Jürg Zeltners plötzlicher Tod bedeutet für die Privatbankengruppe Quintet eine unsichere Zukunft in einer Zeit, die für Wealth Manager ohnehin grosse Herausforderungen bereit hält.
Seinen zweiten grossen Karriereschritt in den letzten 30 Berufsjahren verglich Jürg Zeltner mit einem Bubentraum: Unternehmerisch und mit persönlichem Risiko in der Branche tätig zu werden, die er kannte wie seine Hosentasche: Private Banking.
Die im Emirat Katar herrschende al-Thani-Familie, die Zeltner bei der UBS zu seinen Kunden zählen durfte, gab ihm diese Chance. Zeltner und einige enge Weggefährten wie Jakob Stott schossen im vergangenen Jahr Geld in ein Investitionsvehikel für die KBL Privatbankengruppe – seit Anfang Jahr heisst diese Quintet – ein.
Krisenerprobt bei der UBS
Die Luxemburger Bank hatten die al-Thanis im Jahr 2011 für rund 1,05 Milliarden Euro gekauft. Nun sollten Zeltner und eine Reihe dekorierter Bankenmanager die Gruppe zu einem global ernst zu nehmenden Wealth Manager aufbauen. Das Investitionsvehikel war so aufgesetzt, dass die Profite mit der al-Thani-Familie geteilt würden.
Zeltner war erst 41 Jahre alt, als er im Jahr 2009 als Chef für das Wealth Management in die Konzernleitung der UBS berufen wurde. Die Grossbank steckte damals in der schwersten Krise ihrer Geschichte und verlor Quartal für Quartal hohe Summen an Kundengeldern. Zeltner gelang nicht nur der Turnaround, sondern auch Wiederaufbau des Geschäftes zum grössten Wealth Manager der Welt.
Eine ganze Reihe von Stars
Zur KBL-Gruppe stiess mit Zeltner nicht nur einer der Stars der Vermögensverwaltungsszene. Er selber holte weitere Stars an Bord, sicherte sich mehrere hundert Millionen Dollar der al-Thanis für Investitionen und machte sich ans Werk.
Am Montag liess die katarische Herrscherfamilie die Öffentlichkeit wissen, sie werde die von Zeltner ausgearbeitete Strategie für die Privatbankengruppe weiterhin unterstützen. Diese Strategie steht mitten in ihrer Umsetzung: Es war Zeltners Initiative, die Bank am Bellevue zu übernehmen, um ein Standbein in der Schweiz, dem wichtigsten Offshore-Markt, zu erhalten.
Und es war Zeltners «Anziehungskraft», die Dutzende von dekorierten Managern und Bankern – viele davon ehemalige Kolleginnen und Kollegen von der UBS – veranlasste, zu dem ehrgeizigen Projekt hinzuzustossen.
Mitten in der Expansion
Sein Tod fällt mitten in die Expansionsphase von Quintet: Das grüne Licht der Regulatoren für die Bellevue-Übernahme wird noch diesen Monat erwartet. Ausserdem ist ein Ausbau in Skandinavien vorgesehen.
Ein Sprecher von Quintet, welche Vermögensverwalter in Grossbritannien, Belgien, Luxemburg, Spanien, den Niederlanden und Deutschland besitzt, sagte die Firma verfüge über gute Kapital- und Liquiditätsposter. «Die Aktionäre des Unternehmens haben im vergangenen Halbjahr bedeutende Kapitalinjektionen vorgenommen, um unsere Wachstumsambitionen zu unterstützen,» sagte er.
Zahlreiche neue Kundenberater stehen kurz vor dem Eintritt bei Quintet, was bedeutet, dass der Bank auch neue Kundengelder zufliessen werden. Gleichzeitig verfolgte Zeltner den Plan, die dezentrale Struktur der Bankengruppe in Europa neu zu organisieren: Mit Hauptstandbeinen in Luxemburg, Grossbritannien und in der Schweiz.
Nun liegt es an Stott, der die Quintet-Geschäfte vorläufig leiten wird, und anderen Top-Managern wie COO Colin Price und Schweiz-Chefin Dagmar Kamber-Borens, die Pläne auszuführen.
Das Umfeld hat sich verschlechtert
Doch mit der Corona-Krise hat sich das Umfeld im Wealth Management nochmals deutlich verschlechtert. Die Kunden sind verunsichert und aus den Anlagemärkten geflüchtet, andere verloren aufgrund von Margin Calls erhebliche Vermögen.
Zeltner waren solch widrige Marktbedingungen nicht unbekannt. Nach seiner Beförderung zum Wealth-Management-Chef der UBS ging er durch ein Stahlbad, um die Geldabflüsse zu stoppen.
Als «ultima ratio» sei er gar gezwungen gewesen, die Gebühren für Kunden massiv zu senken, damit diese der UBS die Treue halten würden, erzählte er im Jahr 2014 dem Magazin «Euromoney».
250 Milliarden Franken Kundenvermögen verloren
Zeltner kämpfte nach seinem Aufstieg an die Spitze des Wealth Managements drei Jahre lang gegen die Geldabflüsse, bis die Trendwende gelungen war. Die UBS hatte über 250 Milliarden Franken an Kundenvermögen verloren – eine Summe, die einer mittelgrossen Privatbank gut anstehen würde. Zum Vergleich: Quintet verwaltet derzeit rund 80 Milliarden Franken.
Die drei harten Jahre formten aus Zeltner den Manager, der er bis zu seinem Ausscheiden aus der UBS Ende 2017 sein sollte: Ein Leader, der auch vor internen Konflikten nicht zurückschreckte und sich über die Jahre hinweg unter seinen zuletzt rund 15'000 Mitarbeitern eine hohe Loyalität sicherte.
Quintet steht nun vor ähnlichen Herausforderungen wie seinerzeit die UBS. Das Unternehmen muss diese nun ohne ihren Anführer lösen. Jürg Zeltner starb am (gestrigen) Sonntag im Alter von 52 Jahren. Er hinterlässt eine Ehefrau und zwei Kinder.