Mit Teuerung hat in der Schweiz 2023 im Vergleich zum Vorjahr zwar abgenommen. Doch im kollektiven Bewusstsein ist die Inflation jetzt erst so richtig angekommen, wie eine neue Umfrage zeigt.
Schweizerinnen und Schweizer empfinden die Teuerung inzwischen als wichtigstes Thema überhaupt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von der Bankengruppe Raiffeisen, die am Dienstag publiziert wurde. Je nach Einkommen und Vermögen fällt der Grad der Betroffenheit aber unterschiedlich aus – und verschieden sind auch die Wege, wie mit den Folgen der Inflation umgegangen wird.
Immerhin: 97 Prozent der Befragten bewusst, dass die Preise im vergangenen Jahr gestiegen sind. Im Durchschnitt werden die Preissteigerungen dabei als zu hoch eingeschätzt. Nach der Inflationsrate des vergangenen Jahres gefragt, nennen die Befragten im Schnitt einen Wert von 2,6 Prozent. Tatsächlich lag die Teuerung gemessen am Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) im Jahr 2023 jedoch nur bei 2,1 Prozent.
Verzögerte Wahrnehmung
Die Umfrageautoren erklären das damit, dass die Wahrnehmung der tatsächlichen Entwicklung der Teuerung hinterherhinkt. Die Befragten seien von einer weiteren Steigerung ausgegangen. Als mögliche Gründe für ein verzerrtes Bild wird auf die breite Berichterstattung in den Medien sowie auf die deutlich höhere Teuerung im Ausland verwiesen.
Die Befragten musste auch angeben, wie stark sie die Teuerung im vergangenen Jahr empfanden. Auf einer Skala von eins (überhaupt nicht) bis sieben (sehr stark) lag das durchschnittliche Ergebnis mit 4,4 Prozent klar über der mittleren Marke.
Am stärksten spürten die Umfrageteilnehmenden die Teuerung bei den Krankenkassenprämien, gefolgt von den Kosten für Energie und Haushaltsunterhalt, Nahrungsmittel und Verkehr.
Genau hier liegt ein Unterschied in der gefühlten Inflation im Vergleich zu den offiziellen Zahlen des LIK. Im Warenkorb des Index' sind eine Reihe von Haushaltsausgaben nicht enthalten. Dazu zählen etwa just die Krankenkassenprämien, sowie Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge, da diese nicht zu den konsumtiven Ausgaben zählen.
Hoher Wissensstand gegenüber Ausland
Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung weiss zudem, was Inflation ist, und kann den Begriff in eigenen Worten erklären. Korrekte Beschreibungen lieferten bei den 18 bis 29-Jährigen 82 Prozent, bei den über 60-Jährigen 90 Prozent. Bei einer Umfrage im Jahr 2013 habe der Anteil nur bei 78 Prozent gelegen und bei vergleichbaren Umfragen in Frankreich, Italien, Japan oder den USA seien Werte um 60 Prozent herausgekommen, schreibt Raiffeisen.
Wenig überraschend ist, dass die Personen mit tieferen Einkommen von der Inflation härter getroffen werden als jene mit hohem Verdienst. Bei ihnen ist der Anteil, der für Fixkosten und Grundausgaben aufgewandt wird, sichtbar höher. Zudem schmälert die Inflation bei ihnen den möglichen Sparbetrag proportional stärker.
Tiefere Einkommen sparen noch weniger
Das lasse sich auch an den Einzahlungen in die 3. Säule ablesen. So habe die durchschnittliche Einzahlung über alle Einkommensklassen hinweg 2023 bei 5’500 Franken gelegen. Bei Haushalten mit einem Einkommen von 5’000 Franken und weniger pro Monat lag der Wert im Schnitt bei 3’484 Franken. Den Maximalbetrag von aktuell 7’056 Franken zahlten 52 Prozent der Befragten ein.
77 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihre Ausgaben im vergangenen Jahr reduziert haben, um die Teuerung abzufedern. Dabei macht die Umfrage klare Unterschiede aus. So würden beispielsweise Frauen ihre Ausgaben für Bekleidung und Schuhe stärker zurückschrauben als Männer. Personen unter 45 Jahren sparten häufiger bei den Nahrungsmitteln als die 45- bis 79-Jährigen. Und je älter die Befragten waren, desto häufiger verzichteten sie auf Restaurantbesuche und Hotelübernachtungen.
Vermögende schichten um
Bei den Konsequenzen, welche die Menschen auf der Anlageseite aus der aktuellen Inflations-Situation ziehen, öffnet sich erneut die Einkommensschere. Je vermögender eine Person ist, desto eher tendiere sie dazu, ihre Finanzen umzuorganisieren, heisst es weiter. Personen mit höherem Vermögen würden in Umfragen zum Finanzwissen tendenziell besser abschneiden. Bei Personen mit wenig Vermögen herrsche zudem teilweise der Glaube, dass für Geldanlagen viel Kapital nötig sei.
Insgesamt planen 41 Prozent der Befragten keine Änderungen aufgrund der Teuerung. 24 Prozent wollen Geld in Aktien oder Fonds anlegen, und 17 Prozent wollen Geld vom Giro- auf Sparkonten transferieren. Immobilienkäufe (7 Prozent) oder der Erwerb von Gold oder anderen Werten (je 3 Prozent) spielen keine grosse Rolle.
Die Umfrage wurde den Angaben zufolge vom 22. Januar bis zum 1. Februar 2024 durchgeführt, wobei die Autoren 1’015 Personen im Alter von 18 bis 79 Jahren befragen.