Automatisierung und intelligente Lösungen helfen, dass Übermut entlarvt und oszillierende Risiken rasch entdeckt werden. Vielen Banken fehlt dafür aber noch der Wille oder die Maschine.
«Das Geschäftsmodell der Bank war nicht das Problem, sondern die Leute, die es umgesetzt haben.» In ihrem Interview mit der «NZZ» zur Credit Suisse (Artikel kostenpflichtig) sprach Monika Roth Klartext zu einem Phänomen, das nicht nur für die krisengeplagte Schweizer Grossbank gilt, in der zu lange zu viele «Regenmacher» ihren Tanz ungestraft aufgeführt haben.
Tatsächlich ist der Umgang mit Risiken zuallererst eine Frage der Kultur und der Anreize. Dabei scheint die Schweizer Mentalität eher ein Vorteil hinsichtlich der Regeltreue zu sein. Während hierzulande etwa bei der CS die kleinsten Verstösse geahndet würden, komme man in der internationalen Vermögensverwaltung der CS mit vielem durch, solange es Geld bringe, mutmasste Roth.
Drei Verteidigungslinien
Um die Risiken richtig zu beherrschen, müssen allerdings auch die Sicherheitsnetze in einer Bank richtig gespannt sein. Dabei wenden in der Schweiz viele Banken noch das System der «Three Lines of Defense» an. Um Regelverstösse zu unterbinden, nehmen sich verschiedene Einheiten in der Wertschöpfungskette dem Risikomanagement an.
Die erste Abwehrlinie besteht an der Kundenfront. Die zweite Linie stellt sicher, dass sich die Kundenfront entlang den definierten Linien verhält und keine roten Linien überschritten werden. Die dritte Verteidigungslinie besteht in der internen Revision, welche die beiden anderen Linien hinsichtlich Einhaltung der Regulatorien überwacht.
Schwächen bei der Kunden-Identifikation
Zur Stärkung des Schweizer Finanzplatzes ist namentlich die Compliance in den vergangenen Jahren ausgebaut worden. Das hat sich unter anderem bei der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Geldflüsse an terroristische Organisationen niedergeschlagen. Um mit immer strengeren und umfangreicheren Aufsichtsregularien Schritt zu halten, haben die Finanzinstitute jährlich Milliarden ausgeben.
Trotzdem stellt die Einhaltung von Vorschriften hinsichtlich «Know Your Customer» (KYC) die Bankenwelt weiterhin vor grosse Herausforderungen, wie aus einem Bericht von Moody's Analytics hervorgeht.
Veraltete Handarbeit
Demnach schnitten traditionelle Banken in einem internationalen Vergleich teilweise noch immer schlecht ab. Die Studienautoren erklären diesen Rückstand mit einer veralteten Infrastruktur und in einigen Fällen mit Papierprozessen bei der Anwerbung von Kunden.
Eine Mehrheit der Unternehmen hat jedoch gemäss den Experten eine «aufgeklärte» Sichtweise auf KYC. Die Führungskräfte in dieser Gruppe glauben, dass KYC bei einer richtigen Anwendung «gute Kosen» sind, die Wert schaffen und einen Wandel bewirken.
Tempo macht den Unterschied
So können nicht nur strengere Vorschriften eingehalten werden, sondern auch Kundenbeziehungen verbessert und die Integrität sowie den Ruf des Unternehmens verbessert werden. Den Compliance-Teams zu schaffen machen gemäss der Analyse indessen die Rekrutierung von geeignetem Personal, mangelnde Datenqualität und Kundenzufriedenheit.
Zudem darf KYC nach Ansicht der Autoren nicht bloss unregelmässig alle paar Jahre nach dem Onboarding stattfinden, sondern muss zu einer automatisierten, auslöserbasierten Aktivität werden, die praktisch in Echtzeit funktioniert. Diese Umstellung auf rasche und kontinuierliche KYC ermögliche es den Compliance-Teams, sich von einer reinen Regulierungsfunktion in einen Umsatztreiber zu verwandeln.
CS zu spät am Notausgang
Automatisierung und intelligente Lösungen sind also der Weg in die Zukunft, um Übermut und Risiken rasch aufzuspüren, die sich naturgemäss ständig wandeln. Hätte die CS im März 2021 über solche Systeme und eine intakte Risikokultur verfügt, wäre sie beim Kollaps von Archegos, einem Family Office des schillernden Südkoreaners Bill Hwang, vielleicht wie andere Banken mit einem blauen Auge davongekommen.
Weil bei den beteiligten Banken UBS, Deutsche Bank, Goldman Sachs und Morgan Stanley die Alarmlampen offenbar schnell leuchteten, konnten sie früher zum Ausgang rennen und kamen mit einem Verlust von weniger als eine Milliarde Dollar davon. Doch die CS brauchte mit ihrem Riesenpaket zu viel Zeit und rannte schliesslich hinterher. Kostenpunkt: 4,4 Milliarden Franken.