Die Privatbank Julius Bär ist derzeit der Darling der Analysten. Das hat nicht zuletzt mit vier Megatrends zu tun, die das Swiss Private Banking künftig bestimmen könnten.
Lösungen nach Mass, nachhaltige Finanz, Krypto- und Privatmarkt-Investments: Diese vier Bereiche haben Analysten der amerikanischen Grossbank Morgan Stanley jüngst zu Megatrends in der Vermögensverwaltung erhoben. Jene Trends, prophezeien die Experten in einer Studie, werden weltweit das Private Banking bestimmen.
Die US-Marktbeobachter nennen auch gleich ein Vorzeige-Institut, das dabei punktet – es ist das Zürcher Traditionshaus Julius Bär, das selbsternannte «Pure Play» im Geschäft mit den Reichen dieser Welt.
Everybody’s Darling
Die Morgan-Stanley-Experten sind Fans. Sie empfehlen die Bär-Aktie nicht nur zum Kauf, sondern setzen das Kursziel bei 75 Franken an – so hoch wie keiner der 20 anderen Analysten, welche dem Titel folgen. Aktuell handeln die Papiere der Privatbank zu 61 Franken, gut 17 Prozent mehr als Anfang 2021. Zum Verkauf empfiehlt unter den Beobachtern die Aktie niemand. Was den Schluss zulässt, dass Julius Bär derzeit «Everybody’s Darling» an der Börse ist.
Dies, nachdem die Privatbank letztes Jahr massiv vom Handelsboom profitierte und nun auf dem besten Weg zu einem starken Halbjahres-Resultat ist, wie eine Meldung vom letzten Mai zeigte. Die Marge steigt. Die Kosten sinken. Die Eigenkapital-Polster legen zu. Das lässt die Investoren (beinahe) vergessen, dass die Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) den «Bären» nach Verfehlungen in der Geldwäscherei-Abwehr erst seit letztem März wieder gestattet, grössere Übernahmen zu tätigen.
Beispielhaft für die Branche
Im vergangenen Mai erhielt die Bank zudem eine hohe Strafe in den USA aufgebrummt, weil sie Beweisstücke im Komplex um den Weltfussballverband Fifa zurückgehalten habe.
Dennoch ist es aufschlussreich, die Aufstellung der Zürcher Privatbank vor der Hypothese der Wealth-Megatrends zu betrachten. Dies umso mehr, als Julius Bär beispielhaft für Schweizer Mitbewerber wie Pictet, Lombard Odier oder die börsenkotierten EFG stehen kann: Wird es dem Swiss Private Banking künftig gelingen, die vier Trends für sich spielen zu lassen?
1. Mandate: Die Hälfte ist geschafft
Punkto «Customization» bietet Julius Bär seit vergangenem März ein Video-Onboarding zur Kontoeröffnung – endlich, liesse sich sagen, ist doch das Prozedere seit 2016 von der Finma zugelassen. Die Online-Kontoeröffnung bietet nun die Basis für weitere Fintech-Dienste, welche die Bären ausrollen. Seit 2017 gibt es bereits einen internen Robo-Advisor. Insgesamt bestehen zumindest Voraussetzungen, die beschleunigte Verlagerung auf den digitalen Kanal bewältigen zu können.
Bereits gut unterwegs ist Julius Bär beim Verkauf von diskretionären Mandaten, bei denen die Kundschaft die Vermögensverwaltung an die Bank delegiert. Mehr als 56 Prozent der Kundenvermögen sind schon in solchen Lösungen parkiert, die mit ihren steten Gebühren helfen, die Einkünfte der Bank berechenbar zu machen. Zum Vergleich: bei der UBS, der grössten Privatbank der Welt, beträgt die Mandate-Durchdringung gerade mal 30 Prozent.
2. Nachhaltigkeit: 30 Prozent Wachstum jedes Jahr
Nachhaltigkeit ist an den Finanzmärkten Trumpf – Schätzungen zufolge wanderte letztes Jahr am europäischen Fondsmarkt rund die Hälfte des Neugelds in mit ESG-Etikett beworbenen Produkte. Die Morgan-Stanley-Analysten gehen bis 2025 von einem jährlichen Wachstum der nachhaltig verwalteten Vermögen um bis zu 30 Prozent aus. Eine enorme Chance für jene Institute, die sich glaubwürdig in diesem Markt zu positionieren wissen.
Derzeit sind 13 Prozent der Kundengelder bei Julius Bär in ESG-Produkten angelegt; Konkurrenten wie die Genfer Lombard Odier sind da weiter. Zwischen März 2020 und März 2021 sind dort über 60 Prozent aller Kundengelder in ESG-Fonds geflossen, wie finews.ch unlängst berichtete.
3. Krypto: Den Fuss in der Tür
Früh eingeklinkt haben sich die Zürcher im Boom um digitale Token und Coins. Noch bevor Seba im Jahr 2019 die Lizenz als erste Schweizer Kryptobank erhielt, hatte sich Julius Bär am Fintech beteiligt. Letztes Jahr öffnete das Institut dann den in der Schweiz gebuchten Kunden den Zugang zur gesamten Seba-Palette. Ein cleverer Schachzug: Die Bank steht im ebenso lukrativen wie volatilen Geschäft nicht selber im Risiko.
Mit der Seba-Beteiligung haben die Bären ausserdem einen Fuss in der Tür, wenn es zu einem Run auf Schweizer Krypto-Startups kommt. Dieser Tage ging das Fintech Crypto Finance für einen dreistelligen Millionenbetrag an die Deutsche Börse.
4. Private Equity: Trickreicher Alleingang
Nachholbedarf orten die Morgan-Stanley-Analysten bei Julius Bär bezüglich Privatmarkt-Investments. Auch auf diese findet ein Run sondergleichen statt: Neuesten Berechnungen zufolge haben Finanzinvestoren seit Jahresbeginn mehr als 500 Milliarden Dollar mit Private-Equity-Deals bewegt. Das ist der höchste je gemessene Halbjahreswert.
Für mittelgrosse Privatbanken gestaltet sich die Teilnahme am Megatrend trickreich. Industrielles Knowhow ist absolut zwingend, um im heissgelaufenen Markt die richtigen Investments zu finden. Dazu braucht es Spezialisten, die noch am ehesten Grossbanken wie die UBS und die Credit Suisse in ihren Investmentbank-Divisionen aufbieten können. Für Privatbanken kommen hingegen eher Partnerschaften infrage. Den Verdienst am Trend müssen sie sich dann allerdings teilen.