Die Schweizer Privatbanken waren im Kalten Krieg bei kommunistischen Parteikadern höchst beliebte Geschäftspartner. Diese Vergangenheit holt nun auch Julius Bär ein.
Sie war zwar schon untergegangen, die Deutsche Demokratische Republik (DDR), aber sie hatte noch immer ihre Geheimnisse – oder vielmehr ihre Geheimkonten.
Eines davon lag bei der Schweizer UBS-Tochter Cantrade: Nach dem Mauerfall wurde zwischen 1989 und 1992 «das Konto von ehemaligen DDR-Offiziellen klammheimlich leergeräumt», wie ein Sprecher der deutschen Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) gegenüber finews.ch sagte. Die BVS hat die Aufgabe, verschwundene DDR-Vermögen wieder aufzuspüren.
Am Rande der Pleite
Es sind keine Kinkerlitzchen: Deutschland verlangt die Rückzahlung von 110 Millionen Franken plus seit 2009 aufgelaufene Zinsen. Und zahlen soll es die Bank Julius Bär. Denn diese schluckte 2005 die Cantrade, nachdem sie die Privatbankengruppe Bank Ehinger & Armand von Ernst von der UBS übernommen hatte.
In den Jahren des Kalten Kriegs hatte die Cantrade, die seit 1960 zur SBG gehörte, Beziehungen zur DDR gepflegt. Im neusten Halbjahresbericht von Julius Bär ist nun die Rede von einer Exportfirma, die ein Cantrade-Konto hatte. Tatsächlich führte die DDR in ihrem Ministerium für Aussenhandel den Bereich Kommerzielle Koordinierung, der für die Devisenbeschaffung der ständig am Rande der Pleite stehenden sozialistischen Republik zuständig war.
Russische Waffen für Devisen
Hauptquelle für Devisen war in den letzten Jahren des Regimes der Waffenhandel: Die DDR verhökerte von Moskau bezogenes Kriegsmaterial – auch an den Klassenfeind aus den USA, wenn es sein musste.
In solche Waffendeals war auch die Bank Cantrade verwickelt, wie das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» auf der Basis von Stasi-Berichten schon 1992 geschrieben hatte. Ob es sich beim betreffenden Konto um jenes einer DDR-Waffenhandelsfirma handelte, wollte die BVS gegenüber finews.ch nicht bestätigen. Es handle sich um ein laufendes Verfahren. Die BVS hatte die Rückzahlung von Julius Bär erstmals 2012 gefordert.
Julius Bär will nicht zahlen
Die Behörde prüfe gegen Julius Bär eine Klage, so der Sprecher. Für sie ist der Fall klar: Cantrade hätte verhindern müssen, dass Vertreter der ehemaligen DDR zwischen 1989 und 1992 zig Millionen in die eigene Tasche steckten. Während dieses Zeitraums stand die Bank Cantrade übrigens unter der operativen Leitung von Bruno Gehrig.
Julius Bär will dem Betreibungsbegehren der BVS allerdings nicht stattgeben, eine Einigung vor dem Friedensrichter ist bereits gescheitert. Die Bank werde die erforderlichen Massnahmen ergreifen, um ihre Interessen zu wahren, heisst es.
Deutschland schon einmal erfolgreich
Weil die Bank Cantrade erst im Rahmen der Transaktion von 2005 zu Julius Bär stiess, fühlt man sich bei Julius Bär für diesen Fall nicht zuständig. Eher wäre es die UBS. Diese wurde denn auch schon von Julius Bär auf diese Forderung aufmerksam gemacht – «im Rahmen der mit Bezug auf die erworbenen Gesellschaften abgegebenen Zusicherungen», wie die Bank schreibt.
Eine Klage der BVS ist durchaus denkbar, wie auch ein späterer Erfolg vor Gericht. Vergangenes Jahr wies das Schweizer Bundesgericht die Bank Austria an, 254 Millionen Euro Ex-DDR-Gelder an Deutschland zu zahlen.
Ihre Tochterbank in Zürich, die 2013 von der IHAG übernommene AKB Privatbank, führte ein Konto mit Geldern von DDR-Devisenbeschaffungs-Firmen, welches von der Treuhänderin nach 1989 ebenfalls geplündert worden war.