Wer nächstes Jahr an der Spitze der amerkanischen Notenbank stehen wird, ist noch völlig offen. Ginge es nach UBS-Präsident Axel Weber, wäre die Nachfolge bereits geregelt.
Die Meldung kam unerwartet: Stanley Fischer, Vizechef der amerikanischen Notenbank (Federal Reserve, Fed), trat am gestrigen Donnerstag überraschend von seinem Posten zurück – aus persönlichen Gründen, wie der 73-Jährige in einem Brief an US-Präsident Donald Trump schrieb.
Unklarheit herrscht auch über eine zweite Amtszeit von Fed-Chefin Janet Yellen. Trump hatte ihr im Wahlkampf vorgeworfen, auf Anweisung seines Vorgängers Barack Obama den Leitzins künstlich niedrig zu halten. Von seiner harten Kritik war er zuletzt aber abgerückt.
Er bringt alles mit
Könnte UBS-Präsident Axel Weber bei der Wahl mitreden, wüsste er genau, wen er gerne auf den Fed-Chefsessel berufen würde: Gary Cohn, wie er an der «Handelsblatt»-Tagung in Frankfurt am Main am Donnerstag sagte, und wo auch finews.ch anwesend war. Weber kennt den ehemaligen Goldman-Sachs-Banker Cohn seit einigen Jahren. Beide sind Mitglied der amerikanischen Bankenlobby-Gruppe Institute of International Finance.
«In einer Phase, in der die Fed ihre Bilanz verkürzt und so für viel Gesprächsstoff über die Auswirkung an den Finanzmärkten sorgt, ist es besonnen, einen Mann wie Cohn zu installieren. Er bringt alles mit, was für diesen Job gefordert ist. Ich sehe ihn in der Pole Position», sagte Weber.
Folgenreiche Kritik?
Cohn ist der oberste Wirtschaftsberater von Trump und hätte somit gute Chancen, Nachfolger von Yellen zu werden. Bis vor wenigen Wochen schien er diesbezüglich auch gut unterwegs zu sein.
Doch nun hat sich das Blatt gewendet. Cohn gehöre nicht mehr zu den Kandidaten Trumps für den frei werdenden Fed-Posten, berichteten verschiedene Medien. Grund dafür ist offenbar Cohns harsche Kritik an den umstrittenen Äusserungen des Präsidenten nach den rechtsextremen Ausschreitungen von Charlottesville.
Unklare Gemengenlage
Er hatte in einem Interview mit der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) vom vergangenen Wochenende erklärt, die Regierung müsse besser darin werden, Rassisten «konsequent und unzweideutig zu verurteilen». Trump hatte vor der Presse «vielen Seiten» die Schuld an den Ausschreitungen gegeben.
Cohn, der jüdischen Glaubens ist und in Geschäftskreisen grosses Ansehen geniesst, dürfte trotz der medialen Spekulationen nach wie vor gute Chancen auf den Fed-Posten haben, zumal er als Hauptverantwortlicher für die geplante US-Steuerreform ein ganz wichtiger Mann für Trump bleibt. Unter diesen Prämissen ist es nicht ausgeschlossen, dass Cohn im nächsten Jahr sozusagen als Anerkennung in die Fed «befördert» würde.