Schaffen es die Notenbanken die Inflation in den Griff zu bekommen, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu treiben? Die jüngsten Entwicklungen deuten auf weitere Zinssteigerungen in den USA und der Eurozone. Die SNB hat den Luxus, erst einmal abzuwarten.
Der Blick auf die Aktienmärkte der zu Ende gehenden Woche belegt es: Die Investoren rechnen mit weiteren Zinsanhebungen in den USA und in der Eurozone, gleichzeitig haben die Kurse an den Börsen klar nach unten korrigiert. Während das Fed-Sitzungsprotokoll für den Zinspfad handfeste Belege lieferte, gilt für die Eurozone vor allem die weiter deutlich über der Zielmarke liegende Inflation als Beweggrund für eine erneute Anhebung im Juli.
Die «Fed-Minutes», also das Sitzungsprotokoll, hatte gezeigt, dass an der letzten Zinssitzung der US-Notenbank die Mehrheit der Mitglieder des Offenmarkausschuss mindestens einen oder gar zwei weitere Zinsschritte befürwortet. Das war eine bittere Pille für die Zins-Optimisten.
Noch kein Ende in Sicht
Laut der Credit Suisse rechnen die Marktteilnehmer nun über längere Zeit mit erhöhten Zinsen in den USA und preisen eine weitere Zinserhöhung im Juli und eine erste Zinssenkung nicht vor Juni 2024 ein.
Auch der Arbeitsmarktbericht am Donnerstag sorgte für weiteren Druck. Die Zahlen waren deutlich robuster ausgefallen als erwartet. Der US-Privatsektor schaffte knapp eine halbe Million neue Arbeitsplätze. Das war der stärkste Anstieg seit Februar 2022. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der «Aussetzer» der Fed im Juni wirklich nur eine Zinspause war und am 26. Juli wieder eine Anhebung erfolgen wird.
Jordan steht Gewehr bei Fuss
Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte sich der Druck durch die erneut gesunkene Teuerung mit einem Anstieg des Index der Konsumentenpreise auf 1,7 Prozent im Juni von noch 2,2 Prozent im Mai zuletzt abgeschwächt. Damit ist sowohl die Gesamtinflationsrate als auch die Kernrate bis zur Jahresmitte wieder unter die 2-Prozent-Marke zurückgegangen.
SNB-Präsident Thomas Jordan kann sich die Entwicklung noch eine Zeitlang ansehen, bevor das Direktorium im September bei der nächsten anstehenden «Geldpolitischen Lagebeurteilung» eine Entscheidung treffen muss.
SNB-Präsident Thomas Jordan (Bild: Keystone)
Doch wie Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch schreibt, traut die SNB der Sache offensichtlich noch nicht. Im Juni wurde abermals ein gestiegener Preisdruck festgestellt und die Projektionen gehen mittelfristig weiter von einer Inflation leicht über dem anvisierten Zielband von 0 bis 2 Prozent aus.
«Auch wenn die kommenden Daten die Entspannung bei der Preisentwicklung bestätigen, scheinen die ab dem Jahresende absehbaren inflationstreibenden Effekte von steigenden Mieten, erneuten Strompreisanhebungen und einem höheren Mehrwertsteuersatz die SNB eher zu einer Gewehr-bei-Fuss-Haltung zu bewegen», heisst es bei Raiffeisen. Neben den steigenden Zinsen wird die SNB auch weiter Devisenverkäufe als Mittel einsetzen, um die importierte Inflation zusätzlich abzubremsen.
EZB schaut auf Löhne und Margen
Bei der Europäische Zentralbank (EZB) sind auch für die anstehende Zinsentscheidung am 27. Juli wohl die Falken in der Überzahl - dies trotz der klaren Anzeichen für eine Konjunktureintrübung und den steigenden Rezessionsängsten.
Die EZB werde nicht zögern zu handeln, wenn ein gleichzeitiger Anstieg der Gewinnspannen der Unternehmen und der Löhne festgestellt werde, sagte Präsidentin Christine Lagarde jüngst in einem Interview mit der französischen Regionalzeitung «La Provence». Man habe noch Arbeit vor sich, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen.
«Ein gleichzeitiger Anstieg in beiden Bereichen würde die Inflationsrisiken erhöhen, und wir würden angesichts solcher Risiken nicht tatenlos zusehen», so Lagarde
«Die Zentralbanken werden die Leitzinserhöhungen fortsetzen», lautet auch die Erwartung der Schwyzer Kantonalbank. «Es ist unwahrscheinlich, dass die Geldwächter in naher Zukunft Zinssenkungen in Aussicht stellen werden oder dass der Höhepunkt des aktuellen Zinserhöhungszyklus erreicht ist.»