Mit seinen Master Classes bietet das Swiss Finance Institute einen Know-how-Transfer zwischen der Wissenschaft und der Bankbranche, der weltweit seinesgleichen sucht. Und er ist für die Berufstätigen in der Finanzbranche erst noch kostenlos, wie SFI-Direktor François Degeorge im Interview mit finews.ch erklärt. Wie ist das möglich?  


Herr Degeorge, in diesem Monat fand die 100. Master Class des Swiss Finance Institute (SFI) statt. Wie ist dieser Lehrgang entstanden?

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Mitarbeitende in der Finanzbranche fortlaufend Wissen auf neustem Stand und höchstem Niveau gezielt und effektiv aneignen. Im Gegenzug sind die Schweizer Banken auf hochqualifizierte Mitarbeitende angewiesen. Genau hier setzen wir mit den SFI Master Classes an.

Aufbauend auf der Expertise erfahrener Vertreterinnen und Vertreter aus der Branche sowie dem akademischen Wissen der Professorinnen und Professoren aus unserer Forschungsfakultät, die – und darauf bin ich stolz – zu den zehn besten in der Welt gehört, fokussieren wir auf den Wissensaustausch zu industrie-relevanten Themen höchster Aktualität.

«Die Master Classes unterscheiden sich massgeblich von klassischen Weiterbildungsangeboten»

Damit bieten wir ein wohl nicht nur in der Schweiz einmaliges Angebot, das die Mitarbeitenden unserer Trägerbanken kostenlos in Anspruch nehmen können. Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, wird durch den Umstand bestätigt, dass wir seit 2019 nun bereits 100 Master Classes durchführen konnten.

Ausbildungslehrgänge gibt es in der Finanzbranche allerdings zuhauf. Wie bietet eine SFI Master Class an Mehrwert?

Die Master Classes unterscheiden sich massgeblich von klassischen Weiterbildungsangeboten, deren Schwerpunkt auf der Wissensaufnahme sowie dem Erwerb eines Abschlusses zu traditionellen Themen liegt. Sie dauern aber in der Regel vergleichsmässig lange und sind kostenpflichtig.

Demgegenüber fokussieren wir mit den Master Classes auf den konzentrierten Wissensaustausch zu sogenannten «Frontier-Themen» in einer sehr interaktiven Kombination von akademischem und praktischem Fach- und Erfahrungswissen.

Da wir wissen, dass Zeit für unsere Teilnehmenden ein kostbares Gut ist, halten wir die Master Classes mit vier Stunden Länge bewusst sehr kurz und intensiv. Und als zertifizierte SAQ-Rezertifizierungsmassnahme bieten sie den Teilnehmenden zusätzlichen Nutzen.

Als SFI haben Sie einen wissenschaftlichen Anspruch. Wie kommt dieser bei den Master Classes zum Tragen?

Die akademische Qualität von SFI und unserer Fakultät ist eine zentrale tragende Säule unserer Master Classes. Seit seiner Gründung im Jahr 2006 hat sich unser Institut zusammen mit seinen Schweizer Partneruniversitäten weltweit zu einem der erfolgreichsten Kompetenzzentrum im Bereich der wissenschaftlichen Forschung in Banking und Finance etabliert.

«Wir machen die Expertise von mehr als 75 Top-Professorinnen und -Professoren zugänglich»

Über die Master Classes machen wir die Expertise unserer insgesamt über 75 Top-Professorinnen und -Professoren den Schweizer Bankmitarbeitenden zugänglich.

In jeder einzelnen Master Class ist eine SFI-Professorin oder ein SFI-Professor federführend involviert und diskutiert ihre bzw. seine eigenen, aber natürlich auch die Erkenntnisse anderer Forschender mit den Teilnehmenden.

Gleichzeitig identifizieren unsere Professorinnen und Professoren im aktiven Austausch mit den Teilnehmenden immer wieder neue Industrie-Themen für künftige Forschungsprojekte, die für die Berufspraxis von Relevanz sind.

Können Sie ein paar Zahlen zur Entwicklung der Master Classes über die vergangenen Jahre nennen?

Die erste Master Class haben wir am 5. Juni 2019 zum Thema «Data and Technology in Finance» durchgeführt. In der Zwischenzeit verzeichnen wir in 100 Master Classes in Lugano, Genf, Zürich und weiteren Orten insgesamt über 2'500 Teilnehmende.

Natürlich werten wir die Zufriedenheit der Teilnehmenden bei jeder Master Class sorgfältig aus. Die Ergebnisse dürfen sich sehen lassen: 98 Prozent aller Teilnehmenden geben an, dass sie weitere Master Classes besuchen werden.

Gab es über die Jahre einen Wandel bezüglich der Themen, die behandelt wurden?

Die grundsätzliche Struktur der Master Classes hat sich bewährt und wurde nicht verändert. Ein Modul wird immer gemeinsam von einer SFI-Professorin respektive einem SFI-Professor sowie einer erfahrenen Industrievertreterin respektive einem erfahrenen Industrievertreter geleitet, dauert vier Stunden und fokussiert auf die thematische Interaktion mit den Teilnehmenden.

«Ganz aktuell beschäftigt uns die Zins- und Inflationsentwicklung»

Die Themenwahl hingegen gestalten wir flexibel, was uns erlaubt, zeitnah auf neue Entwicklungen in der Industrie einzugehen und diese aufzugreifen – eine zentrale Qualität dieses Formats. So legten wir beispielsweise unseren Fokus ursprünglich auf Themen im Feld der Digitalisierung, welche über die Zeit immer stärker mit Fragestellungen aus dem Bereich Sustainability ergänzt wurden.

Ganz aktuell beschäftigt uns die Zins- und Inflationsentwicklung. Des Weiteren behandeln wir auch Themen die von Interesse für Kantonal- und Regionalbanken sind, wie der Schweizer Immobilienmarkt und die Bankenstruktur.

Was bringt der Besuch einer Master Class den Teilnehmenden?

Unsere Master Classes richten sich an erfahrene Finanzfachleute, die nicht auf der Suche nach einer formalen respektive fachtechnischen Aus- oder Weiterbildung sind, sondern die sich auf effektive Art und Weise ganz fokussiert mit aktuellen Fragestellungen aus der Finanzindustrie auseinandersetzen möchten.

«Selbst Geschäftsleitungs- und VR-Mitglieder nehmen sich die Zeit zur Teilnahme»

Unsere SFI-Professorinnen und SFI-Professoren garantieren hierbei höchstes fachliches Niveau, während das offene und diskussionsorientierte Format den intensiven Austausch – insbesondere natürlich auch unter den Teilnehmenden – ermöglicht. Klar ist aber auch, dass wir forschungsseitig oder mit den Master Classes an sich nicht für jedes aktuelle Problem eine konkrete Lösung bereitstellen können.

Durch den aktiven Wissensaustausch schaffen wir aber das Problembewusstsein, und damit die Basis für neue Lösungsansätze. Das Ganze ist bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile – aus diesem Grund steht bei uns der «Knowledge Exchange» auch an erster Stelle.

Was waren für Sie persönlich die Highlights im Rahmen dieser Master Classes?

Natürlich ist jede Master Class ein Highlight für sich! (lacht) Aber ernsthaft, wenn ich ab und zu selbst eine Master Class besuche, bin ich immer wieder überrascht, mit welchem Engagement sich die Teilnehmenden in die Diskussionen und Cases einbringen.

Besonders erfreulich ist natürlich auch, wenn ich beobachte, dass sich auch Geschäftsleitungs- und VR-Mitglieder von Schweizer Banken die Zeit zur Teilnahme nehmen und sich genauso engagiert in die Gruppe integrieren.

Wie finanzieren sich diese Master Classes?

Die Master Classes sind für die Schweizer Bankmitarbeitenden respektive Mitarbeitenden von SBVg-Mitgliedsinstituten kostenlos, entsprechend decken wir die Kosten zu deren Erbringung selbst. Das SFI an sich wird finanziell von den Schweizer Banken, die SBVg-Mitglieder sind, getragen.

Dabei folgen wir unserem Stiftungszweck, der in der Stärkung des Schweizer Forschungsplatzes in Banking und Finance und dem Wissensaustausch mit der Finanzindustrie liegt. Die Master Classes sind letztlich einer der verschiedenen Kanäle, mit welchem wir die umfangreiche Expertise unserer SFI-Professorinnen und SFI-Professoren dem Schweizer Finanzplatz zugänglich machen.

Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Master Classes?

«Never change a winning team» – damit wurde die englische Nationalelf vor über einem halben Jahrhundert zur Weltmeisterschaft geführt. Ganz so eng nehmen wir es damit selbstverständlich nicht. Dem grundsätzlichen und überaus bewährten Prinzip der Master Classes bleiben wir aber treu.

«Wir wollen vermehrt Master Classes auf Französisch und auf Italienisch durchführen»

Gleichzeitig beobachten wir die Bedürfnisse der Teilnehmenden und Banken natürlich sehr genau, auch oder gerade in Bezug auf die Industrie-Themen, die wir aufgreifen. Wir wollen alle Stakeholder ansprechen und Master Classes anbieten, die das Spektrum an Herausforderungen in ihrer Ganzheit abbilden.

Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass gewisse Themen für einzelne Bankengruppen weniger relevant sind und für andere mehr. Umso wichtiger ist ein breit gefächerter Themen-Mix. So gibt es beispielsweise eine Serie von Master Classes, die sich mit dem Immobilienmarkt auseinandersetzen. Das Thema Nachhaltigkeit wird auch hier eine grosse Rolle spielen – sowie die weitere Zinsentwicklungen und deren Effekt auf den Immobilienmarkt.

Zudem planen wir vermehrt die Durchführung von Master Classes auf Französisch und auf Italienisch. Bei dieser kontinuierlichen Weiterentwicklung sind wir auch dankbar für diverse Expertengremien aus Vertretenden unserer Trägerschaft, die uns beraten und unterstützen. So freuen wir uns bereits auf die baldige Feier der 250. SFI Master Class.


François Degeorge ist Managing Director des Swiss Finance Institute (SFI), SFI Senior Chair und Professor für Finanzwesen an der Università della Svizzera italiana (USI). Er ist ehemaliger Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der USI und ehemaliger Präsident der European Finance Association. Er lehrte an der HEC Paris, wo er auch als Associate Dean for Research tätig war. Daneben war er Gastprofessor an der Tuck School of Business (Dartmouth), an der Université Paris-Dauphine und an der Saïd Business School (Oxford). Professor Degeorge hat an der Harvard University promoviert, wo er Fulbright-Stipendiat und Arthur-Sachs-Stipendiat war.