Andréa Maechler war die erste Frau im Direktorium der SNB. Seit vergangenem Herbst ist sie Vizechefin der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. In einem Interview sprach sie nun über die Bankenkrise im vergangenen Jahr, Cyberrisiken und Tokenisierung.

Der Schweizer Politik und der Notenbank will Andréa Maechler keine Ratschläge darüber erteilen, welche Lehren aus der Credit-Suisse-Krise zu ziehen sind. Sie hat seit ihrem Wechsel zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel einen neuen Hut auf, und muss entsprechend in grossteiligeren Kategorien denken.

Doch in ihren früheren Amt hat sie die Ereignisse vom März 2023 aus der ersten Reihe verfolgt. «Die Zusammenarbeit zwischen den internationalen Aufsichtsbehörden hat gut funktioniert, das System war solider vorbereitet als vor zehn Jahren», sagte Maechler in einem Interview mit der «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig).

Und doch hätten sich im vergangenen Jahr im Fall der CS und auch bei den Bankenzusammenbrüchen in den USA international verschiedene Schwachstellen offenbart. «Diese müssen angegangen werden, damit man für künftige Krisen gut gewappnet ist, ob durch Sanierung, Abwicklung oder Fusionen.» Die Bankturbulenzen seien ernüchtern gewesen. «Sie zeigten noch einmal, dass die erste Verteidigungslinie ein solides Risikomanagement und eine solide Unternehmensführung bleiben.»

Graben zwischen Eigenkapital und dessen Marktwert

Eigenkapital bleibe wichtig und es habe sich einmal mehr gezeigt, dass sich zwischen dem für Regulierungszwecke ausgewiesenen Eigenkapital und dessen Marktwert grosse Gräben auftun können.

Auch in Bezug auf die technologische Entwicklung müssten sich Banken und Regulierer auf neue Realitäten einstellen. «Der Fall Credit Suisse hat gezeigt, dass die Notenbanken in einer Krise schnell Liquidität nicht nur in ihrer Heimwährung, sondern auch in Fremdwährungen vergeben können müssen. Und eine international tätige Bank muss künftig viel besser und schneller in der Lage sein, die dafür notwendigen Sicherheiten verwertbar bereitzustellen. Das muss regelmässig operativ getestet werden.»

Eine Bewertung dazu, ob es besser sei, die Bankenaufsicht in der Schweiz – wie in anderen Ländern auch – der Notenbank direkt zu unterstellen, wollte Maechler nicht abgeben. «Ich glaube, es gibt kein ideales System. Die Frage ist, wie die existierenden Systeme interpretiert und umgesetzt werden: Hat jede Aufsichtsbehörde die notwendigen Kompetenzen und Instrumente, und kann sie die auch einsetzen? Steht der politische Wille hinter ihr, und funktioniert die Zusammenarbeit der verschiedenen Organe gut? Da gebe es noch viel zu tun, so die frühere SNB-Direktorin weiter.

Gewählte Lösung war gute Lösung

Der Fall der CS sei das erste Mal gewesen, dass eine systemrelevante Bank unter dem Too-Big-To-Fail-Regime in existenzielle Schwierigkeiten geriet. «Mit der gewählten Lösung ist es zu keiner grösseren Krise in der Schweiz oder im Ausland gekommen.» Das hätte auch anders aussehen können und die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung sei gross gewesen. «So gesehen war, meines Erachtens, die gewählte Lösung eine gute Lösung.»

Maechler sieht derzeit viele Herausforderungen für die Notenbanken und auch die BIZ: Im Finanzsystem, in der Weltwirtschaft und in der Technologie. «Aber die BIZ ist natürlich internationaler. Man muss hier immer global denken.»

Zweistufiges Finanzsystems muss bewahrt werden

Die Zentralbankerin warnt vor den wachsenden Cyberrisiken und Veränderungen im Finanzsystem etwa durch Kryptowährungen. Der technologische Fortschritt bringe viel Innovation. «Die Tokenisierung drängt in den Vordergrund. Sie hat das Potenzial, die nächste Phase zu sein im Trend zur Digitalisierung des Geldes.»
«Kryptowährungen sind sehr unsicher und volatil und stellen ein Risiko dar. Das muss Anlegern bewusst sein.» Der Privatsektor brauche für Innovationen Raum für Kreativität. «Aber irgendwann muss gegebenenfalls die Regulierung eingreifen.»

Das Prinzip des zweistufigen Finanzsystems müsse bewahrt werden. «Geschäftsbanken dürfen zwar Geld schöpfen, aber letztlich müssen sie ihre Transaktionen in Notenbankgeld abwickeln. Nur so kann man gewährleisten, dass ein Franken immer ein Franken ist, egal in welcher Form.»