Leda Braga fuhr im Krisenjahr 2008 mit ihrem Hedgefonds massig viel Gewinn ein – und avancierte zum Star. Nun erklärt die in Genf beheimatete Finanzexperin erstmals, wie sie den Crash meisterte. Und warum sie an der Lektion von damals eisern festhält.
Als einzelne Frau in einer 3'000-Milliarden-Dollar-Industrie mit mehr als 10'000 konkurrierenden Firmen herauszustechen, ist nicht leicht. Noch mehr, wenn die Branche bisweilen als Bastion des Machotums gilt. Der 48-jährige Leda Braga (Bild), hat es geschafft: 2013 und nun ein zweites Mal in diesem Jahr wurde sie vom «Hedge Fund Journal» als eine der «mächtigsten Hedge-Managerinnen» der Welt gefeiert.
Die Superlative kommen bei Braga nicht von ungefähr. Blendende Ausbildung, blendende Karriere und blendendes Aussehen – all das fällt bei der aus Brasilien stammenden Finanzfrau zusammen. Aussergewöhnlich auch: Als Heimat hat sich die Star-Investorin ausgerechnet die in Sachen Asset Management als eher unterentwickelt geltende Schweiz ausgesucht.
Schroders mit im Boot
Letzten Januar gründete sie hier gar ihre eigene Firma Systematica Investments. Vom Hauptquartier in Genf aus und mit 100 Angestellten in New Jersey, Genf, New York, London und Singapur führt Braga ‹Bluetrend›: Ein Trendfolge-Hedgefonds, der auf Algorithmen-gestützten Quant-Strategien basiert und mittlerweile 8,7 Milliarden Dollar an Kundengeldern verwaltet.
Um Aufmerksamkeit muss sich Braga, die im Jahr 2001 von Hedge-Milliardär Michael Platt in die Rhonestadt geschickt wurde, auch hierzulande nicht beklagen. So bemühte sich das in der Schweiz prominent aufgestellte britische Fondshaus Schroders um eine Partnerschaft mit Systematica – und stellte kürzlich an einer «Roadshow» ein erstes gemeinsames Produkt vor.
Bloss kein Starrummel
Am Anlass, beim dem auch finews.ch zugegen war, machte die hochgewachsene Blondine ihrem Ruf alle Ehre: Nämlich, dass ihr jeder Starrummel peinlich ist. Engagiert diskutierte sie mit dem Finanz-Publikum in Zürich, ging auf jede Frage geduldig ein, und stellte ihr eigenes Licht wiederholt unter den Scheffel.
Ihr Team, scherzte Braga etwa, wisse meist viel besser Bescheid als sie. «Die kennen sich mit Technologien aus, die ich mir nicht einmal im Traum vorstellen könnte.» Chefin bei Systematica sei sie nur deshalb, «weil die anderen mich lassen».
«Alle gerieten in Panik»
Dennoch: Es ist Braga, die in der Branche als Genie gilt. Diesen Ruf erlangte sie 2008, als das Finanzsystem weltweit in die Krise stürzte und Anlagen sämtliche Klassen mit sich sich in die Tiefe riss. Nicht so der Bluetrend-Fonds der Brasilianerin: Dieser erzielte im Krisenjahr eine Performance von 43 Prozent.
Vor dem Publikum in Zürich erklärte Braga nun erstmals, wie sie und ihr Team den «guten Lauf» von damals zuwege brachten.
«Der Nachrichtenfluss explodierte. Alle um uns herum schienen in Panik zu geraten», so die Finanzexpertin. Das bewirkte, dass einige Teammitglieder das Risiko im Investment-Prozess reduzieren wollten. Braga stellte die Kollegen zur Rede. «Ich fragte nach Fakten, welche unseren Anlage-Hypothesen widersprechen würden,» sagte Braga. «Dann prüften wir Fakten und Datenmaterial – und fanden kaum etwas.»
Ferien abgesagt
Das einzige, was bei Bluetrend dann geändert wurde, war die Ferienplanung. «Ich bat mein Team, den Urlaub für 2008 zu verschieben, damit wir alle auf Deck sein konnten», so Braga. «Es war eine stressige Zeit», gab die Finanzexpertin im Nachhinein zu.
Doch Bragas Team gewann – und lernte die Lektion für künftige Krisen. «Wir wussten nun, dass wir besser so selten wie möglich an unseren Algorithmen schrauben.» Daran hält Systematica auch heute noch fest. In einem ganzen Jahr würden höchstens vier grössere Änderungen am System vorgenommen, erklärt die Hedgefonds-Chefin. Leicht falle die Zurückhaltung gegenüber der «Maschine» nicht, gibt Braga selber zu. Mittlerweile würden auch Studien zeigen, dass Menschen den Entscheid eines Computers immer noch selber abändern wollten.
Lohnende Abstinenz
Die Abstinenz von solchen Übergriffen lohnt sich indes für Bluetrend. Die Jahresperformance liegt im Schnitt bei über 11 Prozent; im schwierigen 2015 fuhr der Hedgefonds bisher knapp 6 Prozent Rendite ein. Alle Entscheide müssten bei Systematica deshalb mit Daten und Prozessen abgestützt werden, erklärte Braga weiter.
Sie selber ist überzeugt, dass das für die Branche der Weg in die Zukunft ist. «Die meisten Investment-Manager werden in zehn Jahren so funktionieren.»
Wie ein Fintech-Startup
Entsprechend ist Systematica eher wie ein Fintech-Startup als ein herkömmlicher Asset Manager aufgestellt. Der Technologie-Bereich wird intern als eigene Sparte geführt, die Hierarchien sind flach. Jungen Mitarbeitern werde schnell Verantwortung zugebilligt, sagte Braga, die in der amerikanischen Grossbank J.P. Morgan ihre Karriere startete.
Diese Arbeitsweise vertrage sich besonders gut mit dem Umfeld in der Schweiz, wo rund 50 Mitarbeitende tätig sind, sagte die Finanz-Unternehmerin. «Die Lebens- und Arbeitssituation hierzulande wird sehr geschätzt», sagt die Brasilianerin.
Nicht wenige im Publikum verstanden dies indes als Fingerzeig: Sollte es den Top-Hedgefonds-Managern in der Schweiz einmal nicht mehr gefallen, sind sie ganz schnell weg.