UBS und Credit Suisse werden diese Woche ihre Quartalszahlen präsentieren. Das Überraschungspotenzial liegt bei der Bank, die zuletzt ein tiefes Tal durchschritten hat. Doch nun kann sie befreit aufschlagen.
Es ist höchst ungewöhnlich: Kommenden Freitag werden sowohl UBS und Credit Suisse (CS) gleichzeitig ihre Zahlen zum zweiten Quartal 2017 vorlegen. Normalerweise legen die beiden Rivalen ihre Ergebnisse mit gebührendem Abstand von einigen Tagen oder gar Wochen vor.
Doch nun wird sich am Freitag glasklar zeigen, welche der beiden Schweizer Grossbanken zurzeit aus Aktionärssicht zu favorisieren ist. finews.ch macht die Prognose: Das Überraschungsmoment liegt derzeit bei der CS.
Erstmals geht der Blick nach vorne
Seit zwei Jahren läuft der Turnaround unter CEO Tidjane Thiam – und erstmals seit zwei Jahren richten sich die Blicke Thiams wieder nach vorne. In einem Schreiben an die Mitarbeiter hat der CS-CEO nach einer längeren Phase der Ausgabenkürzungen nun eine Phase des Geldverdienens angekündigt. Während die CS also befreit aufschlagen und aus Aktienbewertungssicht von einem positiven Basiseffekt profitieren kann, dampft die grosse Konkurrentin Quartal für Quartal auf Kurs.
Während die UBS unter den Banken sowas wie Nestlé unter den Nahrungsmittelkonzernen wird – nämlich stabil und zuverlässig, aber etwas langweilig und fantasielos – kann die CS Boden gut machen und so die alte Rivalität unter den beiden Platzhirschen auf dem Schweizer Finanzplatz wieder aufleben lassen.
Hier sind die Trümpfe der CS
1. Tidjane Thiam lässt die Dougan-Ära verblassen
Die CS hat zwei harte Jahre hinter sich, doch die Rosskur unter CEO Thiam ist nun weitgehend vorüber. Die Aufgabe des Nachfolgers von Brady Dougan war undankbar und schwierig: Abschied von der Investmentbank-Strategie, Kostenreduktion und Stellenabbau, Kapital stärken und Rechtsfälle beilegen.
Es war eine holprige Reise, aber Thiam gelang es, mit zwei Kapitalerhöhungen von den Aktionären 10 Milliarden Franken einzusammeln und den schwer auf der Bank lastenden US-Hypothekenfall beizulegen. Bleibt noch, die «Bad Bank» aus der Ära Dougan ganz abzuarbeiten und die CS ist von ihren Altlasten vollständig befreit. Dies werden Investoren honorieren.
2. Das gut geschmierte Schweizer Geschäft
Die im Mai abgeblasenen Börsenpläne mit der CS Schweiz haben ein grosses Plus gelassen: Die Einheit unter ihrem Chef Thomas Gottstein ist nun eine gut geölte und schlanke Ertragsmaschine. Die kleinste Geschäftseinheit der CS ist gleichzeitig ihre profitabelste.
Zwei turbulente Jahre und Kapitalsorgen haben die Fähigkeit nicht eingeschränkt, Geschäft mit Unternehmenskunden zu generieren und zu wachsen. Entgegen mancher Befürchtungen hat das Managementteam der CS Schweiz den abgeblasenen Börsengang gut weggesteckt und ist an Bord geblieben.
3. Das Wealth Management wächst zurzeit schneller
Unter seinem Chef Iqbal Khan sticht das International Wealth Management der CS laufend mit starken Wachstumszahlen hervor. Im ersten Quartal beliefen sich die Nettoneugelder auf 12 Milliarden Franken, im Raum Asien-Pazifik auf 5,3 Milliarden Franken.
Zum Vergleich: Die deutlich grössere UBS erreichte gesamthaft 21 Milliarden Franken und wuchs damit deutlich langsamer. Die momentane Wachstumsstärke der CS werden Investoren zu schätzen wissen.
4. Ein wenig Kasino-Kultur ist noch vorhanden
Der Strategiewechsel hin zu mehr Wealth Management lässt vergessen, dass die CS mit ihrer Investmentbank noch immer annähernd 50 Prozent ihrer Erträge erwirtschaftet. Dies kommt insbesondere in einer guten Marktstimmung zum Tragen, wie das erste Quartal 2017 gezeigt hatte. Die CS holt nach wie vor mehr aus ihrer Investmentbank als die UBS, die damit leben muss, kurzfristige und lukrative Aufschwünge im Fixed-Income-Bereich zu verpassen.
Dabei segelt die CS nach wie vor hart am Wind: Trotz strengen Regulierungen bezüglich Eigenhandel führt die Investmentbank eine Einheit namens Systemativ Market-Making Group, mit der auf eigene Rechnung gehandelt wird. Ein wenig Kasino-Kultur ist bei der CS noch immer vorhanden – was sich mit einem entsprechenden Risikomanagement auszahlen kann.
Und darum wird die UBS langfristig schwer zu schlagen sein:
1. Investoren werden den Wealth Manager in der UBS noch entdecken
Es ärgert UBS-Chef Sergio Ermotti: Die aktuelle Bewertung der UBS-Aktie zeigt die über die Jahre erzielten Fortschritte der UBS, der grössten Vermögensverwalterin der Welt, nicht angemessen.
«Am Ende des Tages sind wir nicht die am höchsten bewertete Investmentbank, wir sind der am tiefsten bewertete Vermögensverwalter der Welt», beklagte sich Ermotti kürzlich.
Bleibt die UBS auf ihrem Wealth-Management-Kurs wird dieser Bewertungsabschlag kleiner werden und sie kann sich vom Stigma der Investmentbank, die einst hoch geflogen und tief gefallen ist, befreien. Dies braucht Geduld und wird kurzfristig nicht der Fall sein. Aber die UBS hat sich ja auch dem langfristigen Geschäft der Vermögensverwaltung verschrieben.
2. Grösse zählt – und die starke US-Präsenz
Im Wealth Management ist die UBS der CS bezüglich Grösse enteilt. Und Grösse zählt im globalen Private Banking: Auf modernen Plattformen lässt sich das Geschäft skalieren. Im Idealfall steigen Erträge gegenüber laufenden Kosten überproportional an – vorausgesetzt, das entsprechende Wachstum bei den Geldzuflüssen stellt sich ein.
Die UBS ist hierfür weit besser aufgestellt als die CS, denn sie ist in Nordamerika mit zunehmendem Erfolg im Wealth Management aktiv. Dieser Vermögensverwaltungsmarkt wächst zwar nicht ganz so schnell wie der asiatische, dafür mit – noch immer – deutlich grösserem Volumen und vor allem höheren Margen.
Diesen Vorteil kann der UBS niemand vom Brot nehmen. Und er bringt ein weiteres Plus: Um das notwendige anhaltende Wachstum zu generieren, muss die UBS nicht übermässige Risiken nehmen und kann bei der Annahme von Kundengelder selektiver sein.
3. Grosser Vorsprung bei IT-Modernisierung und Digitalisierung
Der Wettbewerb im Banking wird in Zukunft über die operationellen Kosten entschieden. Voraussetzung dafür ist eine Vereinheitlichung der IT-Systeme, mit dem Ziel, die gesamten Bankoperationen von einer Plattform aus steuern zu können.
Die UBS hat auf ihrem Weg dorthin bereits einen grossen Vorsprung: Wie kaum eine andere Grossbank hat sie die Vereinheitlichung der Buchungsplattformen vorangetrieben. Dahinter steckt die Kunden-Plattform Cetus, lateinisch für Wal. Dabei handelt es sich in der Tat um ein grosses Säugetier. Denn mit der UBS Europe mit Sitz in Frankfurt werden die Wealth-Management-Einheiten in Europa in eine Rechtseinheit gebündelt.
Zuvor betrieb die Schweizer Grossbank allein in Europa an zwölf Standorten neun Buchungsplattformen, die auf sechs verschiedenen IT-Systemen liefen. Die Kosten senken sich nun durch die Vereinheitlichung massiv. Die Rede ist von rund 100 Millionen Franken jährlich.