In der Krypto-Szene zeichnet sich ein zögerlicher Frühling ab. Doch Investorinnen und Investoren können immer noch sehr viel Geld verlieren, warnt Olaf Hannemann im Gespräch mit finews.ch. Doch nun rücke die Blockchain-Infrastruktur in den Fokus, sagt der Mitgründer der Zuger Wagniskapital-Firma CV VC.
Bislang standen Kryptowährungen vor allem mit ihren dramatischen Kursschwankungen im Rampenlicht. Es wurde viel Zeit darauf verwendet, darüber zu debattieren, wozu Kryptowährungen gut sind, ob sie notwendig sind und wie sie reguliert werden können.
Diese Diskussionen hätten sich für die zugrunde liegenden Technologie oft als nachteilig erwiesen, stellt Olaf Hannemann, Mitbegründer und Investmentchef der Zuger Wagniskapital-Firma Crypto Valley Venture Capital (CV VC), im Gespräch mit finews.ch fest.
Stärkere Abgrenzung
Der kürzliche Zusammenbruch der digitalen Börse FTX habe zur negativen Berichterstattung über den Krypto-Sektor zusätzlich beigetragen. Die Folge sei nun aber auch eine stärkere Abgrenzung zwischen Krypto-Währungen und Blockchain-Technologie – eigentlich etwas Begrüssenswertes.
Das habe auch hierzulande zu einer Umwälzung der Krypto-Szene geführt. Viele Unternehmen profitierten davon, in einem Land mit einem «klaren und etablierten regulatorischen Umfeld» zu agieren, sagte Hannemann.
Langfristiger Nutzniesser
Er sieht sogar die Möglichkeit, dass der Schweizer Krypto-Sektor langfristig ein Nettonutzniesser sein wird. «Das betrifft insbesondere die Krypto-Banken und -Projekte, die als Dienstleister für ein funktionierendes Ökosystem digitaler Vermögenswerte fungieren.»
Innerhalb dieses Ökosystems sei die Infrastruktur – auch als Layer-1-Protokolle bezeichnet, auf welcher die Dienstleistungen basieren, der Schlüssel, um zu begreifen, wo die Krypto-Industrie des Landes global positioniert ist.
«Eine der grössten Herausforderungen der Blockchain-Technologie ist, dass man einerseits eine Quasi-Währung wie Bitcoin hat und andererseits Einheiten wie Polkadot, Tezos, Ethereum und Cardano, auf denen man Anwendungen aufbauen kann», erklärt Hannemann.
Hohe Misserfolgsquote
CV VC hat von Anfang an in Unternehmen investiert, welche die Blockchain-Technologie nutzen, um entweder bestehende Systeme effizienter zu machen oder ganze Branchen umzukrempeln. Dies unabhängig von der zugrundeliegenden Infrastruktur, «Rails» genannt, auf denen die Anwendungen aufgebaut sind.
Hannemann geht davon aus, dass nur eine oder zwei Handvoll der Hunderten von Rails, in Zukunft überleben werden. «Das heisst, dass die prozentuale Ausfallrate für diese Protokollebene so hoch sein wird, dass mit den Überlebenden viel Geld verdient werden kann», sagt er. Bei den anderen werde viel Vermögen verloren gehen, und das werde sich auf die gesamte Branche auswirken.
Bewertungen sind nicht entscheidend
Es setze sich die Einsicht durch, dass man nicht so viele Rails braucht, auf denen man aufbauen kann. «Der Erfolg hängt letztlich nicht davon ab, ob sie heute oder morgen tonnenweise Finanzmittel und eine enorme Bewertung erhalten, sondern davon, ob es genügend Anwendungsfälle gibt und ob die Leute sie auswählen werden, um ihre Anwendungen darauf aufzubauen», sagt Hannemann.
Aber auf das richtige Pferd zu setzen, sei nie einfach. «Ich kann Ihnen heute nicht mit Sicherheit sagen, wer am Ende die Gewinner sein werden», so Hannemann, der über 50 Unternehmen finanziert hat.
Hohe Unsicherheit für Investoren
Für Investoren bedeutet das eine hohe Unsicherheit. «Die übliche Misserfolgsrate von 75 bis 80 Prozent bei Tech-Risikokapital-Investitionen gilt auch für Blockchain-basierte Unternehmen, die Anwendungen entwickeln.»
CV VC bietet nicht nur Investitionsmöglichkeiten in eine breite Palette von Blockchain-Projekten über seine aktiv verwalteten Zertifikate, sondern betreibt auch einen Inkubator ein Ökosystem namens CV Labs, das aus Coworking-Spaces, Beratung und Veranstaltungen besteht.
Neu auch in Portugal – und Berlin
Die Coworking Spaces gibt es in Zug, Vaduz, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kapstadt und seit kurzem auch in Berlin und Portugal. Vor 18 Monaten hat das Unternehmen von der Schweiz finanzielle Unterstützung erhalten, um die in Zug gesammelten Erfahrungen und das Knowhow mit afrikanischen Startups zu teilen und dort einen Blockchain-Hub zu gründen. Im kommenden Monat will CV VC nun einen eigenen afrikanischen Blockchain-Fonds für seine Kunden eröffnen.
Während Blockchain in Europa und den USA oft dazu diene, bestehende Systeme effizienter zu machen, könne die Technologie in Schwellenländern wirklich etwas bewegen, sagt Hannemann.
Premiere in Afrika
Als Beispiel nennt er «Houseafrica», ein Unternehmen, das Grundbucheintragung in die Blockchain integriert. Durch den Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie zur Überprüfung, Bewertung und Abwicklung von Immobilien in Nigeria schafft das Unternehmen ein offizielles und vertrauenswürdiges Dokumentationssystem, das es zuvor nicht gab.