Zur Generalversammlungs-Saison wiederholt sich alljährlich das Ritual der Bonus-Flagellation. Die Bewirtschafter der öffentlichen Aufregung denken nicht weit, findet finews.ch-Redaktor Jeffrey Vögeli.
In den Publikationen der Aktionärsberater von Glass Lewis oder Ethos kommt die Forderung in relativ nüchternem Ton daher: Die Vergütungsberichte der UBS und der Credit Suisse (CS) seien abzulehnen, schreiben die dortigen Experten.
Hand in Hand mit der Forderung dieser Firmen geht die alljährliche Empörung in den Medien und bei der Bevölkerung über die übertrieben hohen Vergütungen an der Spitze der Schweizer Grossbanken. Das Adjektiv «unanständig» wird in diesem Zusammenhang gern genannt.
Unverdient hoch
Es ist anzuzweifeln, dass eine einzelne Person tatsächlich so viel Geld wert ist, wie die Chefs der Grossbanken verdienen, sei es in der Schweiz oder in den USA. Diese Frage soll allerdings nicht Thema dieses Kommentars sein.
In der Aufregung über die – möglicherweise unverdient – hohen Vergütungen gehen regelmässig einige Aspekte vergessen. Diese zu berücksichtigen würde erlauben, mit dem Thema deutlich entspannter umzugehen.
Segen für die Allgemeinheit
Als Erstes gilt es festzuhalten: Uns geht es nicht schlechter, nur weil es UBS-Chef Sergio Ermotti, seinem CS-Konkurrenten Tidjane Thiam oder deren Teams besser geht.
Der Lohn des durchschnittlichen Grossbank-Angestellten würde kaum höher ausfallen, nur weil deren oberste Chefs weniger reich würden. Die Einkommen in anderen Branchen sind davon erst recht nicht betroffen.
Die Löhne der Geschäftsleitung bei den Banken sind symptomatisch dafür, dass Bankangestellte wohl bei vergleichbarer Leistung mehr verdienen als solche in anderen Branchen. Darauf kann man neidisch sein – für die vielen Dienstleister und Zulieferer in und um Zürich, die von der hohen Kaufkraft und dem mangelnden Gespür für Geld der Banker profitieren, ist es jedoch ein Segen.
Banker sind Maschinen
Neben den hohen Gesamtvergütungen scheint das Konzept eines Bonus für manchen Beobachter grundsätzlich problematisch zu sein. In diesem Zusammenhang werden die Bonustöpfe der Banken immer wieder mit dem Gewinn der Institute verglichen.
Das entsprechende Verhältnis sorgt für knackige Schlagzeilen, lässt jedoch einen wichtigen Aspekt ausser Acht: Die Angestellten sind der wichtigste Produktionsfaktor der Finanzindustrie.
Im Unterschied zu Maschinen in Fabriken haben die flexibel entlöhnten Mitarbeiter einen Vorteil: Ist ihr Output tief, kosten sie auch weniger. Würde man die Boni im Vergleich zum Fixlohn kürzen, wären dieselben Leute in guten Jahren empfänglicher für Angebote der Konkurrenz und in schlechten Jahren überbezahlt.
Kurzsichtige Argumente
Richtig eingesetzt, können Boni ausserdem dazu dienen, Angestellte – vom CEO bis zum Uni-Absolventen – auf die richtigen Ziele einzuschwören und dafür auch langfristig zur Rechenschaft zu ziehen. Das sorgt nicht zuletzt für nachhaltiges Verhalten.
Im zentralen Argument von Ethos und Glass Lewis gegen die Vergütungsberichte von 2018, dem Aktienkurs, fehlt diese Nachhaltigkeit. Dabei scheint vergessen zu gehen, dass Thiams Vorgänger Brady Dougan im Jahr 2009 seinen berüchtigten 70-Millionen-Franken Bonus deshalb bekam, weil sich der Preis der Anteile zu seinen Gunsten entwickelt hatte.
Warnendes Beispiel
Wer nun fordert, die Boni seien bei schlechter Performance zu kürzen, müsste konsequenterweise damit leben können, dass eine gute Aktienperformance zu höheren Entschädigungen führt. Wie das herauskommen kann, zeigte sich jüngst in den USA am Beispiel einer winzigen Bank: Der CEO von Axos Financial bekam für 2018 34,5 Millionen Dollar, wie die Nachrichtenagentur «Bloomberg» berichtete.
Solche Anreize könnten den CEO einer Schweizer Grossbank dazu verleiten, bei seinen Entscheidungen noch mehr auf den Aktienkurs zu schielen, statt auf die Kriterien, welche der Verwaltungsrat dem Bonusentscheid zugrunde legt. Aktionäre und Manager wären mit den Resultaten wohl eher zufrieden – nicht für alle wären die Resultate allerdings so erfreulich.
Namentlich Ermotti hat sich dem Vernehmen nach aktiv gegen ein radikales Sparprogramm bei der UBS entschieden – obwohl ein solches den Margen der Bank helfen würde. Um deutlich zu sparen, müsste er wohl allerdings bei den teuren Schweizer Angestellten der UBS ansetzen. Würde er dafür dann mit Millionen von Franken belohnt, wäre das kaum im Sinne der Kritiker.
Das System funktioniert
Das verleitet zur Frage, was diese Kritiker eigentlich wollen. Den Aktionären steht es jederzeit offen, ihre Anteile zu verkaufen, wenn ihnen die Entscheidungen eines Unternehmens missfallen.
Seit der Annahme der Abzocker-Initiative können sie ausserdem den Vergütungsbericht ablehnen. Erst einmal, im Fall von Julius Bär, haben die Aktionäre bei einer Schweizer Bank von diesem Recht Gebrauch gemacht – allerdings noch vor dem Inkrafttreten der verbindlichen Regeln.
Trotzdem zeigt das, dass das System grundsätzlich funktioniert. Deshalb scheint es, als würden sich die Kommentatoren grundsätzlich daran stören, dass jemand ein vielfaches des Durchschnittsbürgers verdient – obwohl kaum einer von diesen ein entsprechendes Angebot selbst ausschlagen würde.