Die Krise rund um das grassierende Coronavirus hat nicht nur den Schweizer Finanzplatz und die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Nun tangiert sie auch, wann Angestellte gerade nicht arbeiten sollen.
Homeoffice, Videokonferenzen, Kundenbesuche per Telefon – vieles von dem, was vor ein paar Monaten noch höchst ungern gesehen wurde, ist inzwischen notgedrungen gang und gäbe. Das Coronavirus hat die Arbeits- und die Finanzwelt komplett überrollt und vor allem bestehende Prozesse, die seit Urzeiten mehr oder minder funktioniert haben, über den Haufen geworfen oder zumindest verändert.
Nun zeigt sich, dass das nicht nur für die Arbeitswelt gilt, sondern dass viele Angestellte in der Schweiz sich zumindest mal dieses Jahr auch in ihren Ferien mit dem Coronavirus beschäftigen werden.
Nicht zu viele Ferien aufschieben
So hat zum Beispiel die Grossbank Credit Suisse ihre Angestellten dazu aufgefordert, die Hälfte ihrer Ferientage bis 2020 noch vor Ende August zu beziehen, wie das Finanzportal «efinancialcareers» vergangene Woche berichtete.
Gegenüber finews.ch bestätigte ein Sprecher der Bank: «Wir haben unsere Mitarbeitenden gebeten, mindestens die Hälfte des jährlichen Ferienguthabens dieses Jahr bis Ende August zu nutzen.» Einerseits sei es in diesen Zeiten wichtiger denn je, sich wiederholt Auszeiten zu nehmen, um Energie zu tanken. Doch die Order hat natürlich noch einen zweiten Grund: «Wir wollen damit auch sicherstellen, dass nicht zu viele Ferien auf Ende Jahr aufgeschoben werden, die dann möglicherweise nicht gleichzeitig bezogen werden können.»
Bei der grösseren Konkurrentin, der UBS, sieht die Sache ganz ähnlich aus, wie eine Sprecherin gegenüber finews.ch bestätigte, gebe es dort dieselbe Regelung: «Vorgesetzte und Mitarbeitende/Teams sprechen die Urlaubsplanung miteinander ab – dabei werden wenn möglich die Wünsche der Mitarbeitenden berücksichtigt, soweit sie mit den geschäftlichen Anforderungen des Betriebs vereinbart werden können.»
Ferienplanung gleich fürs ganze Jahr
Auch ausserhalb der Bankenbranche hat die Coronakrise gerade eben jene Urlaubsplanung über den Haufen geworfen. So sagte ein Sprecher des grössten Schweizer Versicherers Zurich: «Wir ermutigen unsere Mitarbeitenden, in Absprache mit den Vorgesetzten und dem Team ihre Ferienplanung für das gesamte Jahr vorzunehmen, um so gleichzeitig eine optimale Erholung jedes einzelnen und Business Kontinuität sicherzustellen.»
Das Beratungsunternehmen Deloitte sagte auf Anfrage, man beobachte die Situation rund um das Coronavirus seit Anfang Jahr genau, wobei sich der Fokus auf den Schutz der Mitarbeitenden, die Unterstützung der Kunden sowie die Erhaltung der unternehmerischen Widerstandsfähigkeit richte: «Wie jede Organisation in der gegenwärtigen Situation überprüft Deloitte laufend potentielle Massnahmen – dazu gehört auch das Kompensieren von Überstunden sowie das geregelte Beziehen von Ferientagen.»
Und auch ausserhalb der Branche: Deloitte hat Mitte April repräsentative Umfrage bei 1'500 in der Schweiz lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter durchgeführt, wie das Coronavirus deren Alltag beeinflusst. Dabei hat sich gezeigt: «Etwa ein Drittel der Angestellten in der Schweiz musste ihr Pensum reduzieren; ebenso viele bauen Ferientage oder Überstunden ab.»
Personal und Bilanz entlasten
Nun Ferientage und Überstunden abzubauen macht natürlich Sinn, besonders dann, wenn nicht viel Arbeit vorhanden ist. Das hat nämlich nebenbei noch den für den Arbeitgeber angenehmen Effekt, dass es die Bilanz entlastet.
Werden Ferientage nämlich bis Ende Jahr nicht bezogen, wie nicht kompensierte Überstunden auch, muss das Unternehmen dafür Reserven zum individuellen Lohnansatz anlegen, da der Ferientag eine Verbindlichkeit gegenüber dem Angestellten darstellt, die irgendwann im nächsten Jahr fällig werden könnte. Je nach Grösse des Unternehmens und der gesamten Menge an Ferientagen können da schon fast astronomische Summen zusammenkommen.
Bund geht in die Gegenrichtung
Kontraintuitiv wenn nicht sogar sinnfrei mutet da die «Tamedia»-Meldung an, dass Bundesangestellte ihre bereits geplanten Ferien verschieben können, da sie nun wegen dem Coronavirus nicht in die Ferien reisen dürfen. Das Eidgenössische Personalamt hat beschlossen, dass der primäre Zweck der Ferien – nämlich sich zu erholen – in diesen Tagen und Wochen nicht gegeben sei, weil Ferienreisen im In- und Ausland praktisch nicht mehr möglich seien. Natürlich auch nur in Absprache mit den Vorgesetzten und im Rahmen der betrieblichen Vernunft, aber immerhin.
Dafür befürchten beim Bund nun diverse Vorgesetzte, im Herbst und Winter zu wenig Personal im Büro zu haben, damit die Funktion der Abteilung nach wie vor aufrechterhalten werden kann. Die Meldung des Personalamts habe wie eine Aufforderung gewirkt, die Ferien zu verschieben, weswegen nun sehr viele solcher Anfragen kämen.