Ist die UBS eine frauenfeindliche Bank? Wie sie den Vergewaltigungsfall in London handhabt, trägt zu diesem Image eher noch bei. Die Eskalation hätte verhindert werden können.
Die Klage des mutmasslichen Vergewaltigungsopfers gegen die UBS in London ist die bisher letzte Stufe der Eskalation eines Falles, bei dessen Handhabung die Schweizer Grossbank einen unbeholfenen und überforderten Eindruck hinterlässt.
Die UBS hatte den Fall von Beginn weg kommunikativ nicht im Griff. Das liegt auch am bisherigen Vorgehen der betroffenen ehemaligen Mitarbeiterin der Investmentbank und ihre regelmässig in britischen Finanzmedien vorgebrachten Vorwürfe an die UBS sowie die neuen Einzelheiten zu den Ereignissen im August und September des Jahres 2017. Die UBS beschränkte sich derweil darauf, dies als einen internen Vorfall darzustellen, der nicht an die Öffentlichkeit gehöre.
Details, aber nur häppchenweise
Was sich die UBS vorwerfen lassen muss, ist, dass sie eine proaktive und auch empathische Aufarbeitung eines Falles vermissen lässt, der auch in jeder anderen Bank oder in jedem anderen Unternehmen hätte geschehen können.
So fügt sich die UBS selber Schaden zu und ramponiert das von ihr sorgsam aufgebaute Image einer Bank, die sich der Förderung von Frauen verschrieben haben soll. Nach weiteren Berichten über die Benachteiligung von Müttern in der UBS bei Bonuszahlungen, wirkt die Schweizer Grossbank nun gar zunehmend frauenfeindlich.
Der teilweise gar chaotische Umgang mit den Vergewaltigungsvorwürfen und die immer wieder bruchstückhaft an die Öffentlichkeit gelangenden Details erschweren eine objektivere Betrachtung des Falles zusätzlich.
finews.ch zeigt hier auf, was bisher geschehen ist.
August 2017: Das UBS-Team des späteren Opfers veranstaltet ein Abendessen in der Londoner Innenstadt. Als die junge Hochschulabsolventin auf die Toilette will, fordert sie ihr Vorgesetzter auf, unter dem Tisch hindurch zu kriechen, damit er nicht aufstehen muss. So steht es in der Klage. Bei der Gelegenheit betatscht der Vorgesetzte sie unter dem Rock. Am späteren Abend macht der Vorgesetzte weitere anzügliche Bemerkungen. Die junge Frau meldet den Vorfall der UBS nicht, erzählt ihn aber Freunden.
September 2017: In der Klage heisst es, die junge Frau sei am 22. September von einem UBS-Mitarbeiter vergewaltigt worden. Dieser sei über 20 Jahre gewesen und habe Einfluss über ihre Karriere gehabt. Aus früheren Darstellungen weiss man, dass die junge Frau an diesem Abend erneut mit Kollegen aus der Investmentbank ausgegangen ist.
Später fuhr sie mit einem älteren Kollegen zu ihm nach Hause. Am nächsten Morgen sei sie in seinem Bett aufgewacht und sei sich sicher gewesen, von ihm in der Nacht vergewaltigt worden zu sein. Dieser habe anschliessend von ihr verlangt, zu schweigen und sie eingeschüchtert, er habe Kontrolle über ihre Karriere.
Juli 2018: Die «Financial Times» berichtet erstmals über den Fall. In dem Artikel heisst es unter anderem, die junge Frau habe nach der besagten Nacht den Vorfall der Polizei wie auch der Personalabteilung der UBS gemeldet. Sowohl sie als auch der Angeschuldigte hätten die UBS im Verlaufe der letzten Monate verlassen. Die UBS drückte in einer ersten öffentlichen Stellungnahme ihre Betroffenheit aus – mehr nicht.
Die junge Frau hatte sich an die Presse gewandt, weil sie das Vorgehen der UBS zunehmend irritiert und enttäuscht hatte. So hatte sie im Juli 2018, nachdem sie über einen ähnlichen Fall bei der Credit Suisse gelesen hatte, einen Brief an Investmentbank-Chef Andrea Orcel geschrieben. Dieser reagierte offenbar erst eine Woche, nachdem er den Brief erhalten hatte und bereits Medien bei der UBS wegen des Falles angefragt hatten.
In der Klage heisst es, Orcel habe die 24-Jährige zunächst nur in Anwesenheit eines Anwaltes treffen wollen. Da sie das ablehnte, lenkte Orcel später ein. Zu einem Treffen kam es dann erst im August. Gegenüber Orcel schilderte sie die Vorkommnisse und richtete Vorwürfe an die UBS: Sie habe noch einen Monat lang im selben Büro wie ihr Angreifer arbeiten müssen, bevor die UBS ihre formelle Untersuchung begonnen habe. Sie sei über den Fortgang der Untersuchung nicht orientiert worden. Die UBS habe es zugelassen, dass der Beschuldigte von sich aus gekündigt habe, nachdem die Untersuchung abgeschlossen gewesen sei.
August 2018: Die britische Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA) nimmt Kontakt mit dem mutmasslichen Opfer auf. Die FCA hat aus den Medien von der möglichen Vergewaltigung erfahren. Die UBS hätte die FCA allerdings von sich aus einschalten müssen.
Ende August: Der UBS scheint die Tragweite des Falles nun erst bewusst zu werden. Sie engagiert die Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, um die internen Prozesse der Grossbank in diesem Fall zu analysieren. Die Erkenntnisse aus der Untersuchung sollen zudem direkt an die FCA gehen.
Ende August: Das mutmassliche Opfer erzählt der «Financial Times» detailliert, wie die UBS aus ihrer Sicht die Aufarbeitung des Falles verschleppte und falsch handhabte. Ein Vorwurf: Die UBS habe bei Freunden nachgefragt, ob sie der Typ «one night stand» sei. Die UBS habe ihre Privatsphäre massiv verletzt. Später forderte sie von der UBS Daten und fand heraus, dass die Grossbank private Handy-Nachrichten und ihre Social-Media-Accounts durchsucht hatte.
Oktober 2018: Erst jetzt wird bekannt, dass die junge Frau Opfer eines Übergriffs eines weiteren UBS-Bankers geworden war. Es handelt sich um den Vorfall vom Juli 2017. Dem mutmasslichen Täter soll die UBS mit Suspendierung gedroht haben.
Ende Oktober: Die Anwaltskanzlei Freshfield schliesst ihre interne Untersuchung ab. Details werden vorerst nicht bekannt. Die Anwälte empfehlen der UBS Massnahmen.
Anfang November 2018: Die UBS gibt Massnahmen bekannt, «um sexuelles Fehlverhalten am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft auszurotten», wie es in einem internen Schreiben an die Mitarbeiter hiess. Die Massnahmen richten sich auf eine bessere Ausbildung der Teams im HR, auf das Einrichten einer anonymen Hotline und auf ein Trainingsmodul mit dem Titel «Workung With Respect», dass alle UBS-Angestellten absolvieren müssen.
November 2018: Das Vergewaltigungsopfer wird von der UBS sowie den Anwälten über den vertraulichen Freshfield-Bericht informiert. Die jünge Frau ist ernüchtert und teilt dies in einem Statement an die Medien mit. Freshfield habe sich auf Informationen gestützt, die längst bekannt seien. Die Anwälte hätten keine grundlegenden Fehler der UBS festgestellt, es sei nichts Illegales in ihrer Untersuchung vorgefallen. Der Vorwurf: Die UBS habe Freshfield nur eingesetzt, um sich rein waschen zu lassen.
November 2018: Die UBS stellt Cicilia Wan als Managerin in ihrer Personalabteilung in London ein. Sie soll speziell für Angelegenheiten von Mitarbeitern zuständig sein, wie auch für interne Untersuchungen im Zusammenhang mit Belästigungen und dergleichen. Zudem soll die HR-Managerin die Arbeitskultur in der UBS Investmentbank verändern.
13. März 2019: Das mutmassliche Vergewaltigungsopfer reicht beim Londoner Arbeitsgericht Klage gegen die UBS ein. Klagepunkte sind: Sexuelle Belästigung, Diskriminierung, Schikanierung und der Missbrauch persönlicher Daten. Die Forderung: Schadenersatz für die persönlichen Verletzungen verursacht durch die Vergewaltigung und die sexuelle Belästigung durch Mitarbeiter der UBS. Die Bank reagiert einmal mehr einsilbig: Sie habe keine Fehler gemacht und setze Empfehlungen für Verbesserungen um.