Goldman Sachs kann das Sprechverbot in den Aufzügen aufheben. Der Unbekannte, der jahrelang angeblich im Lift aufgeschnappte Sprüche der Bankangestellten über Twitter verbreitete, ist enttarnt.
Unter dem Account @GSElevator hatte der Anonymus seit 2011 Sprüche und Anekdoten hinausgewittert, wie sie in Aufzügen und beim Kaffeetrinken in einer Pause zwischen Bankangestellten täglich fallen.
Diese Sprüche bedienten alle Klischees, die sich die breite Öffentlichkeit von Bankern, insbesondere von Goldman Sachs, so machen. Er zeichnete das Bild von arroganten, herablassenden und zynischen Menschen, deren Gedanken in erster Linie um viel Geld, schöne Frauen und regelmässigen Alkoholkonsum kreisen.
Aus verständlichen Gründen war Goldman Sachs über diese Art von News nicht erfreut und erliess ein Sprechverbot in den Aufzügen. Da die Bank hinter dem Account einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen vermutete, leitete sie auch eine interne Untersuchung ein, um der Plaudertasche habhaft zu werden.
Zeitung deckt Identität auf
Nun enthüllte die «New York Times» die Identität des Spassvogels, und bei Goldman Sachs kann man aufatmen: Der Anonymus war keiner von ihnen, und die Nachrichten, die er angeblich in den Aufzügen aufgeschnappt hatte, sind reine Fiktion.
Bei dem geheimnisvollen Twitterer, der kürzlich sogar einen lukrativen Buchdeal an Land zog, handelt es sich um den 34-jährigen John Lefevre aus Texas. Er war nie für Goldman Sachs tätig, soll aber gemäss der Zeitung im August 2010 von der US-Investmenbank ein Stellenagebot in Hongkong erhalten haben, das aber später annuliert worden sein soll.
Dennoch verfügt er als ehemaliger Mitarbeiter bei der Citibank über einschlägige und langjährige Kenntnisse über die Finanzbranche.
Tweets sollen authentisch sein
Nach Angaben der Zeitung entstand die Idee zu dem Twitter-Account bei einem Barbesuch im Herbst 2011. Mit einem Freund habe Lefevre gerätselt, was die Leute an einem seinerzeit populären Twitter-Auftritt über die Fahrstuhlgespräche im Medienkonzern Condé Nast so interessant fänden - und ob all die sexistischen, elitären und abgehobenen Dinge, die sich Banker erzählten, nicht viel spannender wären.
Lefevre betont dem Bericht zufolge, auf Twitter niemals explizit behauptet zu haben, er arbeite tatsächlich bei Goldman Sachs. Die Inhalte seiner Tweets seien jedoch trotz allem zum Grossteil authentisch, so der Ex-Banker, der die Citigroup 2008 verliess, um in Hongkong bei einem Start-up einzusteigen. Er habe das Material über Jahre gesammelt.
Hass-Liebe zu Goldman Sachs
Dass er Goldman Sachs als Opfer ausgesucht hat, lag für Lefevre nahe: Goldman Sachs habe entweder eine Liebe- oder Hass-Wirkung auf die Menschen. Seine Enttarnung hatte Lefevre den eigenen Angaben zufolge bereits seit einiger Zeit erwartet.