Neobanken wie Revolut gewinnen bei Schweizer Kunden immer mehr Terrain. Im Oktober kommt voraussichtlich der Konter der Grossbank Credit Suisse.
Spruchreif ist es erst Mitte September, wenn die Credit Suisse (CS) ihre Digitalstrategie fürs «breite Geschäft» mit Schweizer Retailkunden und KMU im Detail präsentiert. Am (heutigen) Dienstag hob Schweiz-Chef André Helfenstein vor Medienvertretern aber kurz den Vorhang.
Demnach wird die neue Einheit Digital Banking als erstes ein Angebot im Bereich Karten und Konten lancieren. «So, wie wir es eher von Fintechs her kennen», kündete Helfenstein an.
Jeder zehnte Bankkunde geht fremd
Aller Voraussicht nach knöpft sich die Nummer zwei des Schweizer Bank-Establishments damit die Neobanken vor. Dazu zählen die hiesigen Anbieter Zak, Neon und Yapeal sowie die ausländischen «Challenger» N26, Transferwise und Revolut. Letzteres Unternehmen, das als wertvollstes Fintech Europas gilt, hat hierzulande nach eigenen Angaben bereits über 350’000 Kunden gewonnen.
Einer neuen repräsentativen Marktstudie zufolge hat inzwischen jeder zehnte Schweizer Bankkunde schon auf die Dienste von Revolut & Co zurückgegriffen.
Verteidigung der Schnittstelle
Die Neobanken punkten derzeit vor allem mit günstigen Angeboten im Bereich Konten und Karten – also genau dort, wo die CS Schweiz unter Helfenstein als erstes kontern will. Der Vorstoss der Fintechs ist für die etablierten Banken deshalb brandgefährlich, weil er auf die Kundenschnittstelle zielt. Geht diese verloren, werden die Banken zum blossen Zudiener von Finanzdienstleistungen degradiert.
Vergangenen Juni hatte die CS in einem ersten Anlauf eine Debit-Mastercard lanciert, die gebührenfreies Zahlen im Ausland ermöglicht.
Bei den Jungen punkten
Mit dem neuen Digital Banking schneidet sich die CS nun ein weiteres Stück vom Vorgehen der Fintechs ab. Anstatt bestehende Produkte zu digitalisieren, wie es im Banking üblich ist, baut sie die neuen Angebote auf der grünen Wiese auf. Laut Helfenstein ermöglicht dies, Produkte viel schneller zu verbessern und auf Veränderungen zu reagieren.
Gleichzeitig sieht sich die Grossbank im breiten Retailgeschäft in der Angreiferrolle. Die CS, die dort nur als Nummer drei unterwegs ist, möchte Marktanteile gewinnen. Dies gerade bei einer jüngeren Kundschaft, «wo wir historisch nicht so stark aufgestellt sind», wie Helfenstein am Dienstag einräumte. Das soll sich ändern – auch mittels verstärkter Marketing-Bemühungen, wie der Schweiz-Chef ebenfalls in Aussicht stellte.
Handicap – oder doch Vorteil?
Mit der Digitalisierung will das Institut zudem ein altes Handicap in einen Vorteil verwandeln: Die CS betreibt ein deutlich kleineres Filialnetz als etwa die Erzrivalin UBS oder gar die Raiffeisenbanken. Weil die Kundschaft aber immer weniger den Schalter aufsucht und stattdessen digitale Kanäle aufsucht, werden die physischen Standorte zunehmen obsolet – und zur Belastung für die Banken. Das kleinere Netz von aktuell 146 und künftig 109 CS-Aussenstellen drückt da weniger schwer.
Ganz zum Fintech-Schnellboot wird die «Direktbank» allerdings nicht. Wie ebenfalls am Dienstag bekannt wurde, wird die von Informatiker Mario Crameri aufgebaute Einheit mit «Digitalization & Products» unter Anke Bridge Haux zum neuen Digital Banking fusioniert. Dieses wird nicht etwa von Crameri, sondern von Bridge Haux kommandiert. Die digitalen Bestrebungen bleiben also ganz nahe beim Konzern und bei der Marke Credit Suisse.
Bewährte Schnellboote
Die Bank Cler ist mit der Banking-App Zak einen anderen Weg gegangen, die Postfinance mit der erfolgreichen Bezahl-Applikation Twint ebenfalls. Letztere zählt in der Schweiz nach eigenen Angaben über 2 Millionen Nutzer – mehr als die CS Schweiz Kunden hat.
Die Schnellboot-Strategie hat demnach auch in der Schweiz einiges für sich, während Fintech-Initiativen in schwerfälligen Konzernstrukturen oftmals versanden. Das neue Digital Banking der CS wird sich auch in diesem Punkt zu beweisen haben.