Martin Enz, Partner bei der Finad Vermögensberatung, über die Risiken in den Kundenportefeuilles, die Lehren aus der Finanzkrise und die Unabhängigkeit in seinem Job.

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Herr Enz, viele Bankkunden wurden sich erst mit der Finanzkrise bewusst, welche Risiken sie in ihren Portefeuilles hatten. Nun reagieren sie umso vorsichtiger. Was sind die Konsequenzen für Vermögensverwalter?

Viele Privatinvestoren sind verunsichert, weil sie sich mit vielen Risiken gar nicht oder viel zu wenig auseinandergesetzt haben. Ich spreche zum Beispiel von Liquiditäts- und  Gegenparteienrisiken, oder von einem vermeintlichen Kapitalschutz, der am Ende des Tages keiner war.

Deshalb erwarten die Kunden heute zu recht von ihrem Vermögensberater eine alle Risiken umfassende Beratung, und dies mit vollständiger Transparenz. Die Anlageberatung ist dabei bloss ein Teilaspekt. Die Risiken müssen umfassend erkannt, bewertet und bewirtschaftet werden.

Was meinen Sie mit einer umfassenden Risikobewirtschaftung?

Die Sichtweise der Klientel hat sich grundlegend geändert. Den meisten Kunden geht es längst nicht mehr nur um Anlagerisiken, sondern auch um steuerliche und rechtliche Risiken, um Länder- und politische Risiken, wie auch um allfällige Klagen aus geschäftlichen Tätigkeiten.


«Die Anforderungen sind mittlerweile sehr hoch»

Was gehört sonst noch zu einer umfassenden Betreuung?

Es geht darum, sämtliche Vermögenswerte, inklusive Familienunternehmen, Immobilien und beispielsweise auch Kunstsammlungen, zu berücksichtigen und entsprechende Lösungen zu erarbeiten – sei dies zum Beispiel im Rahmen der Vermögensstrukturierung oder -weitergabe. Die Rolle des Finanzberaters einer Familie ist zunehmend vergleichbar mit derjenigen des Finanzchefs einer Firma.

Sind Sie da als Finanzberater nicht überfordert?

Die Anforderungen an die Fachkompetenz für eine integrierte Beratung sind mittlerweile tatsächlich sehr hoch. Angesichts der zunehmenden Komplexität ist es für einen einzelnen Berater auch nicht mehr möglich, sämtliche Aspekte selber abzudecken.


«Mit dem Kunden erarbeiten wir ein Rendite- und Risikoprofil»

Beratung im Team sowie der Zugang zu einem internationalen Netzwerk von Spezialisten entwickeln sich heute immer mehr zu unabdingbaren Voraussetzungen, um einen Kunden sachgerecht zu beraten.

Wie gehen Sie konkret vor, um die jeweiligen Bedürfnisse zu erfassen?

Gemeinsam mit dem Kunden erarbeiten wir ein Rendite- und Risikoprofil. So lässt sich seine Risikofähigkeit, aber auch seine subjektive Risikoneigung ermitteln. Dies geschieht am besten anhand einer Simulation, bei der die Wertentwicklung verschiedener Portefeuilles über beispielsweise die letzten 15 Jahre berechnet wird.


«Natürlich sind diese Projektionen nicht der Weisheit letzter Schluss»

So lässt sich aufzeigen, welche Risiken (Volatilität, grösster historischer Verlust) mit welchem Portefeuille man eingegangen wäre. Anschliessend lässt sich auch ermessen, welche Risiken mit welcher Wahrscheinlichkeit sich in der Zukunft ergeben könnten.

So einfach ist das?

Natürlich sind diese Projektionen nicht der Weisheit letzter Schluss. Sie können sich später auch als falsch erweisen. Aber sie geben dem Kunden immerhin ein Verständnis für die inhärenten Risiken seiner Vermögensanlage. Und sie bilden die Basis für eine adäquate Vermögensallokation.


«Wir verzichten bewusst auf eigene Produkte»

Zudem werden in einem umfangreichen Gespräch die Ausgangslage und Ziele des Kunden mit allen relevanten Fakten erfasst. Das kann aufwendig sein, aber es zahlt sich aus.

Nicht wenige Berater landen bei ihrer Arbeit in einem Konflikt zwischen ihren eigenen Interessen und denjenigen der Kunden. Wie vermeiden Sie dieses Problem?

Wir verzichten bewusst auf eigene Produkte und lassen uns ausschliesslich vom Kunden honorieren. Dort, wo ein Berater sowohl vom Kunden als auch von den jeweiligen Produkt- oder Servicelieferanten honoriert wird, ist der Interessenskonflikt offensichtlich. Auch so genannte Performance Fees sind fallweise kritisch zu hinterfragen.

Warum?

Wenn der Finanzberater beispielsweise ab einer gewissen Mindestrendite mit 20 Prozent an dem für den Kunden erzielten Gewinn beteiligt ist, sind die beiderseitigen Interessen nur scheinbar gleichgerichtet. Denn der Berater kann zu übermässigen Risiken für den Kunden verleitet werden; da er nur ab der vereinbarten Mindestrendite profitiert, während allfällige Verluste ausschliesslich der Kunde trägt.


«Beratung statt Verkauf ist eine wichtige Voraussetzung»

Nochmals, wie lösen Sie dieses Problem?

In den Gesprächen mit den Kunden zeigt sich regelmässig, dass eine unabhängige und integrierte Beratung dem grössten Bedürfnis entspricht. Beratung statt Verkauf, eine Ansprechstelle für die verschiedensten Anliegen, Unabhängigkeit und Kontinuität der Berater – das sind nur einige Voraussetzungen, damit der Kunde einen nachhaltigen Mehrwert erhält.

Und am wichtigsten: Um das Vertrauen des Kunden gewinnen, hilft Transparenz und zumeist auch etwas Bescheidenheit.


Martin_Enz_2Der 50-jährige Martin Enz studierte Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und schloss mit dem Lizentiat ab. Seine Karriere in der Finanzwelt startete er 1987 bei der UBS im Bereich International Capital Markets.

Im Jahr 2000 wechselte er zur Credit Suisse, wo er die Plattform CS Solutions Partners aufbaute. 2007 wechselte er zur CS-Tochter Clariden Leu, wo er für den Aufbau, die Integration und Führung der Business Area «Wealth Management Services» mit rund 100 Mitarbeitern verantwortlich war.

Im Oktober 2009 stiess Enz mit Clemens Gregor undGian-Marco Rinaldi als Partner zur Finad. Er ist zudem in diversen anderen Funktionen aktiv, wie als Fachlehrer für die Wirtschaftswochen der Ernst Schmidheiny Stiftung oder als Referent am Swiss Finance Institute.


Die Finad Vermögensberatung mit Sitz in Zürich wurde 1976 von Alfred Schwarzenbach und Miguel Steiner gegründet. Sie beschäftigt heute insgesamt zehn Personen, darunter sechs Partner. Geschäftszahlen gibt das Unternehmen keine bekannt.

Wachstum ist bei der FINAD gemäss eigenen Angaben kein bestimmendes Unternehmensziel. Ein allfälliger Ausbau erfolgt eher opportunistisch – das Partnerteam und die gemeinsamen Werte müssen stimmen. Sei dies in der Schweiz oder in Märkten, die für international ausgerichtete Kunden Sinn machen.