John Thain wurde gefeuert: Wieder stürzte ein Banker über die Krise – und wieder wurde der Abgang begleitet von moralischen Vorwürfen.
Das jüngste Opfer der Rauswurf-Welle unter den amerikanischen CEOs heisst John Thain. Laut diversen Berichten aus Amerika wurden ihm diverse Stil- und Masslosigkeiten zum Verhängnis: Der Merrill-Lynch-Chef hatte sich offenbar Investmentbanking-Allüren bewahrt, welche bei der eher bodenständigen Bank of America schlecht ankamen.
Jetzt, nur rund drei Wochen nach der formellen Übernahme von Merrill Lynch durchdas Institut aus North Carolina, konnte Thain sein Pult räumen. Und dieses Pult stammte offenbar aus dem 19. Jahrhundert, es war aus Mahagoni und stand in einem Büro, das Thain letztes Jahr für 1.2 Millionen Dollar umbauen liess – von Michael Smith, demselben Innenarchitekten, der momentan für Barack und Michelle Obama das Weisse Haus umdekoriert. Über Thains Umbau berichten unter anderem Bloomberg und das «Wall Street Journal».
Skifahren in Vail ...
Der innenarchitektonische Ehrgeiz von John Thain konfligierte offen mit dem eher bodenständigen Stil der Bank of America. Nachdem Thain noch vor kurzem als Leiter Global Banking, Securities and Wealth Management der Fusionsbank vorgesehen war, wurden die Angestellten jetzt von seinem plötzlichen Abgang verblüfft.
Das Hauptproblem, so die «Washington Post», bestand freilich in einem ganz sachlichen Problem: Die Viertquartals-Verluste von Merrill Lynch hatten BofA-Chef Ken Lewis nochmals enttäuscht – ein massiver Kurseinbruch der grössten US-Bank war die bekannte Folge in den letzten Tagen. Vollends untragbar wurde die Situation offenbar, weil Thain lieber nach Colorado zum Skifahren ging, als bei der Ankündigung der roten Zahlen hinzustehen.
... und dann sogar in Davos?
Dies erfuhr das «Wall Street Journal». Es fällt auf, wie offen jetzt plötzlich Informationen über Thains Stillosigkeiten herausfliessen: Wie in anderen Fällen, so wird auch hier ein Banker, der über die Finanzkrise stürzt, mit moralischen Vorwürfen verabschiedet.
So soll John Thain zum letzten Tag von Merrill Lynch in der Unabhängigkeit für seinen eigenen Bonus gekämpft haben. Und für nächste Woche plante er eine Reise ans WEF nach Davos – eine Exkursion, die «Redneck» Ken Lewis angesichts der aktuellen Probleme seiner Bank dann doch als unangemessen erachtete.