Der Schweizer Vermögensverwalter GAM steckt im Jahr zwei unter CEO Alex Friedman in der tiefsten Krise seiner Geschichte. Das alte Geschäftsmodell ist überholt, und die neue Strategie greift nicht.
Kurzfristige Bewegungen des Aktienkurses müsse er ignorieren und sich auf die Strategie konzentrieren, hatte Alex Friedman noch in diesem Frühjahr in einem Interview mit finews.ch erklärt.
Die jüngsten Bewegungen darf er allerdings nicht mehr ignorieren. Denn nach der Gewinnwarnung vom Dienstag haben selbst die treusten GAM-Aktionäre die Reissleine gezogen – offenbar, weil sie nun eine Reduktion der Dividende befürchten, die sie bislang auch in schlechteren Jahren immer erhalten hatten.
Wie bei der Credit Suisse
GAM hat innert einer Woche annähernd 30 Prozent seines Börsenwerts verloren. Ein Vertrauensverlust, der an jenen bei der Credit Suisse erinnert. Auch dort ist mit Tidjane Thiam ein neuer CEO an der Spitze, dessen Strategie (noch) nicht verfängt.
Wie bei Friedman: Der Amerikaner übernahm GAM 2014 von David Solo, einem anderen Amerikaner, der zu seinem Abschied kundtat, «die Transformation des Geschäftsmodells ist abgeschlossen».
Gelder fliessen ab, Gewinne schmelzen dahin
Das war grob übertrieben: Friedman übernahm einen Asset Manager, der auf den laufenden, epochalen Wandel in der Branche sehr schlecht vorbereitet war. Seit Friedman am Ruder ist, haben die verwalteten Vermögen abgenommen, und die Gewinne schmelzen dahin.
Dabei hat Friedman nach seinem Antritt rasch eine neue Strategie erarbeitet, die auf dem Papier durchaus Sinn macht. GAM soll sich auf Kunden fokussieren, die bereit sind, aktive Anlagestrategien im alternativen Bereich zu honorieren.
Gleichzeitig will Friedman den Vertrieb stärken und die Organisation verschlanken. Um mehr kritische Masse zu gewinnen, ging der CEO auch auf Einkaufstour, insbesondere, um Anlagestrategien mit US-Aktien anbieten zu können; diese sollen mehr Volumen generieren.
Verunsicherung und schlechte Performance
Diese Strategie greift aber nicht, wie sich zeigt. Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens: Die Verunsicherung unter den Kunden ist aufgrund der geldpolitischen Verwerfungen so gross, dass sie sich scheuen, Risiko zu nehmen.
Davon ist GAM nicht allein betroffen, doch bleiben so die dringend nötigen Neugeld-Zuflüsse aus. Der zweite Grund: Die GAM-Produkte «performen» in diesen schwierigen Zeiten nicht – das zeigt der massive Einbruch der performanceabhängigen Gebühren.
Verunsicherte Kunden und schlechte Performance – so ist Friedmans Strategie in sich zusammengebrochen: Kunden quittieren das mit dem Rückzug ihrer Vermögen.
Eigentlich ein Gewinner
GAM verliert Geld in einer Marktlage, in welcher der Spezialist für Absolute Return eigentlich zu den Gewinnern zählen müsste. Doch das ist nicht der Fall, und Indexprodukte sowie ETF spiegeln bloss den Markt.
Die Probleme des Unternehmens liegen tiefer, viel tiefer: Die Anfang der 1980er-Jahre von Asset-Management-Pionier Gilbert de Botton gegründete Hedgefonds-Boutique operierte die vergangenen 15 Jahre unter wechselnden Besitzer mit einer Art Abnahme-Garantie ihrer Produkte: Die Private-Banking-Kanäle – zunächst jene der UBS, ab 2005 dann jene von Julius Bär – sorgten für einen sicheren Absatz.
Veränderter Kunde
Doch in den letzten Jahren haben sich die Kundenanforderungen massiv verändert. Die Klientel ist anspruchsvoller geworden, besser informiert, hat Renditeerwartungen und ist kostensensitiver.
Zudem steckt die Asset-Management-Branche ebenfalls mitten in einem Wandel: Heute sind hocheffiziente Vertriebs- und Verkaufsgesellschaften gefragt, kritische Grösse, eine entsprechend breit abgestützte Produktepalette und eine geografische Ausbreitung.
Diffuse Aussenwahrnehmung
Ein weiteres Problem von GAM ist die relative Unbekanntheit. Zwar hat Friedman die Marke neu «gebrandet». Doch bleibt die Aussenwahrnehmung diffus, während andere Asset Manager wie die britischen M&G oder Aberdeen Asset Management ganze Zürcher Trams bemalen oder in Schweizer Skigebieten munter Werbung machen.
Natürlich macht es kaum Sinn, wenn GAM als Spezialist für alternative Anlagen dergestalt Publizität und Kundengelder sucht. Doch zeigt sich hier das Dilemma, welches die Schwächen dieser Firma schonungslos aufdeckt.
Problematische Nische
GAM verfolgt globale Ambitionen, muss darum nach Grösse streben und gleichzeitig massiv die Kosten senken. Als Anbieter von Produkten, die erstens vergleichsweise teuer sind und zweitens eher eine Nische besetzen, ist es für das Unternehmen gleichzeitig schwierig, sich im erwähnten Umfeld der Risikoaversion an der Performance messen zu lassen.
Friedmans Ankündigung, die Kosten weiter zu senken und die Produktpalette auch mittels Übernahmen zu verbreitern, verfängt bei den Investoren offenbar nicht mehr. Sie wollen rentierende Produkte und ein Unternehmen, das Neugelder akquirieren kann.
Beides brauche Zeit, hat Friedman wiederholt gesagt. Den Nachweis, dass GAM dereinst ein führendes Investmenthaus wird, ist er bislang schuldig geblieben.