Der Abschreiber auf Pflichtwandelanleihen der Credit Suisse beschäftigt inzwischen das Bundesverwaltungsgericht. Die Nationalbank könnte eine interessante Zeugin werden, wie ihren neuesten Beobachtungen zu entnehmen ist.
Für die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat die Rettung der Credit Suisse (CS) vom vergangenen März ein juristisches Nachspiel: Als Teil der Aktion befahl die Aufsicht der Grossbank, Pflichtwandelanleihen (AT-1) im Umfang von 15,8 Milliarden Franken abzuschreiben und das Eigenkapital des ramponierten Instituts unmittelbar zu stärken.
Während die Käuferin UBS deswegen einen buchhalterischen Milliardengewinn erzielen wird, reichten Hunderte von Investoren wegen ihrer auf AT-1-Papieren erlittenen Verluste Klage ein, darunter auch die Pensionskasse des Schweizer Retailhandel-Riesen Migros. Damit muss sich nun das Bundesverwaltungsgericht auseinandersetzen.
Das juristische Hickhack um die Auslegung des Anleihenprospekts wird damit seinen Lauf nehmen. Grundsätzlich stossen sich die Investoren daran, dass sie als Anleihenhalter den ganzen Einsatz verloren haben, während es bei den CS-Aktionären «nur» zwei Drittel des Engagements sind. Dabei müsste nach den Regeln einer Bankenabwicklung eigentlich zuerst das Aktionariat bluten.
Den Trigger tunlichst vermieden
Interessant ist nun, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Vorgänge beurteilt, die zum AT-1-Abschreiber geführt haben. Als Hüterin des Schweizer Finanzsystems war sie eng in die Rettungsaktion involviert. Im am Donnerstag veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht hat die SNB nun ausführlich Stellung zur Krise bei der CS bezogen.
Bezüglich der Pflichtwandler der Bank kamen die Nationalbanker zum Schluss, dass es die CS bis zur Rettung im vergangenen März vermieden hat, den «Trigger» für die AT-1-Papiere auszulösen. So bediente das Institut weiterhin die Zinszahlung von ausstehenden Obligationen und zahlte AT-1-Anleihen zum frühestmöglichen Datum zurück, obwohl sich die operative und finanzielle Situation immer weiter verdüsterte.
14 statt 7 Prozent
Ausserdem: selbst Mitte März verfügte die Bank noch über ein Kernkapital-Quote von 14 Prozent, also deutlich mehr als das regulatorische Minimum von 10 Prozent und das Doppelte des quantitativen Trigger von 7 Prozent, auf den eine Wandlung der AT-1-Anleihen in Eigenkapital hin hätte erfolgen müssen. Die Finma zog demnach den «Abzug» schon bei einer Kernkapital-Quote von 14 Prozent, wie nun die SNB bestätigte.
Allerdings sieht die Nationalbank den Abschreiber dennoch als rechtens an. Auch bei ausreichenden Eigenmitteln habe das Vertrauen in die CS am Markt gebröckelt. Als das Vertrauen dann vollends zu schwinden drohte, hätten die Behörden eingreifen müssen – und durch die Zusage der Unterstützung vom Bund sei dann doch eine Bedingung erfüllt gewesen, nach der die AT-1-Anleihen ausgelöst hätten werden können.
Nicht mehr ganz geheuer
Ob diese Argumentation vor dem Bundesverwaltungsgericht verfangen wird, muss sich weisen. Der SNB selber ist jedoch offensichtlich nicht mehr ganz wohl mit den geltenden Vorschriften zur Grossbanken-Kapitalisierung. Wie der Bericht vom Donnerstag ebenfalls festhielt, habe die CS-Krise gezeigt, dass es nicht ausreichend sei, bloss die Eigenmittelvorschriften einzuhalten.
Für die Beurteilung der Resilienz einer Bank seien vielmehr auch deren Zukunftsaussichten entscheidend, und damit die Frage nach der Gewinnkraft und der Fähigkeit des Instituts, Kapital aufzunehmen. «Ein übermässiges Vertrauen in die aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalquoten kann daher zu einer Unterschätzung der Notwendigkeit und Dringlichkeit von Korrekturmassnahmen führen», so die SNB.