Der frühere Chef des US-Versicherungskonzerns AIG verklagte den amerikanischen Staat für die Rettung des Unternehmens während der Finanzkrise. Und bekam nun überraschend recht. Im absurd anmutenden Kampf spielte die Schweiz eine nicht unwichtige Rolle.
Maurice Raymond «Hank» Greenberg (Bild) ist es sich gewohnt, zu kämpfen. Damit begann der Sohn eines jüdischen Taxifahrers und einer Kosmetikerin als GI bei der Landung der US-Truppen in der Normandie. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte er seinen Kampf ins Finanzwesen.
Unter seiner Ägide wuchs die amerikanische AIG zum grössten Versicherungskonzern der Welt heran. Im Jahr 2005 musste Greenberg wegen eines Bilanzskandals als CEO des Unternehmens zurücktreten. Damals war der Konzerns allerdings längst ins boomende Geschäft mit Kreditversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) eingestiegen.
Am Rande des Abgrunds
Ein Schachzug, der AIG und letztlich das globale Finanzsystem im Jahr 2008 an den Rand des Abgrunds brachte. Der amerikanische Staat musste dem Finanzgiganten mit nicht weniger als 85 Milliarden Dollar zu Hilfe eilen, sonst wäre das Unternehmen kollabiert.
Im Jahr 2011 dann die grosse Überraschung: Greenbergs verklagte die USA für eben diese Rettung auf mindestens 40 Milliarden Dollar. Sein Vorwurf: Der Staat habe bei den Bedingungen für die Nothilfe gegen das Gesetz verstossen und damit die AIG-Aktionäre – darunter ihn selber – massiv geschädigt.
Ben Bernanke auf dem Grill
Die USA mussten schnell lernen, dass sie die Klage nicht einfach als schlechten Witz abtun konnten. Denn Greenberg gewann im Prozess ein Gefecht nach dem anderen. Seine Anwälte «grillten» im Kreuzverhör so wichtige Amtsträger wie den ehemaligen Notenbank-Präsidenten Ben Bernanke oder den früheren Finanzminister Timothy Geithner.
Gegen Greenberg erlitt die Grossmacht, die sogar das als «unverhandelbar» geltende Schweizer Bankgeheimnis innert weniger Jahre bodigte, nun endgültig eine Niederlage. Wie unter anderem die Agentur «Bloomberg» berichtet, gab ein Gericht in Washington am Montag Greenberg recht.
Neuerliche Reise in die Schweiz
Für den inzwischen 90-Jährigen ist es allerdings ein Phyrrussieg. Von der erhofften Milliarden-Entschädigung sieht er keinen Dollar. Denn der Richter argumentierte wohl stichhaltig, dass Greenberg und die anderen AIG-Aktionäre ohne das Eingreifen des Staats einen Totalverlust erlitten hätten.
Entsprechend gibt sich Greenberg unzufrieden mit dem Urteil. Und es wird sich weisen, ob er weiter kämpft.
Kommt es dazu, wird der streitbare Wall-Street-Doyen bald wieder in die Schweiz reisen. In Flims-Waldhaus besitzt Greenberg nämlich eine bescheidene Dreizimmerwohnung. Hierher kehrt der Ex-AIG-Chef immer wieder zurück, um Kraft zu tanken für seine Feldzüge, und um gleichzeitig sein hiesiges Beziehungsnetz aufzufrischen.
Grosse Pläne mit Zürcher Bank
Mit der Schweiz ist Greenberg seit Jahrzehnten verbunden. Im Jahr 1965 gründete er in Zürich die Übersee Bank, wo er Firmenvermögen bunkerte, das auf der Höhe der Kubakrise ausser Landes gebracht worden war.
Aus dem kleinen Institut mit anfänglich vier Angestellten wurde später die international tätige AIG Private Bank, für die Greenberg höchstpersönlich ein Kundengeld-Ziel von 100 Milliarden Franken formulierte. Rund 35 Milliarden Franken verwaltete das Institut, als es 2008 wegen der Schieflage des Mutterhauses an Aabar Investments aus Abu Dhabi verkauft wurde. Seit 2009 firmiert das Geldhaus als Falcon Private Bank.
Derweil wurde der AIG-Versicherungsarm in der Schweiz in die neu gegründete AIG-Tochter Chartis integriert.
Lob der Schweizer Regierung
Doch Greenberg blieb der Schweiz treu. In Zug domiziliert ist immer noch ein dichtes Geflecht an Firmen seiner Beteilungsgesellschaft CV Starr, darunter die Starr International Foundation – eine wohltätige Stiftung.
«Ich mag die Leute, die Landschaft, das Skifahren und nicht zuletzt die geordnete Art, wie die Regierung das Land führt», sagte Greenberg einst gegenüber der Schweizer «Handelszeitung». Mit den USA scheint der Wall-Street-Kämpe derzeit etwas mehr Mühe zu bekunden.