Thomas Borer zu neuen Nazi-Vorwürfen: «Credit Suisse hat falsch reagiert»

Einige Monate vor dem Untergang der Credit Suisse kündigte der neue Rechtschef den Vertrag mit Barofsky. Es war dann der politische Druck des Budget Committee, der die Wiedereröffnung der Untersuchung nach der Übernahme durch die UBS bewirkte. Ist die Involvierung der amerikanischen Politik eine gefährliche Situation?

Ja. Diese amerikanischen Kommissionen verfügen, im Gegensatz zu Kommissionen in National- und Ständerat, über Dutzende Mitarbeiter, ein erhebliches Budget und ein grosses Machtpotential. Daher lautet meine Empfehlung an die UBS: Sie sollte einen Effort in Public Relations und Lobbying unternehmen, um den amerikanischen Behörden, dem Kongress und ausgewählten Medien darzulegen, dass diese Fragen durch die genannten Kommissionen, namentlich unter Leitung des in den USA hoch angesehenen Paul Volcker, intensiv untersucht wurden, und durch den Vergleich von 1998 abgedeckt sind. Man kann auch auf die bereits getätigten Ausgaben hinweisen, die in keinem Verhältnis zu den Resultaten stehen. Vielleicht kann man das Simon Wiesenthal Center mit einer Geste des guten Willens beschwichtigen. In solchen Fällen bedeutet das immer eine Geldzahlung.

In Anbetracht des früheren Vergleichs wäre das zumindest unschön.

Bereits bei meiner Tätigkeit für die Task Force 1996 bis 1999 und dann auch wieder in der Auseinandersetzung um Steuerhinterziehung von US-Kunden ab 2007 habe ich gelernt, dass Schweizer Bankiers keine Kämpfer sind, sondern Händler, die solche Probleme gerne mit dem Scheckbuch lösen, also mit dem Geld der Aktionäre. Die Manager kostet das nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich diese Mentalität in der Zwischenzeit geändert hat. Insbesondere, weil die UBS ja jetzt immer auf die früheren Verantwortlichen bei der Credit Suisse verweisen kann.

Das ist doch kein überzeugender Ansatz. Die UBS hat die Nachfolge der Credit Suisse im Guten und im Schlechten angetreten. Da müsste sie doch jetzt schauen, dass für den Aktionär das Beste herauskommt.

Es ist offensichtlich, dass die Verantwortlichen der UBS offene Probleme und Rechtsfälle mit Vergleichen und Geldzahlungen rasch lösen wollen, um vom Ballast der CS befreit zu sein.

«Offensichtlich gab es bei der Credit Suisse verantwortungslose und gierige Dummköpfe.»

Die Übernahme der CS durch die UBS kam auch auf amerikanische Initiative zustande. Die Schweiz hat Hand geboten und dadurch mutmasslich eine neue Finanzkrise verhindert. Hätte man damals nicht den Amerikanern sagen können: Wir machen das, aber helft uns, diese Altlasten zu lösen.

Da mache ich niemandem einen Vorwurf. In einer Krise versuchen Sie zuerst, die grossen Feuer zu löschen. An diesen verhängnisvollen Tagen hat verständlicherweise niemand in Bern oder Zürich an solch sekundäre oder tertiäre Fragen wie mögliche Nazi-Konten gedacht. Aber man kann durchaus auch im Nachhinein auf die neue US-Regierung zugehen und Goodwill einfordern: Die Schweiz hat einen Beitrag zur Stabilisierung des weltweiten Finanzsystems geleistet. Leider hat man jetzt festgestellt, dass verschiedene Altlasten in den USA vorhanden sind und man möchte das Ganze mit einem Generalvergleich zu einem vernünftigen, eher kleinen Geldbetrag lösen. Das wäre doch eine schöne Aufgabe für das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen.

Wie sind die Voraussetzungen dafür?

Besser, als man meint. Die Schweiz hat unter demokratischen Präsidenten wie Bill Clinton, Barack Obama oder jetzt Joe Biden, immer grosse Schwierigkeiten gehabt. Republikanische Präsidenten stehen der Schweiz positiver gegenüber. Die Administration von Donald Trump könnte dieser Dynamik, der sich die UBS jetzt ausgesetzt sieht, sicher Einhalt gebieten. Als Zeichen des guten Willens könnten wir auch beim Freihandelsabkommen wieder einen Versuch unternehmen.

Wer ist willens, eine solche Initiative zu ergreifen?

Ich bin zuversichtlich, dass die schweizerische Botschaft in Washington, die politische Führung in Bern und auch die Führung der UBS hier das Notwendige in die Wege leiten

Haben diese Akteure den direkten persönlichen Zugang zu Entscheidungsträgern auf höchster Ebene?

Vor drei Jahren, als die Vorwürfe des Simon Wiesenthal Centers erstmals auftauchten, habe ich der Credit Suisse geraten, die Schweizer Botschaft in Washington zu involvieren. Ich hoffe, dass die UBS, die ja in den USA eine bedeutende Geschäftstätigkeit unterhält, den Zugang zur neuen Administration hat. Andernfalls liesse sich ein solcher sicherlich über den ehemaligen US-Botschafter Ed McMullen erreichen oder über die designierte neue US-Botschafterin in der Schweiz, Callista Gingrich. Zu meiner Zeit hat mich ihr Ehemann Newt Gingrich, der damals Fraktionsführer der Republikaner wurde, durchaus in meinen Bemühungen unterstützt. Natürlich stehe ich auch zur Verfügung, wenn ein paar Telefonnummern gefragt sind…


Lesen Sie auf der letzten Seite, was Thomas Borer über das andere grosse US-Thema der UBS sagt: Die mögliche neue Strafe des Department of Justice (DOJ) aufgrund von angeblichen Verletzungen des «Guilty Plea» der Credit Suisse im Steuerstreit.