Der Fintech-Cluster-Chef bei der Swisscom weiss, was nach dem Krypto-Hype kommt. Johannes Hoehener sagt auch, warum die Schweizer Finanzbranche Amazon, Google & Co. 2019 im Auge behalten muss.


Herr Hoehener, Sie sind ein Fintech-Aficionado der ersten Stunde. Lassen Sie sich von den stets neuen Hypes noch mitreissen, oder entwickelt man da mit der Zeit eine gewisse Abgeklärtheit?

Die Digitalisierung rückt seit zehn Jahren immer höher in der strategischen Agenda der Schweizer Banken. Sie haben viel Geld in die digitale Transformation investiert; zahlreiche Initiativen wurden gestartet und teilweise auch wieder beendet. Das Erscheinungsbild der Banken wurde dadurch zwar digitaler – gemessen an den gewünschten Geschäftserfolgen bin ich mir aber unsicher.

Also viel Lärm um fast nichts?

Fintech ist weder Hype noch Revolution, sondern die Evolution der Finanzbranche. Neue Produkte, neue Dienstleistungen und neue Services werden auch in den kommenden Jahren den Finanzalltag der Endkunden verändern.

«Es folgt nicht Kater-, sondern Aufbruchstimmung»

Diese Veränderungen zu ignorieren und Fintech als Trend abzutun, wäre gefährlich. Stattdessen müssen Banken die Herausforderungen der Digitalisierung weiterhin aktiv anpacken.

Das Jahr 2018 stand ganz im Zeichen der Kryptofirmen als schnellst wachsender Schweizer Fintech-Sektor. Auch wegen des Wertverlusts von Bitcoin & Co. machte sich zum Jahresende aber Ernüchterung breit. Folgt 2019 die Katerstimmung?

Wir werden künftig weniger von Krypto lesen, dafür immer mehr von digitalen Assets. 2019 erwarte ich in der Schweiz wegweisende Projekte in der Emission, der Aufbewahrung und dem Handel von digitalen Anlagen. Es folgt also nicht eine Kater-, sondern eine Aufbruchstimmung.

Tatsächlich steht im weiteren Feld der Blockchain-Technologie einiges an. Der Bund will die Rahmenbedingungen für die Blockchain-Wirtschaft festlegen. Die Swisscom plant mit der Post Mitte Jahr das erste Angebot auf einer privaten Schweizer Blockchain. Ist 2019 das Jahr, in dem diese Technologie den Durchbruch schafft?

Wie gesagt, ich rechne mit Aufbruchstimmung. Ich glaube besonders an das Potenzial der Distributed-Ledger-Technologie im Bereich der Finanzdienstleistungen. Die Technologie verbindet eine Reihe von technologischen Entwicklungen, die in ihrer Kombination der Finanzdienstleistungs-Branche helfen können, ein neues Niveau an Geschwindigkeit, Qualität und Effizienz zu erreichen.

Welche weiteren Fintech-Initiativen plant die Swisscom in den nächsten Monaten?

Wir fokussieren uns auf drei Themenbereiche: Marktplätze, Trust Services und das Ökosystem der digitalen Vermögenswerte. Was Letzteres angeht, werden wir den Markteintritt unserer neu gegründeten Firmen Custodigit und Daura vorantreiben.

«Für wilde Voraussagen bin ich vielleicht schon etwas zu alt»

Zudem arbeiten wir wie bereits erwähnt mit der Post am Aufbau der Infrastruktur für Blockchain-Anwendungen.

Immer mehr gelangen hierzulande auch Schnittstellen- und Open-Banking-Projekte an den Start. Müsste die Swisscom da nicht den schon 2017 lancierten Open Banking Hub stärker ins Spiel bringen?

Absolut, der Swisscom Open Banking Hub ist technisch bereitgestellt. Nun sind wir mit diversen Service-Anbietern und auch mit Banken im Gespräch für Proof-of-Concepts-Tests. 2019 erwarten wir hier viel Bewegung. Im Gegensatz zum Euroraum aber nicht getrieben durch Regulation, sondern durch die wirtschaftliche Attraktivität von Drittlösungen.

Wenn Sie ein wilde Voraussage für das Fintech-Jahr 2019 machen müssten: Wie würde sie lauten?

Für wilde Voraussagen bin ich vielleicht schon etwas zu alt. Zwei Entwicklungen gilt es aber als Schweizer Bank im Auge zu behalten: Einerseits sehe ich grosse Tech-Firmen wie Amazon, Google oder auch Alibaba, die mit hohem Tempo Finanzdienstleistungen in ihr Gesamtangebot integrieren. Anderseits werden im Ausland erfolgreiche Fintechs wie Revolut oder auch Paypal vermehrt mit dem verhältnismässig kleinen Schweizer Markt liebäugeln.


Johannes Hoehener ist einer der bekanntesten Fintech-Vordenker in der Schweiz. Seit 2014 leitet er den einflussreichen Fintech-Cluster bei der Swisscom; der Telekom-Konzern agiert als Partner von rund 170 hiesigen Banken und darf damit als heimlicher Riese am Finanzplatz gelten. Zuvor sass Höhener von 1996 bis 2010 in der Geschäftsleitung des IT-Dienstleistesr Comit, anschliessend wirkte er bis 2012 als CEO der Swisscom-Tochter ITS Sourcing und baute danach das Kompetenzzentrum E-commerce bei der Firma E-research auf.