Crash an der Börse, Zinswende, Ukraine-Krise: Warum nur erwarten die Chefs von Regionalbanken gerade jetzt lukrative Zeiten? Eine neue Studie hat ihnen den Puls gefühlt.
Seit dem Jahr 2014 führen die Nebenwerte-Spezialisten von Zern & Partner jährlich die Regionalbanken-Umfrage durch. Aber noch nie haben sie derart gravierende Veränderungen der Antworten erlebt, wie die Experten anlässlich der Studienpräsentation am Dienstag in Bern feststellten.
Der Grund für den Stimmungsumschwung ist schnell gefunden: Es ist die schnell ansteigende Teuerung und die damit verbundene Zinswende, welche im Juni mit dem «Doppelschritt» der Schweizerischen Nationalbank (SNB) nun auch in der Schweiz stattgefunden hat. Mit -0,25 Prozent notieren zwar die Leitzinsen hierzulande immer noch im Minusbereich. Doch das hat die Banken nicht davon abgehalten, die Zinsen für die beliebtesten Festhypotheken seit Jahresbeginn im Schnitt zu verdoppeln.
5 Prozent Wachstum das höchste der Gefühle
«Die Banken atmen auf, denn erstmals zeichnet sich nun eine dauerhafte Expansion der Marge im immer noch bedeutendsten Geschäftsbereich ab, dem Zinsengeschäft», interpretieren die Studienautoren das Umfrageergebnis. Anlässlich der gemeinsam mit dem OTC-X Research der Berner Kantonalbank (BEKB) erstellten Studie wurden Chefs von 21 Regional- und Kantonalbanken befragt; noch nie seit Umfragebeginn haben die Teilnehmenden die Lage ihres Instituts so solide eingeschätzt. Nur noch 15 Prozent der Befragten erwarten, dass sich die Lage für die Banken in der Provinz in den nächsten zehn Jahren verschlechtert (siehe Grafik unten).
Folgt man der Studie, bereiten sich die Institute auf lukrative Zeiten vor. Erwartete noch im Vorjahr kein einziger Umfrageteilnehmer eine Ausweitung der Marge, so sind es dieses Jahr 61,9 Prozent. Interessanterweise wird dabei im Kerngeschäft in der Regel nur mit geringem Wachstum gerechnet – 5 Prozent Wachstum sind offenbar das höchste der Gefühle.
Doch solange sich an diesen Volumen mehr verdienen lässt, nehmen die Regionalbanker dieser Entwicklung scheinbar auf die leichte Schulter.
Konsolidierung verschoben
So hat der Wettbewerb – im Zinsengeschäft treten die Regionalbanken neben konkurrierenden Geldhäusern gegen branchenfremde Akteure an, im Zahlungsbereich gegen Neobanken – aus der Sicht der Umfrageteilnehmer an Brisanz verloren. Weniger dringlich
scheint auch die Entwicklung attraktiver Produkte und Dienstleistungen. Eine schwindende Bedeutung wird schliesslich Fusionen und Übernahmen mit anderen Banken zugemessen. Auch dies ist wenig verwunderlich, sind doch die meisten Institute ausgezeichnet kapitalisiert und strotzen vor Selbstvertrauen; entsprechend ist wenig Druck vorhanden, sich unter die Fittiche einer stärkeren Kraft zu begeben.
Die Konsolidierung unter Regionalbanken stagniert nun schon seit Jahren. Daran wird sich vor diesem Hintergrund so schnell nichts ändern.
Lieber ganzheitliche Menschen als Haifische
Ein sattes Gefühl der Gelassenheit vermitteln auch die Antworten zum Stand der Rekrutierung. Sprechen Schweizer Gross- und Privatbanken seit Jahren von einem «War for talent», geht es am Stellenmarkt abseits der grossen Finanzzentren offenbar friedlich zu und her. Bei den Instituten fühlt man sich zuversichtlich, mit Regionalität, Flexibilität und Familientauglichkeit bei der Anwerbung von Personal zu punkten. Nicht zuletzt setzen die Banken dabei auf das persönliche Netzwerk ihrer Mitarbeitenden. Man arbeitet also unter Freunden.
Tatsächlich: ist den angegeben Wunschprofilen zu trauen, sind Regionalbanken alles andere Haifischbecken. Gesucht sind laut der Umfrage eher ganzheitliche Menschen, also Generalisten mit hoher Flexibilität, Engagement und Empathie.