Die bodenständigen Genossenschafts-Banker und die schwebenden Verheissungen des Metaverse: Das passt auf den ersten Blick nicht auf den gleichen Nenner. Trotzdem äussert sich Raiffeisen nun zum Potenzial von virtuellen Immobilien.
Die Raiffeisen-Banken dominieren den klassischen Schweizer Hypomarkt. Wird man das rote Logo der Genossenschafter bald auch in virtuellen Welten wie The Sandbox, Decentraland und Otherside antreffen? Indizien dazu finden sich in der aktuellen Immobilienstudie, welche die Experten von Raiffeisen Schweiz rund um den Chefökonomen Martin Neff am Donnerstag publiziert haben. Erstmals widmen sie sich darin den Verheissungen von «Virtual Real Estate».
Wertsteigerung von fast 11'000 Prozent
Dabei zeigt sich schnell: So recht trauen die Raiffeisen-Banker diesen virtuellen Welten nicht über den Weg. Der Handel mit Non-Fungible-Token (NFT) auf der Blockchain habe in den letzten Monaten seltsame Blüten getrieben, finden sie. «Neben digitalen Kunstwerken, originalen Bild- und Videoaufnahmen oder Gegenständen in Videospielen kann man mittlerweile auch Grundstücke in der digitalen Welt, dem sogenannten Metaverse, erwerben. Und dies teilweise zu exorbitanten Preisen.»
In der Tat. Wer im Januar 2021 zum Durchschnittspreis von 150 Dollar eine Landparzelle in der Spielwelt The Sandbox ergattert hatte, konnte sich bis im folgenden Oktober desselben Jahres einer Wertsteigerung von fast 11'000 Prozent erfreuen.
Die Lage bestimmt den Preis
Angesicht des abflachenden Preistrends am Schweizer Immobilienmarkt müsste das in den Augen von Hypo-Bankern eigentlich vielversprechend klingen. Zumal einige Gesetzmässigkeiten im Umgang mit Liegenschaften im Metaverse genauso gelten wie rund um den Zürichsee: «Location, Location, Location» heisst auch das Zauberwort für Immobilienkäufer im Cyberspace, wie sich zeigt. «Wie bei harten Immobilien bestimmt vor allem die Lage den Preis», bemerken die Raiffeisen-Experten.
Die relative Attraktivität von verschiedenen Landstücken definiere sich in einem Metaverse sehr stark durch das User-Aufkommen in der näheren Umgebung. Also: Je mehr Spieler sich in der Nähe des eigenen Grundstückes im Schnitt aufhalten würden, desto mehr Ertrag könne theoretisch mit der Parzelle generiert werden, was wiederum einen höheren Preis rechtfertigte.
Ein nagender Verdacht
Allerdings, so die Studie weiter, gebe es eben auch grosse Unterschiede zum traditionellen Immobilienmarkt. «Während in der realen Welt Land grundsätzlich ein knappes, beschränktes Gut ist, kann im Metaverse quasi per Mausklick einfach neues erschaffen werden.» Dies etwa in der Spielwelt, in der man investiert ist, oder über die Entstehung immer neuer, konkurrierender Metaverse-Projekte.
Ein weiterer Unterschied liesse sich anfügen: Während am Schweizer Immobilienmarkt seit Jahren vor Preisblasen gewarnt wird, und bisher noch nie eine geplatzt ist, sind die Parzellen-Preise im virtuellen Raum seit vergangenem Herbst über eine Klippe gestürzt und darin dem breiten Crash von Krypto-Anlagen gefolgt. In The Sandbox etwa sind bis Ende vergangenen Juni die Preise wieder auf unter 2'500 Dollar gefallen.
Das nährt bei den Raiffeisen-Bankern einen Verdacht. Geht es bei vielen dieser Projekte schlicht darum, dass vor allem der Handel mit digitalem Boden im Vordergrund steht und weniger die Erschaffung eines tatsächlichen Metaverse?
Das Spielfeld von Spekulanten
Für die Bankökonomen steht fest: Die meist noch sehr jungen Metaverse-Projekte seien heute offensichtlich primär das Spielfeld von risikofreudigen Spekulanten. Sowohl seien in der kurzfristigen als auch der längerfristigen Perspektive Immobilien-Investitionen hoch riskant, und Totalverluste auf dem investierten Kapital nicht unwahrscheinlich. Verschärft werde dies noch durch die Tatsache, dass viele Projekte aus technischen Gründen an Krypto-Währungen gebunden sind, deren Zukunft sich zurzeit ebenfalls kaum seriös abschätzen lasse.
«Auch wenn Investitionen in die altbekannten, indirekten Immobilienanlagen im Vergleich zum Metaverse etwas langweilig erscheinen können, dürften diese für die grosse Mehrheit der Anleger die deutlich sinnvollere Alternative sein», ziehen sie ihr Fazit. In den letzten zehn Jahren habe die Gesamtrendite von Schweizer Immobilienaktien und Immobilienfonds im Schnitt zwar «nur» bei 150 respektive 85 Prozent gelegen. Dafür hätten sich aber auch die Wertschwankungs- und Ausfallrisiken in deutlich engeren Grenzen bewegt.