Weltweit müssen Banker wegen den Sanktionen gegen Russland den Rotstift zücken. Eine Grafik zeigt die Kosten der Massnahmen nun auf einen Blick.
Der russische Einmarsch in der Ukraine zwingt amerikanische und europäische Kreditgeber zum Rückzug aus Russland und Belarus. Teilweise beschäftigen sie dort Tausende von Mitarbeitenden und sind seit Jahrzehnten aktiv. Laut einer Zusammenstellung der britischen Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) betragen die in den vergangenen Wochen gebildeten Rückstellungen in Erwartung von Verlusten aus ihren Geschäften mittlerweile mehr als 10 Milliarden Dollar.
Die internationalen Sanktionen haben die Banken gezwungen, dem Land den Rücken zu kehren, in das einige Kreditgeber vor mehr als einem Jahrhundert erstmals vorgedrungen sind. Nach den Berechnungen der Zeitung betrifft dies ein Russland-Engagement von zusammen 86 Milliarden Dollar und fast 40’000 Mitarbeitenden.
Mitarbeitende beurlaubt
Im vergangenen Monat hatte die Credit Suisse (CS) bekanntgegeben, dass sie im Zusammenhang mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 206 Millionen Franken verloren hat, davon 148 Millionen an Handelsverlusten und 58 Millionen an Kreditverlusten. CEO Thomas Gottstein sagte, dass die meisten der 125 Mitarbeiter der Bank in dem Land derzeit in bezahltem Urlaub seien, da die Bank abwäge, wie stark sie ihre Aktivitäten reduzieren wolle. Rund 4 Prozent der Vermögensverwaltung der Gruppe, also rund 28 Milliarden Franken, sind mit russischen Kunden verbunden.
Die UBS hatte erklärt, sie habe ihr Risiko-Engagement seit Anfang des Jahres um ein Drittel auf 400 Millionen Dollar reduziert, was jedoch Kosten in Höhe von 100 Millionen verursacht habe. Zudem teilte die Bank mit, dass die Vorschriften zur Begrenzung der Einlagenhöhe von russischen Kundinnen und Kunden 0,7 Prozent der Vermögenswerte in der Vermögensverwaltung betreffen.
(Bild: Screenshot «Financial Times»)
Der italienische Kreditgeber Unicredit hat in der vergangenen Woche 1,3 Milliarden Euro zur Deckung möglicher Verluste zurückgestellt. Das vom Ex-UBS-Banker Andrea Orcel geführte Institut warnte davor, dass ihm ein Verlust von 5,3 Milliarden drohen könnte, wenn sein gesamtes Russland-Geschäft zunichte gemacht würde.
Société Générale muss verkaufen
Die Société Générale (Socgen), die vor 150 Jahren erstmals in Russland tätig wurde, hat für das erste Quartal Rückstellungen in Höhe von 561 Millionen Euro gebildet, die hauptsächlich mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängen. Die Bank hat den Verkauf ihrer Tochtergesellschaft Rosbank an eine vom Milliardär Wladimir Potanin gegründete Investment-Gesellschaft angekündigt. Deswegen wird ein Verlust von 3,1 Milliarden Euro erwartet – die Franzosen sind damit bis anhin am schwersten betroffen.
Dies dicht gefolgt von der Lokalkonkurrentin Crédit Agricole, die dieser Tage eine Rückstellung in Höhe von 389 Millionen Euro für ihr Russland-Engagement ankündigte. Noch gar nicht abschätzen lässt sich der mögliche Schaden für die österreichische Raiffeisen International, die über rund 4,2 Millionen Kunden und 9’400 Mitarbeitende in Russland verfüht mit 22,9 Milliarden Euro an Vermögenswerten – das grösste Engagement aller ausländischen Banken. Ihre Rückstellungen für faule Kredite in Höhe von 319 Millionen Euro im ersten Quartal standen hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.
Die Wall-Street-Bank mit dem grösstem Engagement
Von den amerikanischen Kreditgebern ist derweil Citigroup am stärksten in Russland engagiert. Die Wall-Street-Bank und beziffert die möglichen Verluste auf bis zu 3 Milliarden Dollar. Das Geldhaus hat bereits 1 Milliarde Dollar für ihr Russland-Engagement zurückgestellt. Citigroup versucht seit dem vergangenen Jahr, die russische Retailbank zu veräussern und erklärte letzten März, dass sie ihren Rückzug aus Russland auf andere Geschäftsbereiche ausdehnen werde.
J.P. Morgan Chase teilte mit, es habe rund 300 Millionen Dollar für Abschläge auf Kredite im Zusammenhang mit Russland zurückgestellt, obwohl CEO Jamie Dimon die Anleger Anfang April gewarnt hatte, dass die Bank bis zu 1 Milliarde Dollar auf ihr Engagement in dem Land verlieren könnte. Goldman Sachs hatte im März ein Kreditengagement von 260 Millionen Dollar, nach noch 650 Millionen Dollar im Dezember. Im ersten Quartal habe der Verlust in Russland und der Ukraine etwa 300 Millionen Dollar betragen, so die mächtige US-Investmentbank.