Die UBS ist nicht nur die grösste Vermögensverwalterin in Asien, sondern auch eine der wenigen Banken, die derzeit Preiserhöhungen durchsetzen kann.
Als Edmund Koh (Bild) im September 2011 bei der UBS in Singapur seinen Arbeitsvertrag unterschreiben ging, benützte er den Hintereingang am One Raffles Quay. Denn am Tag zuvor hatte der UBS-Händler Kweku Adoboli in London der Schweizer Grossbank einen betrügerischen Spekulationsverlust in Milliardenhöhe eingebrockt.
Imagemässig war die UBS wieder einmal ganz unten angelangt, und ausgerechnet an dem Tag sollte Koh seine neue Anstellung als CEO Wealth Management (Singapore & APAC Hub) sowie als Länderchef Singapur mit seiner Unterschrift besiegeln. «Meine Freunde fanden, ich sei verrückt», erinnert sich Koh im Gespräch mit finews.ch. «Doch ich entgegnete ihnen, noch tiefer könne die Bank nicht mehr fallen», sagt der gebürtige Singapurer mit einem Schmunzeln.
Sagenhafte Zielstrebigkeit
Drei Jahre später verkörpert der heute 51-jährige Koh auf seine Weise das Antlitz der neuen UBS in Asien. Eine Bank, die zielstrebig den Weg aus den Krisen der jüngeren Vergangenheit gefunden hat und heute unangefochten die Nummer eins in der Verwaltung privater Vermögen ist.
Dass dem so ist, hat heute immer weniger mit dem schweizerischen Verständnis des Bankwesens zu tun, als vielmehr mit einem Denken und Funktionieren, wie es eben einem Edmund Koh eigen ist: aufrichtig, selbstkritisch, gut informiert und ständig beseelt vom Willen, das Geleistete noch zu verbessern. Mit dem Konsensdenken der Schweizer könne man in einem autokratischen System wie in Singapur eher wenig anfangen, gesteht Koh beispielsweise.
Hier gebe es klare Befehlsausgaben. Die Leute in Singapur seien sich das gewohnt, sie seien in gewisser Weise sehr dogmatisch. Das hat nicht zuletzt mit der einzigartigen Erfolgsgeschichte Singapurs zu tun, die der «Autokrat» und Staatsgründer Lee Kuan Yew in den vergangenen gut fünfzig Jahren gestaltet hat.
Erstes Berufsziel Psychologe
Ursprünglich wollte Koh gar nicht Banker werden, sondern studierte Psychologie in Kanada. Doch das Unternehmerische, das bereits seinen Vater im Leben beseelt hatte, nahm dann Überhand und führte dazu, dass Edmund Koh eine steile Karriere in der Finanzbranche einschlug, die inzwischen 27 Jahre dauert und ihn über die lokale DBS Bank, die Citigroup und die taiwanesische Ta Chong Bank schliesslich zur UBS führte, wie er im Gespräch weiter erklärt.
Es war seinerzeit Oswald Grübel, mit dem er seine ersten Gespräche über eine Anstellung bei der UBS führte. Grübel zog später die Konsequenzen aus dem Adoboli-Fiasko und trat zurück; an seine Stelle als CEO kam Sergio Ermotti. Als Koh bei seinem Bewerbungsgespräch von Grübel gefragt wurde, welche drei Ziele er sich setzte, antwortete der Kandidat zielstrebig.
Lexus oder E-Klasse
Erstens müsse die UBS wieder zu dem werden, was sie einmal war – nämlich die führende Bank in der Vermögensverwaltung; sozusagen der Lexus von Toyota, die E-Klasse von Mercedes. Zweitens müsse das Beratungsangebot der Bank einen Mehrwert bieten, so dass es auch monetarisiert werden könne. Und drittens seien die Kosten zwar im Griff zu behalten, doch dürfe die Kontrolle nie zu Lasten der Investitionen gehen.
Vier Jahre nach diesem wegweisenden Gespräch steht die UBS in Singapur genau dort, wo sie hin wollte: Sie ist die unangefochtene Nummer eins der Vermögensverwaltung in Asien, wie auch dem jüngsten Leistungsausweis zu entnehmen ist. Sie investiert in neue Mitarbeiter und kann darüber hinaus sogar Preiserhöhungen durchsetzen, wie mehrere vermögende Privatkunden in Asien mit Blick auf ihre Vermögensverwaltungsmandate bestätigen. Vielleicht ist dies sogar der beste Indikator für die Verfassung einer Bank.
Im Olymp angelangt
Dass es die UBS so weit gebracht hat, hängt zum einen sicherlich damit zusammen, dass die Firma respektive ihre Vorgängerorganisationen (Bankgesellschaft und Bankverein) bereits vor 51 Jahren in Asien Fuss fassten, zuerst in Hongkong, kurz darauf in Singapur. So nahmen die beiden Institute frühzeitig an einer fulminanten Entwicklung teil, die Hongkong und Singapur zu den beiden führenden Finanzplätzen in der prosperierenden Region Asien machte.
Zum 50-jährigen Bestehen in Asien (Bild) im vergangenen Herbst enthüllte die Schweizer Grossbank zuoberst am UBS Tower in Singapur erstmals ihr Logo. So hat sie es nunmehr auch optisch in den Olymp der fernöstlichen Finanzwelt geschafft. An der Bank ist seit der Finanzkrise wie erinnerlich auch der Staatsfonds, die Government of Singapur Investment Corporation, mit aktuell rund 7 Prozent beteiligt.
Neues Ansehen gewinnen
Edmund Koh bleibt allerdings selbstkritisch, wenn er über die Zukunft des Bankwesens reflektiert – so sagt er etwa: Bankmanager müssten sich neuen Respekt verschaffen, wieder weniger überschwänglich sein, bescheiden werden und ihren Beruf vermehrt in den Dienst der Wirtschaft stellen – neues Ansehen gewinnen mit der Beratung von Kunden, statt mit der Spekulation an den Finanzmärkten.
Solche Worte lassen aufhorchen, weil sie genau an die Werte und Tugenden der Vorgänger anknüpfen, die vor gut einem halben Jahrhundert erstmals ihren Fuss auf asiatischen Boden setzen. Und Koh sagt auch: «Die Erträge werden in Zukunft grossen Schwankungen ausgesetzt bleiben, und die Löhne werden im Durschnitt sinken.»
Lokale Gepflogenheiten
In Asien ist die UBS wohl die einzige Bank, die so konsequent auf einheimische Kräfte setzt und zwar bis hinauf ins Top-Management. Während andere Finanzkonzerne auf der Chefetage immer noch Statthalter aus dem Heimmarkt inthronisieren, funktioniert die UBS mit asiatischen Chefs. Oberste Vermögensverwalterin ist Kathryn Shih, Chefin für den chinesischen Markt im weitesten Sinn ist Amy Lo, und Koh operiert von Singapur aus. Für ihn ist es zentral, dass die UBS eine solche Praxis verfolgt. So sei garantiert, dass die lokalen Gepflogenheiten, deren Nuancen viele Europäer gar nicht kennen, auch richtig aufgefasst würden.
Koh sagt in diesem Zusammenhang auch: «Wenn Sie in Asien nicht mit der richtigen Person sprechen, kommen Sie nie an Ihr Ziel. Das bedingt, dass Sie genau wissen, wer der richtige Gesprächspartner für Sie ist.» In der asiatischen Kultur, die mindestens so heterogen ist wie der Kulturmix in Europa, ist dies zweifelsohne kein einfaches Unterfangen. Für eine Bank wie die UBS sei es zudem sehr wichtig, das politische System in den verschiedenen Staaten Asiens zu kennen, unterstreicht Koh, und zwar auch angesichts der zahlreichen regulatorischen Veränderungen, die seit der Finanzkrise auf die Branche niederprasseln.
Alles bleibt anders
Als enorme Herausforderung erweist sich dabei die Tatsache, dass der Gesetzesrahmen von Land zu Land verschieden ist, und man darüber hinaus nicht überall die gleichen Gesprächspartner hat. Mal seien es Politiker, mal Vertreter von Behörden, erläutert Koh. In Singapur etwa ist das Finanzministerium eine Art Superbehörde, der die Notenbank, die Bankenaufsicht und die Lobby-Organisation (ähnlich der Schweizerischen Bankiervereinigung) unterstellt sind. In Hongkong wiederum sind diese Institutionen dezentral organisiert.
Vor diesem Hintergrund sei es umso wichtiger, die jeweilige Konstellation zu kennen, unterstreicht Koh, und erwähnt etwa die geplante Einführung des Automatischen Informationsaustauschs (AIA) in wenigen Jahren. Die entsprechenden Anfragen werden dannzumal je nach Land von unterschiedlichen Behörden bearbeitet werden. Koh geht davon aus, dass mit dem AIA auch in Singapur bis zu 20 Prozent der Kundenvermögen abfliessen könnten, weil Kunden entweder ihre Depots anderswohin verschieben oder vor der Einführung des AIA noch deklarieren.
Auf den Schultern der Riesen
Davon dürfte die UBS allerdings kaum tangiert sein. Andere Banken hingegen werden auf Grund dieser Entwicklung gehörig unter Druck geraten, zumal sie dann nicht mehr die kritische Masse erreichen. Damit wird der Traum der vermeintlich uferlosen Expansion in Fernost ein Ende finden.
Mit ihren nunmehr 269 Milliarden Franken an investierten Geldern und ihren 1'186 Kundenberatern in der Region befindet sich die UBS in einer komfortablen Lage. Trotzdem warnt Koh eindringlich davor, übermütig zu werden. «Wir dürfen nie vergessen, dass wir auf den Schultern von Riesen stehen», sagt der UBS-Banker und zitiert damit eine Erkenntnis aus dem 12. Jahrhundert, die gut zum Ausdruck bringt, dass man trotz allem Fortschritt dem Vermächtnis der Vorgänger stets den nötigen Respekt zollen sollte.
Das Gespräch mit Edmund Koh fand im Rahmen von «stars – the symposium for the leaders of the next generation» in Singapur statt.