Die Lage am Markt für Gewerbeimmobilien in den USA bringt dortige Banken ins Taumeln. Der langjährige Bankenanalyst Rainer Skierka erklärt finews.ch, wie er die Ansteckungsgefahr für die Schweizer Finanzbranche einschätzt.
Herr Skierka, im vergangenen Jahr gerieten US-Regionalbanken wie die Silicon Valley Bank in Schieflage und sorgten für Turbulenzen im Finanzsystem, die den Untergang der Credit Suisse in der Schweiz beschleunigten. Nun bringt die schwierige Lage am Gewerbeimmobilien-Markt US-Institute wie die New York Community erneut ins Wanken. Wie steht es diesmal mit dem Ansteckungsrisiko?
Banken behaupten grundsätzlich immer, dass nie ein Ansteckungsrisiko besteht, obwohl man von systemischen Ansteckungsrisiken reden kann. Es gibt keine isolierten Betrachtungsweisen mehr, wie auch bei der Privatbank Julius Bär und dem Signa-Debakel zu sehen war.
Derzeit zumindestens ist das Ansteckungsrisiko geringer als damals in der Finanzkrise. Hingegen ist diese Krise in einem sehr regulierten Gebiet aufgetaucht, konkret im New York Immobilienmarkt, wo entsprechende Risiken sich exponentiell entwickeln können.
Wie gross ist das USA-Exposure der Schweizer Finanzbranche, falls sich dort die Turbulenzen auf weitere Wirtschaftsbereiche ausweiten?
Anscheinend hat die US-Tochtergesellschaft der UBS Darlehen in der Höhe von mehreren Milliarden Franken im amerikanischen Gewerbeimmobilienmarkt ausstehend.
«Auch als Optimist muss man die realen Risiken in Betracht ziehen»
Diese wären aber durch entsprechende Sicherheiten gedeckt. Interessant ist zu sehen, ob es deswegen noch zu Zusammenschlüssen kommt, wie die Übernahme der amerikanischen First Republic Bank durch die Grossbank J.P. Morgan im vergangenen Jahr.
Sie haben als Bankenanalyst schon zahlreiche Krisen miterlebt. Gibt es Parallelen zwischen der aktuellen Lage im US-Gewerbeimmobilienmarkt und den Subprime-Hypotheken, die zur Finanzkrise 2008 geführt haben?
Es gibt wenig Parallelen zur globalen Finanzkrise von 2008. Die Zinssituation, auch wenn die Zinsen gestiegen sind, ist deutlich besser als vor 15 Jahren. Was derzeit unterschwellig mitspielen könnte, sind geopolitische Risiken. Deswegen würde ich auch in diesem Fall einen ‹Black Swan› nicht ausschliessen: Immer da, wo man nicht damit rechnet, taucht ein Grossrisiko auf. Auch als Optimist muss man die realen Risiken in Betracht ziehen. Die Wirtschaft läuft noch. Aber wie lange kann dieser Zustand noch anhalten?
Wie solide ist die Schweizer Finanzbranche diesmal aufgestellt?
Sie ist nach den Abschlüssen des Jahres 2023 hervorragend aufgestellt. Trotzdem machen sich rezessive Tendenzen bemerkbar, nicht nur im Liegenschaftsmarkt, sondern auch mit Blick auf die Firmenabschlüssen für die Jahre 2024 und 2025. Darüber hinaus ist die hiesige Finanzindustrie mit Sicherheit verwundbar.
«Das Kerngeschäft einer Kantonalbank liegt fern von internationalen Finanzierungen»
Insbesondere besteht ein hohes Reputationsrisiko, wie bei der Bank Julius Bär zu erkennen war. Speziell der Schweizer Immobilienmarkt folgt aber, zum Glück für die Banken, eigenen Gesetzmässigkeiten. Wie eine Teflonpfanne, perlt allen an ihm ab. Die Nachfrage nach Liegenschaften in der Schweiz ist weiterhin sehr hoch.
Auch der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt muss gegenwärtig mit Herausforderungen umgehen. Wiegen diese am Ende schwerer als die Turbulenzen in den fernen USA?
Ich denke, für Deutschland muss man mittlerweile ein separates Kapitel öffnen. Das Land hat viele hausgemachte Probleme, die es gar nicht bräuchte. Sie haben dort politisch alles getan, um alles zu verhindern, wie auch Mietzins-Deckelungen eingeführt. Dies fördert die Situation nicht.
Von den Signa-Insolvenzen sich auch zahlreiche Schweizer Banken betroffen, zuvorderst Julius Bär, aber auch kleine Kantonalbanken wie WKB und OKB. Sind hiesige Inlandbanken mit ihren Finanzierungen heute internationaler ausgerichtet, als zu erwarten wäre?
Das Kerngeschäft einer Kantonalbank liegt fern von internationalen Finanzierungen. Trotzdem ist diese kuriose Situation entstanden, und insbesondere Julius Bär hat seine Reputation und den Nimbus der reinen Privatbank beschädigt.
Verschiedene Kantonalbanken behaupteten im Signa-Debakel, dass sie aufgrund verschiedener rechtlicher Überlegungen keine Einzelheiten zu bestehenden Kundenbeziehungen offenlegen dürfen. Dies hat den Anlegerinnen und Anlegern auch nicht weitergeholfen.
Rainer Skierka ist seit mehr als 30 Jahren in der Finanzbranche tätig. Er arbeitete neun Jahre lang als Finanzanalyst bei der Privatbank J. Safra Sarasin. In seinem «aktiven» Ruhestand ist er nun weiterhin als Analyst bei der in Zürich ansässigen Firma Research Partners tätig und dort zuständig für den Bereich der Finanztitel. Er studierte Nationalökonomie an der Universität Basel und absolvierte eine Weiterbildung an der Northwestern University (Kellogg School) in Chicago.