Es war weniger harte Arbeit als vielmehr die Schwäche des Wettbewerbers Paris, der die Londoner Stock Exchange wieder zum grössten europäischen Aktienmarkt gemacht hat. Die von Präsident Emmanuel Macron überraschend ausgerufenen Neuwahlen haben den Marktwert der in Paris kotierten Unternehmen belastet.
Paris hat seinen Platz als grösster europäischer Aktienmarkt wieder an London verloren. Die von Präsident Emmanuel Macron für Ende Juni angesetzten Neuwahlen haben die französischen Aktienwerte belastet. Insbesondere die Banken, die viele französische Staatsanleihen halten, hatten in der vergangenen Woche rund 10 Prozent an Wert verloren. Dazu gehörten etwa Société Générale, BNP Paribas und Credit Agricole.
Insgesamt sei die Marktkapitalisierung der in Paris gelisteten Unternehmen in der vergangenen Woche um rund 258 Milliarden Dollar gesunken, schreibt die Nachrichtenagentur «Bloomberg».
London kommt auf 3,18 Billionen Dollar
Der Gesamtwert der französischen Aktien beläuft sich demnach nun auf 3,13 Billionen Dollar und liegt damit knapp hinter dem des Vereinigten Königreichs mit 3,18 Billionen Dollar.
«Wir befinden uns in einer Phase, in der es für drei bis vier Wochen keine Gewissheiten gibt und der Markt leider instabiler werden könnte», wird Alberto Tocchio zitiert, ein Portfoliomanager bei Kairos Partners.
Der Pariser Leitindex CAC-40 hat seine gesamten Gewinne für 2024 wieder eingebüsst. Vor rund einem Monat hatte er bei 8'259 Punkten ein Rekordhoch markiert. Aktuell notiert er bei 7'534 Punkten.
Grossbritannien dürfte vor Regierungswechsel stehen
Aber auch Grossbritannien steckt mitten im Wahlkampf. Bei der von Premierminister Rishi Sunak für den 4. Juli angesetzten Wahl zum Unterhaus wird ein deutlicher Sieg der oppositionellen Labour Party unter Keir Starmer erwartet. Damit dürfte die Regierungszeit der konservativen Tories, die das Land seit 14 Jahren führen, zu Ende gehen.
Doch die Unsicherheit hält sich hier in Grenzen. Das Partei-Manifest von Labour ist verglichen mit früheren Wahlprogrammen wirtschaftsfreundlich.
Gutes Sektorprofil britischer Werte
Zudem haben die Aussichten auf eine Belebung der Weltwirtschaft und wieder zunehmende Fusionsaktivitäten auf die an der LSE gelisteten teils sehr international ausgerichteten Werte einen positiveren Einfluss.
«Wir mögen britische Aktien aus Bewertungsgründen, aber auch zur Diversifizierung des Portfolios aufgrund ihres attraktiven Sektorprofils», sagt Ulrich Urbahn von der Bank Berenberg. «Hinzu kommt, dass die politische Unsicherheit anderswo grösser zu sein scheint, zumindest im Moment.»
Allzeithoch im Mai
Der FTSE 100 Index hat im Mai ein Allzeithoch erreicht, angetrieben von exportabhängigen Aktien wie Shell, Unilever oder dem Triebwerkhersteller Rolls-Royce. Er hat sich in den vergangenen drei Monaten weitaus besser entwickelt als der Euro Stoxx-50-Index.
Im weltweiten Vergleich ist Grossbritannien nun der sechstgrösste Aktienmarkt. Die ersten Plätze belegen die USA, Festland-China mit den Märkten Shanghai und Shenzhen und Japan. Bereits zu Jahresbeginn hatte Indien Hongkong vom vierten Platz verdrängt.