Warum Jerome Powell erstmal den Sphinx geben wird
Im Vergleich zum politischen Beben, dass die ersten Tage der neuen Administration von Donald Trump bedeutet haben, dürfte die erste Zinsentscheidung des Federal Reserve unter den neuen Machtverhältnissen am heutigen Mittwochabend zum Non-Event werden. Doch Schlüsse werden daraus trotzdem zu ziehen sein.
Dass die US-Notenbank mit ihrem Präsidenten Jerome Powell auf eine Konfrontation mit Donald Trump zusteuert, dürfte nach dessen gewohnt brüsken Bemerkungen in der vergangenen Woche auch dem letzten Beobachter klar geworden sein.
Unverhohlen kritisierte Trump in den Medien nicht nur den zinspolitischen Kurs, er stellte auch gleich einmal Powells Sachkenntnis in Abrede. «Ich glaube, ich kenne die Zinsen viel besser als sie (das Fed), und ich kenne sie sicherlich viel besser als die Person, die hauptsächlich für diese Entscheidung verantwortlich ist», sagte der neue US-Präsident. «Ich würde es gerne sehen, dass (die Zinsen) stark gesenkt werden.»
Im Gegensatz dazu hat sich Powell bisher immer extrem wortkarg gezeigt, wenn er nach Trump gefragt wurde. So beantwortete er etwa kurz nach der Wahl im November die Fragen danach, ob er zurücktreten werde und ob Trump ihn absetzen könne, jeweils nur mit einem knappen «Nein».
Unabhängigkeit demonstrieren
Und doch erhöhen die klar formulierten Forderungen Trumps nach tieferen Zinsen den Druck. Denn Powell und die Notenbank müssen nun gegenüber der Öffentlichkeit und den Märkten ihre Unabhängigkeit demonstrieren. Das Powell an der heutigen Pressekonferenz mit einsilbigen Antworten zur Politik der neuen Regierung davonkommen wird, darf bezweifelt werden.
In den vergangenen Monaten waren die Erwartungen der Volkswirte und Finanzmärkte in Bezug auf weitere US-Zinssenkungen stark zurückgegangen. Die Inflation hat sich nicht in dem Masse weiter abgeschwächt, wie es zuvor erwartet wurde. Die Konjunktur ist weiter stark, und auch der Arbeitsmarkt zeigt keine klare Abschwächung.
Für das Gesamtjahr wird im Konsens nur noch eine Senkung der Spanne für den Leitzins um 50 Basispunkte erwartet. Und es gibt nicht wenige Ökonomen, die einen völligen Verzicht auf weitere Senkungen für möglich halten. Ein Schritt bei der jetzigen Januarsitzung wäre damit eine faustdicke Überraschung.
Reaktiv den Daten folgen
Erwartet wird, das Powell und der Offenmarktausschuss darauf verweisen werden, dass man künftig Entscheidungen weiter datenbasiert treffen wird. Auch die steigenden Unsicherheiten werden ein Thema sein und als Begründung für vorsichtiges und eher reaktives Agieren dienen. Er wird also eher die Rolle des Sphinx einnehmen: Schweigend, unbeweglich und etwas rätselhaft.
Dass die Inflationserwartungen für die kommenden Monate durch die Pläne der Trump-Regierung eher schwieriger geworden sind, ist allen Beobachtern klar. Deregulierung, Steuersenkungen, Zölle und andere Handelsbarrieren sowie die massenhafte Abschiebung von Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung werden die Wirtschaft in unterschiedliche Richtungen zerren. Welche Wirkung die trumpsche Quadratur des Kreises am Ende entfalten wird, ist kaum abzuschätzen.
Powell wird also gar nicht versuchen, mit der Zinspolitik mögliche Entwicklungen zu antizipieren, schlichtweg weil das kaum möglich ist. Für ihn bedeutet das auch, dass es schwieriger wird, den Märkten eine klare geldpolitische Orientierung zu liefern.
Blitzableiterfunktion
Und bei allem Gepolter des neuen Präsidenten: Trump weiss ganz genau, dass Powell auch für ihn eine wichtige Blitzableiterfunktion übernehmen kann. Unabhängige Notenbanken können zwar unbequem sein, sie dienen der Politik aber immer auch gerne als Sündenbock.
Und eine wichtige Lehre konnte man auch aus der verfehlten Geldpolitik in der Türkei ziehen. Je mehr Präsident Recep Tayyip Erdoğan der Notenbank ins Handwerk pfuschte und den Kurs bestimmte, desto mehr Verantwortung für negative Folgen landeten auf seiner Türschwelle. Das hat das Vertrauen der Märkte untergraben und die Inflation angeheizt.
Ziel für gute Ratschläge
Und solange sich Powell, der ja damals noch von Trump in seiner ersten Amtszeit berufen wurde, als unabhängiger Geist gebärdet, kann er auch weiter als Ziel für die «guten Ratschläge» des Präsidenten herhalten. Jede Äusserung von ihm Richtung Fed landet reflexartig als Schlagzeile sofort auf allen Medienkanälen. Ob dass dann auch nur das geringste Ergebnis liefert, ist dabei zweitrangig.
Powell hat die US-Wirtschaft im vergangenen Jahr erfolgreich zu einer sogenannten «sanften Landung» geführt – er konnte den Preisanstieg bremsen, ohne eine Rezession auszulösen.
Eine Absetzung Powells vor Ende seiner Amtszeit im Mai 2026 dürfte damit nicht ein vorrangiges Ziel von Trump sein. Die Nachfolge fällt dann wieder in seine Verantwortung.