Mit diesem neuen Auto fährt Ferrari dem Zollkrieg davon

In Maranello bei Modena, wo Italiens Rennsport-Leidenschaft am hellsten lodert, präsentierte Ferrari sein neuestes Modell: Der neue 296 Speciale wird als emotionalstes Fahrerlebnis in der Geschichte des Unternehmens angekündigt. finews.ch war bei der Präsentation vor Ort.

Eine Fahrt nach Modena und Maranello, zur Wiege von Ferrari, bildet auf vielfältige Weise. Sie vermittelt ein Gefühl für den Rennsport-Enthusiasmus, die Kultur motorisierter «italianità» und die hohe Kunst des Marketings. Wo sonst als in dieser Ecke der Emilia-Romagna – auch  bekannt als «Motor Valley» – liesse sich die emotionale Wucht der automobilen Zukunft besser erfassen?

finews.ch reiste nach Italien, um die jüngste Enthüllung Ferraris mitzuerleben – ein Modell, das so geheim gehalten wurde, dass bis zur Veranstaltung keine offiziellen Details an die Öffentlichkeit drangen, trotz brodelnder Gerüchte in Spezialforen. Ferrari hatte ein Embargo verhängt, so präzise wie ein Formel-1-Getriebe: Handys und Laptops wurden versiegelt, und das genaue Objekt der Veranstaltung blieb bis zuletzt verhüllt.

Magnetische Anziehungskraft

Die Anziehungskraft der Marke Ferrari war unmittelbar spürbar: Über 40 Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt hatten sich in Modena eingefunden. Selbst die Ankündigung von 25 Prozent Strafzöllen auf importierte Autos durch den damaligen US-Präsidenten Donald Trump, die Ferraris fast unantastbare Aktie kurzzeitig ins Wanken brachte, vermochte die Energie der Zusammenkunft nicht zu dämpfen.


V6 mit Bi-Turbo und elektrischem Schub: Neuer Ferrari Speciale in Nürburgring-Grün. (Bild: Ferrari, zVg)

Mittlerweile hat sich die Ferrari-Aktie längst wieder auf das Niveau vor der Zollkrise erholt – ein Zeugnis für die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens.

Leichter, schärfer, kompromissloser

Bevor wir uns den betriebswirtschaftlichen Realitäten, inklusive Handelskrieg, zuwenden, gebührt dem eigentlichen Meisterwerk die erste Aufmerksamkeit: dem 296 Speciale. Aufbauend auf dem 296 GTB reiht sich diese «Speciale»-Version in die stolze Tradition von Challenge Stradale, 430 Scuderia, 458 Speciale und 488 Pista ein.

Ferraris Ingenieuren wurde ein ebenso einfaches wie kühnes Ziel gesetzt: das aufregendste Fahrerlebnis in der Geschichte des Hauses zu ertüfteln. Das Ergebnis ist ein technisches Meisterwerk: 880 PS Gesamtleistung, 60 Kilogramm weniger Gewicht und 20 Prozent mehr aerodynamischer Abtrieb gegenüber dem Standardmodell 296 GTB.

Technische Meisterleistungen

Die Unterschiede gegenüber dem Basismodell gehen weit über reine Zahlen hinaus. Grossflächiger Einsatz von Carbon bei den Karosserieteilen sowie die Substitution von Stahl durch leichteres Titan in den Innereien tragen wesentlich zur Gewichtsreduktion bei. Eine neue «Extra Boost»-Funktion erhöht die Leistung des Elektromotors im Qualifying-Modus um 180 PS – was zu Beschleunigungsstössen führt, die an Formel-1-Überholmanöver erinnern.


Innenraum des 296 Speciale. (Bild: Ferrari, zVg)

Auch die Aerodynamik wurde radikal weiterentwickelt: Neu gestaltete Lufteinzüge an der Front, modellierte seitliche Flügel sowie ein aktiver Heckspoiler mit erweiterten Optionen sorgen für maximale Anpresskraft und mitunter Fahrstabilität – selbst bei extremen Geschwindigkeiten.

Von Anmut zu Aggression

Optisch bleibt der 296 Speciale von der eleganten Zurückhaltung des 296 GTB inspiriert, zeigt aber selbstbewusstere Akzente. Breitere Lufteinlässe, ein aggressiv gezeichneter Heckbereich und neu gestaltete Felgen mit sternförmiger Architektur unterstreichen die Nähe zu Ferraris Rennsportwagen.

Auch im Interieur dominiert Racing-Feeling: Monocoque-Türverkleidungen aus Carbon, ultraleichte Sitze und ein neu gestaltetes Lenkrad manifestieren die kompromisslose Fahrfokussierung des Modells.

Hochamt in Maranello

Ein neues Modell in Maranello vorzustellen, gleicht einem Hochamt in der katholischen Kirche. Die Atmosphäre war von ehrfürchtiger Konzentration geprägt, als die Ferrari-Vertreter und erfahrene Reporter jedes Detail diskutierten – von den neu gestalteten Lufteinlässen an der Front bis zu den speziell entwickelten Michelin Pilot Sport Cup 2-Reifen.

Gianmaria Fulgenzi, Leiter Produktentwicklung bei Ferrari, schilderte seine Testfahrten mit dem 296 Speciale in Balocco begeistert: «Dieses Auto zu fahren ist einfach fantastisch – ein unglaubliches Erlebnis!»

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Ferrari-Marketingchef Enrico Galliera. (Bild: Ferrari, zVg)

Elektrifizierung à la Ferrari

Ferrari zeigte sich auch in Bezug auf seine Hybridstrategie auskunftsfreudig. Enrico Galliera, Senior Vice President Commercial & Marketing Management, beschrieb den Antrieb des Speciale als perfekte Synthese von Tradition und Innovation: Der Elektromotor liefere zusätzliche Drehmomente, verbesserte die Ansprechbarkeit und steigere die Emotion – ohne den charakteristischen Charakter des V6-Motors zu verwässern. «Aus dem Rennsport haben wir gelernt: Die beste Leistung erzielen wir mit einem V6 kombiniert mit einem Elektromotor», so Galliera.

Elektrifizierung sei bei Ferrari keine ideologische Entscheidung, sondern ein technisches Mittel, um das Fahrvergnügen weiter zu steigern. Der elektrische Zusatzschub werde nahtlos in das Gesamtpaket integriert.

Rein elektrisch in Sichtweite

Ferner bestätigte Ferrari, dass das erste rein elektrische Modell auf Kurs sei. Es werde die zentralen Markenwerte bewahren: «Fahremotion» – bestehend aus Beschleunigungsgefühl, Bremsverhalten, Schaltvorgängen, Lenkpräzision und Klang – sollen unabhängig von der Antriebsart erhalten bleiben.

Gleichzeitig machten die Verantwortlichen klar: Sollte der Klangfaktor reduziert werden, müsse die neue Fahrfreude auf einer anderen sensorischen Ebene kompensiert werden.

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Rückansicht der Spider-Variante. (Bild: Ferrari, zVg)

Exklusivität als Strategie

Die Präsentation bot auch seltene Einblicke in Ferraris Vermarktungsstrategie. Gemäss Galliera sei der 296 Speciale «nicht mengenmässig limitiert, sondern zeitlich begrenzt» – ausschliesslich erhältlich für «aktive Kunden» und mit einer kürzeren Lebensdauer als ein Standardmodell.

Als aktive Kunden gelten bei Ferrari Käufer eines neuen oder gebrauchten Ferraris innerhalb der letzten fünf Jahre. Die Auswahl erfolgt dezentral durch lokale Händler – im Unterschied zu den strikt limitierten Modellen, bei denen die Zuteilung zentral in Maranello unter Berücksichtigung der Markenaktivität des Kunden erfolgt.

Im Gegenwind der Handelskonflikte

Die drohenden 25-Prozent-Strafzölle in den USA warfen einen Schatten auf das Ereignis, doch Ferrari zeigte sich unbeeindruckt. Bereits bestellte Fahrzeuge würden ohne Mehrkosten an US-Kunden ausgeliefert, hiess es. Für künftige Bestellungen würden die Preise um maximal zehn Prozent steigen – Ferrari würde damit einen erheblichen Teil der neuen Zoll-Abgaben selbst tragen.

Zum Zeitpunkt dieser Publikation verdichten sich zudem die Anzeichen, dass die Auto-Zölle ausgesetzt werden könnten – ein Szenario, das Ferrari gestärkt aus dem politischen Sturm hervorgehen liesse.


Der neue Ferrari 296 Speciale ist in zwei Versionen erhältlich: als geschlossene «Berlinetta» und als offene Variante «296 Speciale A» (Spider). Beide verfügen über einen Hybridantrieb, bestehend aus einem 120°-V6-Biturbo-Mittelmotor und einem Elektromotor, der eine Systemleistung von 880 PS (648 kW) und 755 Nm Drehmoment erzeugt. Das Trockengewicht beträgt 1'370 Kilogramm für die Berlinetta und 1'490 Kilogramm für den Spider. Der Spider verfügt über ein versenkbares Hardtop (RHT) und eine angepasste Aerodynamik für das offene Fahren. Beide Modelle sind ausschliesslich aktiven Ferrari-Kunden vorbehalten.