Die jüngsten Unwetter in Italien stehen sinnbildlich für die politische und ökonomische Lage im Belpaese. In Angst um die Zukunft des Landes bunkern immer mehr Italiener ihr Gold in der Schweiz.
Gold ist die ultimative Krisenwährung. Das zeigt sich nun erneut am Verhalten der Italiener. Sie kaufen Gold und horten es in der Schweiz.
Der Münchner Edelmetallhändler Pro Aurum verzeichnet einen starken Zuwachs an Edelmetalleinlagerungen in der Filiale in Lugano. «Normalerweise haben wir in Lugano 20 Prozent italienische Kunden und 80 Prozent Schweizer. Jetzt hat sich dieses Verhältnis beinahe umgekehrt», sagte Pro-Aurum-Geschäftsführer Robert Hartmann kürzlich gegenüber dem deutsche Magazin «WirtschaftsWoche».
Die Verlagerung der Vermögenswerte in die Fluchtburg Schweiz hat denn auch handfeste Gründe.
Das Referendum des Rottamatore
So findet in Italien am kommenden Samstag ein schicksalhaftes Referendum über eine von Italiens Premier Matteo Renzi aufgegleiste Verfassungsreform statt. Der vor rund drei Jahren angetretene Ministerpräsident will sein Versprechen als «Rottamatore», als Verschrotter der alten Politik, ein Stück weit einlösen.
Politische Prozeduren sollen mit dem Referendum verschlankt und beispielsweise die Macht des Senats, der kleineren Kammer neben dem Abgeordnetenkammer, drastisch zurückgestutzt werden.
Renzi verknüpfte den Ausgang des Referendums mit seiner politischen Zukunft. Bei einem Nein hat er seinen Rücktritt angedroht. Diese Erpressung kommt bei den Italienern schlecht an. Entsprechend gedrückt sehen auch die Umfragewerte aus. Aktuell stehen die Zeichen auf eine Niederlage Renzis.
Verlierer der Globalisierung
Fällt Renzi, dann übernehmen wohl die Rechte das Zepter im Stiefelstaat. Diese Politiker sind bereits im Aufwind. Denn die einst europabegeisterten Italiener sind stocksauer.
Seit der Einführung des Euro sind die Preise gestiegen, und die Kaufkraft ist gesunken. Die Arbeitslosigkeit hat rapide zugenommen – insbesondere bei den Jungen. Fast die Hälfte einer ganzen Generation ist ohne Job. Und: Die Verschuldung des Landes mit mehr als 2,2 Billionen Euro oder 133 Prozent des Bruttoinlandprodukts ist so hoch wie in kaum einem anderen Industriestaat der Welt.
Kurzum: Die Italiener sehen sich als Verlierer der vielgepriesenen Globalisierung. Die rechten Partien in Italien insbesondere die Lega Nord und die 5-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo wissen, die angeheizte Stimmung zu nutzen.
Abstimmung über Italexit wahrscheinlich
Gut möglich, dass sie bei einem Rücktritt Renzis eine Volksabstimmung über den Verbleib Italiens in der EU fordern. Ein Italexit ist nach dem Brexit nicht ausgeschlossen. Die Nervosität über Italiens Zukunft ist auch bei den Geldverleihern spürbar. Der «Spread», der Zins-Aufschlag, den der italienische Staat zahlen muss, damit die Anleger seine Anleihen kaufen, steigt.
Die US-Ratingagentur bewerten italienische Staatsanleihen gerade noch mit BBB-, das ist eine Note über dem Verdikt «Junk».
Naturkatastrophen – Fluch oder Segen für Renzi?
Und die Verschuldung Italiens wird in den kommenden Monaten weiter zunehmen. Allein die Erdbeben Ende Oktober und die heftigen Unwetter in den Provinzen Piemont, Ligurien und Sizilien am letzten Wochenende werden den Staat mehrere Milliarden Euro kosten – Geld, das der Staat nicht hat.
Für Renzi könnten sich die Naturkatastrophen – so paradox es klingen mag – womöglich auch als Chance erweisen. Sie bieten ihm Gelegenheit, sich als Retter der Nation zu präsentieren. Verschiedentlich hat er denn auch rasche Hilfe angekündigt. Ob ihm das zu mehr Stimmen für sein Referendum am 4. Dezember verhilft, wird sich zeigen.