Während Italien oder Frankreich Vermögenswerte von sanktionierten russischen Oligarchen beschlagnahmen, verläuft die Blockierung andernorts schleppender. Und manche Kreml-nahe Superreiche werden auffallend geschont.
Die jüngsten Oligarchen-Schlagzeilen betrafen die grösste Segeljacht der Welt. Die «Sailing Yacht A», ein futuristisch anmutender und knapp 143 Meter langer Dreimaster, die dem russischen Kohle-Milliardär Andrej Melnitschenko gehören soll, wurde am vergangenen Freitag im Hafen von Triest in Italien an der nördlichen Adria festgesetzt. Beamte der italienischen Finanzpolizei hatten sie am Freitag an die Kette gelegt, wie die Regierung in Rom bestätigte. Der Wert des Schiffs wird auf rund 530 Millionen Euro geschätzt.
Melnitschenko war in der vergangenen Woche auf die EU-Sanktionsliste gesetzt worden, ebenso wie 13 weitere russische Oligarchen. Der Milliardär mit Wohnsitz im Schweizerischen St. Moritz ist Haupteigner des russischen Düngemittel-Konzerns Eurochem und des Kohle-Unternehmens Suek. Beide Unternehmen hatten in Folge der Sanktionen den Rückzug Melnitschenkos aus ihren Gremien angekündigt.
Ebenfalls neu auf der EU-Sanktionsliste steht auch Dimitri Mazepim, CEO von Uralchem, sowie dessen Sohn Nikita, bis vor Kurzem noch Formel-1 Pilot im US-Rennstall Haas.
700 Millionen Euro beschlagnahmt
Laut dem italienischen Finanzminister Daniele Franco hat das Land inzwischen Güter im Wert von insgesamt mehr als 700 Millionen Euro beschlagnahmt.
So wurden dort auch in San Remo die Luxusjacht «Lena» des in der Nähe von Genf wohnenden Oligarchen Gennadi Timtschenko beschlagnahmt. Die Jacht hat laut Regierungsangaben einen Wert von rund 50 Millionen Euro. Der 69-jährige Timtschenko, der neben der russischen auch die finnische Staatsbürgerschaft besitzt, gilt als ein langjähriger Bekannter und Vertrauter von Putin.
In der ligurischen Hafenstadt Imperia wurde zudem die Jacht «Lady M» des Oligarchen und TUI-Grossaktionärs Alexej Mordaschow beschlagnahmt. Sie soll rund 65 Millionen Euro wert sein.
Neben den schwimmenden Palästen hält die italienische Finanzpolizei auch auf Immobilien die Hand. Von Alischer Usmanow wurde eine Villa auf Sardinien beschlagnahmt, vom sanktionierten russischen Fernsehmoderator Wladimir Soloviev eine Villa am Comer See.
Auch in Frankreich waren die Behörden bereits aktiv. Neben vier russischen Frachtschiffen wurde dort laut Medienberichten die Jacht «Amore Vero» des Putin-Vertrauten und Chef des Staatskonzerns Rosneft, Igor Setschin, beschlagnahmt.
Roman Abramovich, der Eigentümer des Londoner Fussball-Clubs Chelsea, war in Grossbritannien erste nach einigem Zögern sanktioniert worden. Offenbar gab es dort eine hohe Hemmschwelle, einen Mann auf die Liste zu setzen, der so viel Geld nicht nur in den Traditions-Club investiert hatte, sondern dort auch über grossen Immobilienbesitz verfügt. Der Club darf nun erstmal nicht wie geplant verkauft werden und ist in seinen Aktivitäten eingeschränkt.
Er ist zwar ein Oligarch – aber er ist unser Oligarch
Das lässt an ein dem einstigen US-Präsident Franklin D. Roosevelt zugeschriebenes Zitat denken – «Somoza may be a son of a bitch, but he's our son of a bitch», soll er über den damaligen Diktator Nicaraguas gesagt haben.
So gibt etwa derzeit vor allem in Deutschland und Osterreich das Fehlen von Oleg Deripaska auf der EU-Sanktionsliste zu Reden. Es sei zwar geplant gewesen, den Grossindustriellen auf die Liste zu setzen, was aber dann «von einem EU-Mitgliedsland» verhindert worden sei, wie EU-Insider berichteten. Deripaska ist Aktionär beim österreichischen Strabag-Konzern, sein Automobil- und Rüstungskonzern Gaz ist ein Zulieferer von Volkswagen.
In den USA ist der Oligarch bereits seit 2018 auf der Sanktionsliste aufgeführt, und nun auch in Grossbritannien. Dort soll Deripaska unter anderem eine Luxusimmobilie am Belgravia Square im noblen Londoner Stadtteil Kensington besitzen. Dort haben inzwischen Hausbesetzer Einzug gehalten und die Immobilie «befreit», wie der britische TV-Sender «Sky New» berichtete.
Aufregung auf der Isle of Man
In den deutschen Medien wird grundsätzlich kritisiert, dass die Behörden nicht auf die Vermögen der sanktionierten Personen zugreifen. Demnach gibt es Kompetenzgerangel zwischen verschiedenen Länder- und Bundesbehörden.
So gab es etwa widersprüchliche Meldungen dazu, ob etwa die Jacht «Dilbar» des Usbeken Alisher Usmanov, die zur Überholung in einer Hamburger Werft liegt, beschlagnahmt wurde oder nicht.
Der Privatjet von Usmanov, der zuletzt noch auf dem Münchener Flughafen gesichtet wurde, soll sich inzwischen in Taschkent befinden. Der Maschine, eine luxuriös ausgestattete Airbus A340, wurde inzwischen von der Zivilluftfahrtbehörde der Isle of Man die Registrierung entzogen. Man habe in den vergangenen Wochen bereits sieben Flugzeuge aus dem Register gestrichen und prüfe weitere Fälle mit Russland-Bezug, berichtete die Zeitschrift «Aerotelegraph».
Usmanov soll ebenfalls in Grossbritannien mehrere Immobilien besitzen. Weiter werden ihm in Deutschland Villen am Tegernsee zugerechnet, die über Offshore-Firmen gehalten werden.
Vekselberg vor allen in den USA im Visier
Ein Oligarch mit starkem Schweiz-Bezug ist Viktor Vekselberg. Der russisch-ukrainische Industrielle steht ebenfalls bereits seit 2018 auf der US-Sanktionsliste. Das hatte vor allem bei seinen Beteiligungen an Sulzer, Oerlikon und Swiss Steel Probleme verursacht. Nun wurden neu in den USA ein Flugzeug und eine Jacht mit einem geschätzten Wert von insgesamt 180 Millionen Dollar blockiert.
Von Schweizer Behörden ist bisher nicht zu erfahren, ob im Zuge der von der EU übernommenen Sanktionen hierzulande Vermögenswerte blockiert wurden. Auch die Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS) hatten keine detaillierten Angaben zu ihren Geschäftsbeziehungen zu sanktionierten Personen gemacht. Lediglich Angaben zu Kredit-Risiken gab es zuletzt. So hat die UBS eine «kleine Anzahl von Global Wealth Management-Kunden» identifiziert, auf die ausstehende Kredite von insgesamt weniger als 10 Millionen Dollar entfallen würden. Bei der CS spricht man von einem «minimalen Gesamtkreditengagement»
Abgesehen von Immobilien, Flugzeugen und Jachten, genaue Einschätzungen dazu, wie effektiv die Sanktionen die finanziellen Möglichkeiten der betroffenen Personen einschränken gibt es nicht.
Die oft verschachtelten und komplexen Besitz-Konstruktionen über Gesellschaften in verschiedenen Ländern machen eine genaue Zuordnung des letztendlich wirtschaftlich Begünstigten sehr schwierig. Das hatten in der Vergangenheit bereits die geleakten Panama-Papers oder andere vergleichbare Fälle gezeigt.