Die Finma schreitet mit neuen strategischen Zielen in die Zukunft. Zusätzlich zu Stabilität und Kundenschutz gewinnen Innovation und Nachhaltigkeit an Bedeutung, schreibt Martin Hess von der Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Ende letzten Jahres hat die eidgenössische Finanzmarktaufsicht, Finma, ihre strategischen Ziele für die Jahre 2021 bis 2024 veröffentlicht.
Die Finma hat zehn strategische Ziele definiert, acht davon zielen auf den Kundenschutz und das reibungslose Funktionieren der Märkte. Die Ziele schaffen Transparenz darüber, wie die Finma ihr gesetzliches Mandat erfüllen will und welche Schwerpunkte sie dabei setzt. Sie beeinflusst damit auch, in welche Richtung sich der Finanzplatz als Ganzes entwickeln wird.
Finanzplatz Schweiz: Nachhaltig und innovativ
Erstmals beschäftigt sich die Aufsicht in ihrer Tätigkeit mit Klimarisiken. Sie begründet dies damit, dass diese Nachhaltigkeitsdimension am bedeutendsten wie auch am messbarsten sei. Durch eine einheitliche Offenlegung aller Finanzinstitute soll mehr Transparenz zu klimabedingten Transitionsrisiken und physischen Risiken erreicht werden.
Die Unterstützung von Innovation auf dem Schweizer Finanzplatz ist ein weiteres bemerkenswertes Ziel. Wo die Finma vormals nur Hürden abbauen wollte, will sie nun fortan Innovation vorausschauend unterstützen, indem sie die neuesten technologischen Entwicklungen am Finanzmarkt proaktiv begleitet. So entwickelt sie eine Aufsichtspraxis zur Anwendung von künstlicher Intelligenz. Dies steht im Einklang mit dem zukunftsorientierten Kurs, den der Bundesrat seit Jahren verfolgt.
Neue Risiken durch Big Tech
Den Knackpunkt im Zusammenhang mit Innovation bildet die Frage der zukunftsgerichteten Aufsicht im digitalen Bereich. Denn seit einigen Jahren spielen innovative Tech-Firmen eine immer grössere Rolle im Finanzsystem und verändern dabei den Sektor durch ihre Neuerungen fundamental. Im Status quo tragen Regulierung und Aufsicht den diesbezüglichen Risikoentwicklungen nur ungenügend Rechnung. Deshalb beschäftigen sich Aufsichtsbehörden weltweit mit dieser Thematik und überdenken die bestehenden Regulierungsgrundsätze.
Erst kürzlich hat die EU einen Plan veröffentlicht, der für Verstösse von Tech-Firmen bis zu 10 Prozent des Umsatzes als Busse oder die Abspaltung gewisser Geschäftszweige vorsieht. Dass die Finma diese dringende Herausforderung anerkennt und eine offene Haltung beweist, ist begrüssenswert. Doch wie sollte eine «einheitliche, transparente und effiziente» Regulierungs- und Aufsichtspraxis bei digitalen Geschäftsmodellen aussehen?
Same risk, same rules
Bei näherer Betrachtung führt die institutsbezogene Regulierung dazu, dass einzelne Bankdienstleistungen wie Einlagen bei Tech-Firmen im innovativen Kostüm (e-Wallets) durch die Maschen der aktuellen Aufsicht fallen. Dies kann zu Risiken für Kundinnen und Kunden und im Extremfall für die Stabilität des ganzen Systems führen.
Die Geschäftsmodelle von Tech-Firmen haben oft die Aufsplittung einzelner Finanzdienstleistungen auf verschiedene Marktteilnehmer zur Folge. Eine solche Disintermediation wirft knifflige Fragen auf: Wenn nicht ein einzelnes Institut den gesamten Kreditvergabeprozess abwickelt, sondern fünf einzelne Unternehmen – wie wird das sinnvoll reguliert? Sehr rasch behilft man sich mit dem Schlagwort «same risk, same rules» und denkt dabei an die Maxime der Wettbewerbs- und Technologieneutralität.
Modulare Lizenzen?
Die Vorstellungen, wie dies konkret erreicht werden kann, sind aber noch diffus. Die Entwicklungen dürften in Richtung risikobasierte Regeln für Produkte und Dienstleistungen gehen. Gleich lange Spiesse zwischen Banken und Nicht-Banken in einem Markt implizieren nämlich, dass Regeln bis zu einem gewissen Grad unabhängig vom Anbieter sind.
Auch der Bundesrat will eine Überprüfung des aktuellen Regulierungsrahmens im Finanzbereich. Konkret strebt er eine Prüfung der Möglichkeit modularer Lizenzen an. In seinem Bericht zum Schweizer Finanzplatz von Dezember 2020 kündigt er an, dass das EFD mit Einbezug der Finma prüfen wird, ob durch eine modularere Gestaltung von Bewilligungstypen die Zusammenarbeit zwischen den heute nicht regulierten und den regulierten Akteuren verbessert werden kann.
«Innovation is king»
Die Forderung nach Sicherheit und gleich langen Spiessen klingt simpel. Die genaue Umsetzung einer solchen Regulierung dürfte hingegen komplex sein und schwierige Fragen aufwerfen. Dass sich die Finma proaktiv mit dieser Thematik beschäftigt, ist unerlässlich, und die Entwicklung schreitet rasant voran.
Ziel muss sein, dass der Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten und derjenige des ganzen Systems gesichert wird, gleichzeitig aber auch der Nutzen von Innovationen voll ausgeschöpft werden kann. Dies ist eine grosse Aufgabe für die Finma, aber auch eine wichtige. Denn Innovationen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit und das Zukunftspotential des stabilen Schweizer Finanzplatzes.