Thomas Ulrich, Präsident des Zürcher Bankenverbands, spürt erstmals seit langem wieder Zuversicht in der Branche. Doch mit der Aufbruchstimmung allein sei noch kein Problem gelöst, stellt er im Interview fest.
Herr Ulrich, der Zürcher Finanzplatz hat 2016 praktisch stagniert, wie eine neue, vom Zürcher Bankenverband in Auftrag gegebene Studie zeigt. Dennoch geben Sie sich betont optimistisch. Weshalb?
Es hätte im letzten Jahr angesichts des Umfelds noch viel schlimmer kommen können. Was ich jetzt in der Branche feststelle, ist eine neue Zuversicht. Man weiss heute viel besser, an welchen Stellschrauben man drehen muss. Insbesondere wird die Digitalisierung nicht mehr als Bedrohung angesehen.
Sondern?
Die Digitalisierung hilft uns, unsere Geschäftsmodelle weiter zu entwickeln und als Finanzplatz wieder zu wachsen. Dazu haben wir am Standort Zürich mit den Hochschulen, Technologie-Firmen wie Google und Projekten wie dem geplanten Innovationspark in Dübendorf beste Voraussetzungen. Das sorgt jetzt für Aufbruchstimmung.
Der Innovationspark in Dübendorf und Google in Ehren – doch wie lange wird es dauern, bis sich die neuen Geschäftsmodelle und Technologien für die Banken in Erträgen niederschlagen?
Mit der Aufbruchstimmung allein haben wir unsere Probleme noch nicht gelöst, da gebe ich Ihnen recht. Sehr viele Digitalisierungs-Projekte sind jedoch weiter vorangeschritten als allgemein bekannt ist.
«Der Rest der Schweiz denkt zuweilen, wir Zürcher seien schon laut genug»
Zahlreiche Banken am Platz haben zudem Fintech-Lösungen entwickelt und bieten diese ihren Kunden bereits an. Was generell unser Problem als Bänkler und auch als Schweizer ist: Wir verkaufen unsere Errungenschaften zu wenig nach aussen.
Also marktschreierischer auftreten? Entspricht das dem Zürcher Selbstverständnis?
Natürlich. Wenn das unserem Spirit nicht entsprechen würde, dann hätten sich die Googles dieser Welt nicht bereits hier niedergelassen. Dann hätten wir auch keine weltbekannte ETH. Aber beim Vermarkten des Finanzplatzes können wir noch besser werden – auch wenn der Rest der Schweiz zuweilen denkt, wir Zürcher seien schon laut genug.
Umgekehrt droht die Digitalisierung auch Stellen zu kosten, wie der Trend weltweit zeigt. Stellt die Finanzbranche langfristig nicht mehr jeden zehnten Arbeitsplatz in der Region Zürich?
Digitalisierung ist nicht nur dazu da, unsere Prozesse schneller zu gestalten und damit auch Kosten zu senken. Wir können damit auch unsere Geschäftsmodelle verfeinern und Kunden weitere Zugangskanäle zur Bank bieten.
Oben könnten wir Krawatte tragen, unten Shorts und Flip-Flops
Man darf nicht vergessen, dass mit der Digitalisierung auch neue Jobs entstehen, und die Berufsprofile verändern sich. Dass die Digitalisierung netto ein Arbeitsplatz-Verlust bedeuten soll, das ist meiner Meinung nach nicht so eindeutig.
Und wo entstehen am Zürcher Finanzplatz die Stellen der Zukunft?
Ein Beispiel aus dem Alltag: Für kompliziertere Vermögensberatungen zieht der Kundenberater in der Filiale Rüti einen Wealth Planner hinzu. Das kann aufwändig sein, wenn dieser etwa aus Zürich anreisen muss. Künftig könnten solche Spezialisten an einem Standort zusammengezogen werden und sich über Video-Call in Kundengespräche zuschalten. Dazu können sie etwa in Schaffhausen sitzen – und im Sommer vielleicht nur oben eine Krawatte tragen und unten Shorts und Flip-Flops (lacht).
Rein technologisch wären solche Video-Calls bereits heute möglich. Traditionelle Banken sind aber noch nicht so weit organisiert.
Indes streichen allen voraus die Grossbanken hierzulande Stellen. Insgesamt hat das Banking in der Region letztes Jahr 2,5 Prozent aller Arbeitsplätze abgebaut. Hält der Druck auf die Jobs in den nächsten Monaten an?
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