Der Zeitpunkt zum Abschied sei genau der richtige, findet UBS-Veteran Tom Naratil. An seinem letzten offiziellen Arbeitstag blickt der bisherige Co-Chef der Vermögensverwaltung auf seine jahrzehntelange Karriere bei der Schweizer Grossbank zurück. 

Fast seine gesamte Berufskarriere hat Tom Naratil, der vor kurzem als Leiter von UBS Americas und Co-Leiter des globalen Wealth Management zurückgetreten ist, bei der Schweizer Grossbank respektive bei einer Vorläuferbank verbracht. Insgesamt stand er gut vier Jahrzehnte in deren Diensten. Heute ist der letzte Arbeitstag des Amerikaners bei der UBS. In einem lesenswerten Interview mit der US-Anlegerzeitung «Barron’s» blickt der UBS-Veteran auf eine bewegte Zeit zurück (Artikel bezahlpflichtig).

Iqbal Khan noch besser

Der Abschied fällt dem Spitzenmanager nicht ganz leicht: «Es ist bittersüss», beschreibt Naratil das Gefühl. Der Zeitpunkt zu gehen, sei indes der richtige, wenn man wirklich Vertrauen ins Team und die Leute habe, die nachfolgen, zeigt er sich überzeugt. «Ob es nun Iqbal Khan, Jason Chandler oder Naureen Hassan ist, ich habe das Gefühl, dass sie in der Lage sein werden, das Team zu noch besseren Ergebnissen zu führen, als es mir möglich war».

Am 3. Oktober übernahm Naureen Hassan von Tom Naratil und zog als President UBS Americas sowie CEO der UBS Americas Holding in die UBS-Konzernleitung ein, wie finews.ch schon früher berichtete. Die Amerikanerin indischer Abstammung bringt langjährige Erfahrung aus der amerikanischen Finanzwelt mit. Vor ihrer Berufung zur UBS war Hassan als erste Vizepräsidentin die Nummer zwei der New Yorker Federal Reserve. Diese Notenbank ist die einflussreichste der zwölf gleichberechtigten Federal Reserve Banks und gilt daher als «erste unter Gleichen». Khan ist nun alleiniger Leiter des Kerngeschäfts der UBS mit der Globalen Vermögensverwaltung (GWM).

Richtiger Zeitpunkt

Als er 2016 in die Vereinigten Staaten zurückgekommen sei, um das US-Vermögensverwaltungsgeschäft zu leiten, habe sich die UBS unter anderem vorgenommen, die Agilität zu verbessern, ein «feel small, play big»-Erlebnis zu bieten, die Wealth-Management-Branche in den USA durch eine weitere Differenzierung der UBS zu verändern und eine Grundlage für langfristigen Erfolg zu schaffen, hält Naratil fest. Ende letzten Jahres habe man all dies und noch viel mehr erreicht.

«Nun, da wir das nächste Kapitel von UBS in Nord-, Mittel- und Südamerika und weltweit in Angriff nehmen wollen, schien mir der Zeitpunkt für einen solchen Wechsel gekommen zu sein», erklärt Nartail seinen Entschluss. «Wir verfügen über ein sehr fähiges und angesehenes Führungsteam, das unser Wealth-Management-Geschäft und unser regionales Geschäft auf die nächste Stufe heben wird», blickt er für die UBS zuversichtlich nach vorne.

Historischer Moment

Seit seinem Eintritt in das Ausbildungsprogramm beim US-Broker Paine Webber im Jahr 1983 hat Naratil die Entwicklungen in der Finanzindustrie beobachtet. «Die Übernahme von Paine Webber durch die UBS war ein historischer Moment für unser Vermögensverwaltungsgeschäft», erklärt er. Man habe damals erkannt, dass sich die Welt verändern würde. Das sei der Beginn des Aufbaus eines globalen Vermögensverwaltungsangebots gewesen.

«Nachdem wir zur UBS gekommen waren, konzentrierte man sich mehr auf die globalen Möglichkeiten eines Powerhouse», kommentiert Naratil den Wandel der Schweizer Grossbank hin zur Vermögensverwaltung. «Es machte mehr Sinn, sich auf eine High-Net-Worth- und Ultra-High-Net-Worth-Kundenbasis zu konzentrieren». Diese Entwicklung habe sich nach 2009 beschleunigt, als Bob McCann, der ehemalige Präsident von UBS Wealth Management Americas, hinzukam. «Wir fokussieren uns darauf, weiter in den oberen Marktsegmenten Fuss zu fassen. Das entspricht dem Bereich, in dem wir die höchsten Wachstumsraten in den USA und weltweit sehen».

Fokus machte sich bezahlt

Die UBS sei damals bewusst eine andere Strategie gefahren als einige ihrer Konkurrenten, die ihren Beraterkreis vergrösserten und versuchten, das gesamte Vermögensprofil sowohl für Klein- als auch für Grossanleger zu bedienen. «Anstatt in mehrere Kundensegmente zu investieren und Ausgaben zu tätigen, konzentrierten wir uns auf Berater, die sich um vermögende und sehr vermögende Kunden kümmern. Das hat uns von Verlusten in der Finanzkrise zu einem Gewinn von 2 Milliarden Dollar im letzten Jahr geführt».