Erst zieht Casper von Koskull mit seiner Grossbank von einem Land ins andere und streicht Tausende Stellen. Nun sieht er Angestellte als Risiko und schwärmt für Amazon. Wird er zum Stichwort-Geber für Schweizer Bankchefs?
Casper von Koskull ist der Banker, der aus der Kälte kam. Der gebürtige Finne drückte letztes Jahr durch, dass die schwedische Nordea ihr Hauptquartier nach Finnland und damit ins Euroland umzieht. Dass der Auszug der grössten (und zweimal mit Staatsgeldern gestützten) Bank in Schweden zu einem Aufschrei führte, steckte der CEO scheinbar gleichmütig weg. Mit dem Versprechen, dank dem Umzug 1 Milliarde Euro einzusparen, hatte er die Aktionäre des Geldhauses hinter sich geschart.
Das war «walk the talk», wie es im Jargon heisst. Der ehemalige Goldman-Sachs-Manager ist berüchtigt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Bereits 2017 hatte er angekündigt, Nordea werde bis 2021 voll digitalisiert sein und rund 6’000 von insgesamt 30’000 Jobs abbauen. Auch hier liess von Koskull seinen Worten umgehend Taten folgen. Rund die Hälfte der überzähligen Stellen beim skandinavischen Institut sind heute weg.
«Und das ist gut so»
Dieser Tage legte von Koskull nun gegenüber der Agentur «Bloomberg» nach. In zehn Jahren werde im Banking nur noch die Hälfte des heutigen Personals tätig sein. Und das, findet der Nordea-Chef, sei gut so.
Dabei legte der Manager Wert darauf, dass er hier nicht einfach Prognosen mache. Er glaube fest an diese Voraussage. Ein Überzeugungstäter also, und einer, der im europäischen Banking viel Beachtung findet – setzt er doch um, was andere CEO kaum zu denken wagen. Umso mehr lohnt es sich, Eckpunkte dieser Denke genauer anzuschauen:
1. Der Mensch als Risiko
Mit seinen Stellenabbauten hat sich der Finne keine Freunde gemacht. Seine jüngsten Aussagen vermitteln nun gar das Bild eines Misanthropen. Der Abbau von Personal mache die Banken robuster und vermindere so die Geschäftsrisiken, tönte er. Von Koskull verfocht die Ansicht, dass die Automatisierung die Branche sicherer und effizienter macht und will Roboter und Künstliche Intelligenz gerade auch an der Kundenfront installieren. Seiner Meinung braucht es menschliche Interaktion nur noch in der Vermögens- und Hypothekenberatung.
Letztes Problem sind dann wohl noch die menschlichen Kunden. Nordea-Präsident Björn Wahlroos sorgte einst mit dem Spruch für Aufruhr, dass etwa 80 Prozent der Menschen Idioten seien, «zumindest, was Geldfragen betrifft».
2. Digitalisierung und Effizienz über Alles
Der Banker sieht die beiden Faktoren als ausschlaggebend fürs Überleben von Banken. Institute, die sich nicht wie Nordea diesen Faktoren verschrieben haben, fielen aus dem Rennen, warnte von Koskull. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch der Umzug von Nordea von Schweden nach Finnland betrachten: Mit diesem entging die Bank einer womöglich kostspieligen Regulierung, und im digitalen Geschäft sind Landesgrenzen sowieso sekundär.
3. Das Bankensterben geht erst richtig los
Europa sei hoffnunglos «overbanked», ist der Nordea-CEO überzeugt. Gerade im Kerngeschäft mit Kundeneinlagen habe die Konsolidierung noch nicht einmal ansatzweise begonnen. «Es gibt viel zu viele Mitbewerber und viel zu viele Banken», findet er. Allerdings sei auch Nordea selber noch nicht schlank genug, um als Konsolidiererin aufzutreten, so von Koskull.
4. Amazon ist der gefährlichste Gegner
Die amerikanischen Technologieriesen gelten seit Jahren als Angstgegner im Banking. Allerdings ist es an jener Front bisher recht ruhig geblieben. Von Koskull ist dennoch alarmiert: Facebook und Google seien womöglich keine unmittelbaren Gefahren, die Online-Verkaufsplattform Amazon hingegen schon. Diese sei von der branchenfremden Konkurrenz dem Banking am nächsten, sagt der Finne.
Ob von Koskull mit diesen Ansichten mehr Schwarz- als Hellseher ist, wird die Zukunft weisen. Für Bankchefs auch in der Schweiz könnte er jedoch vermehrt die Stichworte für die eigenen Abbau- und Digitalisierungsschritte liefern.
Sergio Ermotti erkannte Parallelen
Tatsächlich musste «seine» Nordea hierzulande schon als Beispiel herhalten. 2017 sagte UBS-Chef Sergio Ermotti, es gebe keine hundertprozentige Sicherheit, dass die UBS in der Schweiz bleibe. Er zog dabei Parallelen zum anstehenden Zügel von Nordea von Stockholm nach Helsinki. In jenem Jahr warnte Ermotti zudem in einem Interview, dass bei der Grossbank in zehn Jahren jede dritte Stelle verschwinden könnte.
Immerhin – gegenüber Koskulls Schreckensvision einer Halbierung aller Bankstellen war das noch noch zahm.