Die Erweiterung der Geschäftleitung ist nur folgerichtig, wenn die Ambitionen von Julius Bär bedacht werden. Doch hat es CEO Philipp Rickenbacher mit der jüngsten Reorganisation übertrieben? finews.ch hat analysiert, was am Umbau beim Traditionshaus auffällt.
1. Immer mehr Grossbank
Natürlich wird man bei Julius Bär, der selbsternannten «Pure play»-Privatbank, wegen des Grossbanken-Vergleichs das Gesicht verziehen: Ein Universalanbieter wie die UBS will das Traditionhaus eben gerade nicht sein. Doch die Ambition, bis im Jahr 2030 rund 1’000 Milliarden Franken an Kundenvermögen zu verwalten und damit das aktuelle Volumen mehr als zu verdoppeln, bedingt dennoch eine Erweiterung der Organisation, wie sie nun am Montag angekündigt wurde.
Dies schon nur, um den erhofften zahlreichen Neukunden gerecht zu werden. So wurde die Anzahl der Regionen-Ressorts von bisher drei auf vier erhöht und weitere Funktionen für die Schnittstelle zur Kundschaft geschaffen. Der Ausbau der Geschäftsleitung vom Montag – zumal mit zwei Ehemaligen der UBS – kann deshalb als Vorbedingung verstanden werden, die Verdoppelung innert sieben Jahren zu erreichen.
2. Hat es Philipp Rickenbacher übertrieben?
Die Reorganisation der Geschäftleitung ist angesichts der Ambitionen der Privatbank wohl folgerichtig. Dennoch muss man sich fragen, ob CEO Philipp Rickenbacher mit dem personelle Ausbau des Management von zehn auf fünfzehn Köpfe dem Unternehmen mittelfristig einen guten Dienst erwiesen hat. Denn Beobachtern zufolge ist dies an der Grenze dessen, was noch als schlagkräftige Führung gelten darf. Mit Blick auf die Ernennungen stellt sich für Aussenstehende zudem die Frage, ob da wohl nicht auch langjährige Kader für ihre treuen Dienste «belohnt» wurden.
3. Die Ära Boris Collardi verblasst
Mit Yves Robert-Charrue (Bild unten) verlässt im kommenden Jahr einer der letzten Weggefährten des für die Bank prägenden Ex-CEO Boris Collardi das Unternehmen. Robert-Charrue galt wie Collardi als Zögling des damaligen CEO Oswald Grübel bei der Credit Suisse und folgte dem Romand zu Julius Bär (Collardi startete dort im Jahr 2006, Robert-Charrue 2009), wo er zu dessen engstem Kreis gehörte. Zeitweilig wurde der Schweizer mit den vielen Rollen beim Institut auch als möglicher CEO gehandelt. Allerdings machte dann der heute amtierende Rickenbacher das Rennen. Das Robert-Charrue nun weiter zieht, ist auch vor dem Hintergrund des Wandels zu sehen, den das Unternehmen seit der Finanzkrise erlebt hat.
(Bild: Julius Bär)
In der Branche wird gemunkelt, Robert-Charrue habe sich auf den Chefposten bei der Zürcher Konkurrentin Vontobel beworben, der nun aber an die Co-Leitung von Georg Schubiger und Christel Rendu de Lint gegangen ist. Bei Julius Bär wird sein Aufgabengebiet – Europa, Nahost und Afrika – nun aufgeteilt. Es scheint zu gross geworden zu sein für einen einzelnen Manager.
4. Konstante Nic Dreckmann
Über all die Jahre konnte sich jedoch der operationelle Chef (COO) Nic Dreckmann (Bild unten) halten; er gilt als Technokrat, aber ist (und bleibt) im Management der Bank ein konstanter Faktor, der das Führungsgerüst stützt. Neu wirkt er als Stellvertreter von CEO Rickenbacher, musste aber dafür den wichtigen Bereich mit dem Geschäft mit Finanzintermediären abgeben. Dieser geht nun an den früheren UBS-Kader Thomas Frauenlob, der neu zu Julius Bär stösst, und damit gleich einen Sitz in der Konzerleitung erhält.
(Bild: Julius Bär)
5. Der Heimmarkt als ewige Wetterecke
Einen Teil des Erbes von Robert-Charrue tritt Sonia Gössi als neue Schweiz- und Europa-Chefin an; sie ist eine gestandene Managerin, die bei der UBS dafür bekannt war, gute Kontakte zu den Kundenberatern zu unterhalten, aber auch direkt zu Kunden. Die Reorganisation führt nochmals zu Bewegung und Unruhe in einem Bereich von Julius Bär, der – vor allem mit der Schweiz – noch nie die erforderliche Nachhaltigkeit erzielt hat. Vielleicht klappt es jetzt mit der ehemaligen UBS-Kaderfrau. Allerdings hat sie keine spezifische Erfahrungen am Heimmarkt, heisst es. Gilles Stuck bleibt unter ihr Schweiz-Chef, der bislang zumindest nach aussen nicht gross in Erscheinung getreten ist.
6. Der Nahe Osten im Fokus
Im internationalen Wealth Management spielt die Musik derzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Vor allem Dubai zieht Vermögensverwalter, Privatbanken, Investoren, Talente und Kapital aus aller Welt an. Darauf reagiert das Zürcher Traditionshaus, was sich auch an der Ernennung des als äusserst fähig geltenden Rahul Malhotra zeigt. Er wird als neuer Schwellenland-Chef künftig von Dubai aus operieren. Malhotra ist derzeit verantwortlich für Global India (Kunden mit Wohnsitz in und ausserhalb Indiens), Japan und Kunden aus Asien, die von der Schweiz und Japan aus betreut werden.
7. Strategisches HR
Das ein Unternehmen der Grösse von Julius Bär auch die Leitung des Personalwesens auf Stufe Geschäftsleitung ansiedelt, ist eigentlich üblich. Immerhin arbeiten rund 6'900 Menschen weltweit für die Bank, davon rund 3'600 in der Schweiz. Mit den zahlreichen neuen Kundenberatern, welche Julius Bär anziehen muss, um die Grössenambitionen umzusetzen, gewinnt der Bereich aber nun definitiv noch mehr Bedeutung. Als Begründung für die Auswertung innerhalb der bankinternen Organisation heisst es, dass der Stellenwert der Mitarbeiterführung und der Kultur weiter gestärkt werden soll.
Mit der Aufgabe wurde ein Veteran betraut: Chief Human Resources Officer & Corporate Affairs Guido Ruoss (Bild unten) ist seit dem Jahr 2008 bei Julius Bär tätig und bereits seit mehr als acht Jahren Personalchef.
(Bild: Julius Bär)
8. Rechtsrisiken sind Sache des Top-Management
Oliver Bartholet sass als Risikochef bereits in der Geschäftsleitung von Julius Bär. Nun erhält mit Christoph Hiestand auch noch der Chefjurist der Gruppe Einzug ins Management. Auch dies entspricht dem Grossbanken-Usus, kann jedoch auch so verstanden werden, dass die Privatbank Rechtsrisiken künftig (noch) ernster nehmen wird.
Vordergründig haben diese Risiken nicht zugenommen. Allerdings fiel der Name von Julius Bär zuletzt auch in Zusammenhang mit einem riesigen Geldwäscherei-Skandal in Singapur und Enthüllungen rund um die Gelder eines verurteilten Russen. Chefjurist Hiestand wird wohl darauf achten müssen, dass sich das Institut hier nicht angreifbar macht.