Das Investmenthaus Vontobel tut sich nach einem durchzogenen ersten Halbjahr 2023 insgesamt schwer. Das kommt zur Unzeit, da sich der mittelfristig abtretende CEO zunehmend mit anderen Themen befasst.
Seinen langfristig geplanten Abgang als Vontobel-CEO hat sich Zeno Staub wohl etwas anders vorgestellt. Wie schon früher berichtet, wird er die Zügel im April 2024 abgeben, wobei weiterhin unklar ist, wer ihm folgen wird.
Fest steht hingegen, dass es von Vorteil wäre, wenn er das Zürcher Investmenthaus operativ gesehen in einer wirtschaftlich erfolgreichen Verfassung verlassen könnte. Doch danach schaut es derzeit nicht aus, wie die Zahlen zeigen, die Vontobel am Donnerstag publizierte. Der Gewinn sackte im ersten Semester 2023 auf 127,4 Millionen Franken ab; 16 Prozent weniger als in der Vorjahresperiode.
Asset Management unter Druck
Bereits zum dritten Mal in Folge weist Vontobel nun auch im ersten Halbjahr 2023 netto rückläufige Neugelder aus. Das ist insofern ernüchternd, da andere, vergleichbare Banken wie Julius Bär, die Union Bancaire Privée oder zuletzt EFG International klar bessere Resultate gemeldet haben.
Zugegeben, das Problem bei Vontobel liegt nicht primär im Wealth Management, also in der klassischen Vermögensverwaltung für Private, sondern im Asset Management, also im Geschäft mit institutionellen Anlegern wie Versicherungen, Pensionskassen und anderen Finanzgesellschaften.
Dort ging das Neugeld um fast 6 Prozent zurück, was sich wiederum in einem sehr schwachen Plus von 1 Prozent im Wachstum der verwalteten Vermögen manifestierte.
Grosse Unsicherheiten
Für ein Unternehmen, das sich nicht mehr als Bank bezeichnet wissen will, sondern als Investmenthaus, ist dieses Ergebnis enttäuschend. Die institutionellen Kundinnen und Kunden würden sich aufgrund der makroökonomischen Unsicherheit zurückhalten, sagte Staub am Donnerstagmorgen in einem Analysten-Call. Denkbar wäre allerdings auch, dass die Klientel von der Performance der Vontobel-Produkte nicht restlos überzeugt ist.
In einem grösseren Kontext betrachtet, lahmt Vontobel seit der Ende 2019 angekündigten Reorganisation, die in der Folge noch zahlreiche Veränderungen, insbesondere auch personeller Natur, nach sich zog. Damals wurde auch das als eigenständige Sparte und höchst erfolgreich geführte Asset Management restrukturiert. Anstelle von Axel Schwarzer übernahm dann Staub höchst persönlich Ende 2020 die Oberleitung dieses Geschäfts, bevor es erst kürzlich unter die Ägide der Investment-Chefin Christel Rendu de Lint gelangte. Sie hatte offenbar noch zu wenig Zeit, um es nachhaltig auf Erfolgskurs zu bringen.
Hohe Kosten in vielen Bereichen
Belastet haben das jüngste Semesterergebnis aber auch sehr hohe Kosten, etwa für buchhalterische Anpassungen (IRFS), für die Integration des Wealth-Managers SFA sowie die Aufgabe von Märkten wie Russland oder auch Hongkong und der starke Frankenkurs. Eine aggressive Personaloffensive, wie sie auch viele andere Bank in den vergangenen Monaten vor dem Hintergrund der kriselnden Credit Suisse (CS), betrieben haben, ging ebenfalls ins Geld.
Das alles schlug sich in einem deutlich gestiegenen Kosten-/Ertragsverhältnis von nun 78,2 Prozent nieder, was 5,4 Basispunkt mehr ist als noch vor einem Jahr und weit über der mittelfristigen Zielvorgabe von weniger als 72 Prozent liegt.
Geduld mit neuen Kundenberaterinnen und -berater
Vontobel sucht noch weitere Kundenberaterinnen und -berater; bis wann sich dieser «Push», wenn überhaupt, positiv in den Büchern manifestiert, steht in den Sternen. Denn viele der neuen Leute, haben entweder noch nicht begonnen oder man ist noch in Verhandlung, wie Staub weiter erklärte. Und Tatsache ist überdies, dass die meisten Kundinnen und Kunden, namentlich von der CS, ihr Geld noch gar nicht bewegt haben. Sie warten stattdessen noch ab. Das bestätigen auch andere Privatbanken.
Auf seine letzten Arbeitstage bei Vontobel hin geht Staub ein tatsächliches hohes Risiko ein, das sein oder seine Nachfolgerin wird schultern und bewältigen müssen. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass man bei Vontobel der Meinung ist, dass «die Zeiten unsicher bleiben».
Realität oder Zweckoptimismus?
Unsicher ist aber auch, ob Staub im kommenden Herbst als Vertreter der «Mitte-Partei» in den Nationalrat gewählt wird, wie er sich das wünscht, um seiner insgesamt höchst erfolgreichen Banker-Karriere eine neue Wendung zu geben. Im Zuge seiner Wahlkampagne würde ihm eine prosperierende Vontobel sicherlich zugutekommen.
Bis dann dürfte sich wohl auch abzeichnen, ob seine Aussage: «Wir bleiben ungeachtet des aktuellen Umfelds zuversichtlich, dass wir unsere ambitionierten Mittelfristziele 2024 über einen Zyklus hinweg erreichen werden», Realität wird oder bloss Zweckoptimismus bleibt.