten, die im Kundenkontakt stehen, klar festzulegen und zu überwachen.
«Es gibt verschiedene Definitionen von Schwarzgeld»
Glauben Sie, dass das so genannte Schwarzgeldproblem in der Schweiz bereits weitgehend gelöst ist?
Ja, wobei es immer noch wichtig ist, zwischen den verschiedenen Definitionen von unversteuerten Geldern zu unterscheiden. Wichtig ist es aber auch, das Prinzip «Innocent until proven guilty» zu beachten. Es kann doch nicht sein, dass Kunden und Anlageberater sich nur noch um Compliance kümmern müssen, weil so viele Vorschriften bestehen.
Aber grundsätzlich wurde das Schwarzgeldproblem ebenso rigoros angegangen wie die Geldwäscherei.
Welches sind Ihrer Ansicht nach die grössten Sorgen und Probleme unserer Bankinstitute?
Überkapazitäten sowie zu rigorose Regulierungen und Compliance-Erfordernisse. Probleme entstehen zudem durch die Steuerabkommen, die von der Politik nicht genügend durchdacht wurden. In manchen Fällen ist ausländisches Weissgeld in der Schweiz benachteiligt gegenüber Weissgeld im eigenen Land. So zum Beispiel in Bezug auf die britischen Erbschaftssteuern.
«Kapazitäten abbauen, Kernkompetenzen stärken»
Wo sehen Sie die Chancen, und wo sehen Sie die Schweizer Bankbranche strukturell und finanziell in fünf bis zehn Jahren?
Die Schweizer Banken sind qualitativ und preislich weiterhin sehr konkurrenzfähig und werden dies auch bleiben. Aber wir werden Überkapazitäten abbauen und uns verstärkt auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren müssen.
Welchen Beitrag kann Ihr Institut zur Imageverbesserung der Schweizer Finanzbranche – mit Aussicht auf nachhaltigen Erfolg – leisten?
Das CFA Institute engagiert sich vor allem in Bezug auf die fachliche und ethische Professionalisierung seiner Mitglieder und unterstützt die lebenslange Weiterbildung und den Knowhow-Austausch mit eigenen Studien-Programmen sowie internationalen, nationalen und lokalen Anlässen.
Unser Erfolg lässt sich anhand der Mitgliederzahlen messen und anhand der Unternehmen, die gut ausgebildete und ethisch vorbildliche Finanzprofis mit CFA-Standards nachfragen.
Weltweit zählen wir mehr als 110‘000 Mitglieder, davon entfallen rund 2‘300 auf die Schweiz. Mit rund 200‘000 Kandidaten an unseren Ausbildungsprogrammen, die nota bene als streng gelten, wurde ein neuer Rekordwert gemessen. Das zeigt, dass die Banker durchaus bereit sind, hart für ihr Image zu arbeiten.
Anne-Katrin Scherer ist seit März 2007 Geschäftsleiterin der Swiss CFA Society, einer Non-Pofit-Organisation. Diese verfolgt das Ziel Wissen, Professionalität und Integrität im Investment-Geschäft zu fördern. Vor ihrem Wirken am CFA Institute war Anne-Katrin Scherer während knapp fünf Jahren Assistant Vice President der Bank Julius Bär.
Ihre berufliche Laufbahn begann 1988 als Equity Analyst der UBS. An der Central Michigan University hat sie das MBA in der Sparte International Business erworben