Viele deutsche Staatsanleihen sind im Portefeuille der Schweizerischen Nationalbank gelandet, bemerkt der Finanzpolitiker Hans Kaufmann.
Hans Kaufmann ist Ökonom, SVP-Nationalrat und Gründer von Kaufmann Research. Bis 1999 arbeitete er bei Julius Bär, zuletzt als Chefökonom. Er schreibt regelmässig für finews.ch.
Deutschland tut auch so, als ob die tiefen Zinsen in Deutschland ihr Verdienst, ja sogar die Folge ihrer musterschülerhaften Fiskalpolitik seien, und dass Deutschland nicht auf ein «Quantitatives Easing» angewiesen sei, also auf Aufkäufe von Staatsanleihen durch die eigene Notenbank, in diesem Fall die Europäische Zentralbank (EZB).
Wenn man die grössten Abnehmer von deutschen Staatsanleihen in den letzten zwei Jahren zu orten sucht, dann stösst man allerdings auf eine überraschende Tatsache. Viele, sehr viele der deutschen Staatsanleihen sind im Portefeuille der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gelandet, die ihre riesigen Aufkäufe von Euros in solchen Papiere angelegt hat.
Dies bestätigte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf anlässlich der Fragestunde vom 6. Dezember 2010 im Nationalrat der Schweiz. Gemäss Bundesrätin hält die SNB 55 Prozent ihrer Devisenanlagen in Euro. Davon investiert sie den grössten Teil in Staatsanleihen und davon wiederum sei Deutschland mit Abstand der bedeutendste einzelne Schuldner.
Einseitige Devisenanlagen
Im 9-Monatsbericht der SNB ist nachzulesen, dass sich die Devisenanlagen per 30. September 2010 auf 216 Milliarden Franken (Ende 2009: 95 Milliarden Franken) beliefen. Davon wurden rund 55 Prozent in Euro investiert, was einem Betrag von 119 Milliarden entspricht. 83 Prozent aller Devisenanlagen oder 179 Milliarden Franken sind in Staatsanleihen investiert.
Wenn dieser Anteil auch für die Euro-Devisenanlagen gilt, dann entspräche dies rund 99 Milliarden Franken. Der überwiegende Teil davon sei in deutschen Staatspapieren angelegt. Damit beträgt das Minimum 50 Milliarden Franken, aber mit «überwiegender Teil» dürften wohl eher 80 bis 90 Milliarden Franken (rund 65 Milliarden Euro) gemeint sein.
Gigantische Engagements
Dies ist ein Betrag der rund 30 bis 50 Prozent grösser ist, als der Haushalt 2010 der Eidgenossenschaft. Er entspricht auch rund 80 Prozent der Bruttoverschuldung des Bundes von 111 Milliarden Franken per Ende 2009. Es geht hier aus Schweizer Sicht somit um gigantische Engagements und um problematische Klumpenrisiken zu Gunsten Deutschlands.
Deutschland wies per Ende 2009 Staatsschulden von 1'694 Milliarden Euro aus, wovon 1'054 Milliarden Euro auf den Bund, 526 Milliarden Euro auf die Länder und 114 Milliarden Euro auf die Kommunen entfielen. Bezogen auf diese Bundesschulden würde das Engagement der SNB über 6 Prozent betragen und damit dürfte sie zu den grössten Einzelgläubigern der Bundesrepublik zählen.
Schweiz als Grossinvestorin
Möglicherweise ist sie sogar der grösste Einzelinvestor. Wenn man diesen Betrag von 65 Milliarden Euro mit den Defiziten 2009 von 34 Milliarden respektive den provisorischen Ergebnissen der ersten neun Monate mit einem negativen Finanzierungssaldo des deutschen Bundeshaushaltes von 49 Milliarden Euro vergleicht, dann stellt man fest, dass die Anleihenkäufen der SNB rund 75 Prozent dieser Fehlbeträge 2009/2010 decken würden.
Solche Klumpenrisiken engen den geldpolitischen Spielraum der SNB stark ein. Sie könnte kaum von einem Tag auf den anderen für über 60 Milliarden Euro deutsche Staatsanleihen auf den Markt werfen ohne das Zinsgefüge im Euro-Raum in Bewegung zu setzen.
Politisch höchst brisant
Solche Mega-Engagements sind auch politisch brisant. Deshalb sollte die SNB in Zukunft detailliert über ihre Engagements bei anderen Staaten berichten und transparent darlegen, ob diese Engagements anonym über die Kapitalmärkte erfolgten, oder ob ihnen politische Absprachen zugrunde liegen. Ohne Transparenz bleibt ein ungutes Gefühl zurück.
Bis September 2010 hat die SNB gemäss Zwischenbericht riesige Verluste von 21.2 Milliarden Franken auf ihren Devisenpositionen eingefahren. Im Oktober, der letzt erhältlichen Monatsstatistik, ist das Eigenkapital inklusive Rückstellungen für Aus-schüttungen um weitere 1,7 Milliarden Franken geschrumpft.
Bis die Eigenmittel aufgezehrt sind
Von diesem per Ende Oktober mit 52 Milliarden Franken ausgewiesenen Eigenkapitalposten entfallen rund 19 Milliarden Franken auf Rückstellungen für die Ausschüttungen an den Bund und die Kantone, so dass das «frei verfügbare» Eigenkapital noch rund 33 Milliarden Franken respektive 11,7 Prozent der Bilanzsumme von 281 Milliarden Franken beträgt.
Damit steht die SNB im internationalen Vergleich mit den übrigen fünf führenden Notenbanken sehr gut da. Diese weisen zusammen weniger als drei Prozent Eigenmittel im Vergleich zu ihren Bilanzsummen aus.
Doch wenn man diese 33 Milliarden Franken mit den Devisenreserven von 214 Milliarden Franken vergleicht, dann dürfen letztere nur noch um 15 Prozent abwerten, bis diese freien Eigenmittel der SNB durch Kursverluste aufgezehrt sind.
Klumpen-Engagements der SNB
Der Bundesrat ist zwar der Meinung, dass die SNB kurzfristig auch mit einer Überschuldung weiter bestehen und ihren geldpolitischen Auftrag wahrnehmen könne, aber sie müsste Massnahmen ergreifen, um das Eigenkapital wieder aufzubauen.
Dies könne durch das Zurückbehalten der Gewinne oder allenfalls durch die Einzahlung von neuem Eigenkapital geschehen. Für den Bund bestehe jedoch keine gesetzliche Verpflichtung zur Nachfinanzierung von Eigenkapital (Interpellation 10.3360).
Angesichts dieser Aussagen sollte sich die Politik intensiv über die Klumpen-Engagements der SNB im Euro und die milliardenschweren Stützungen der deutschen Regierung Gedanken machen.
Nicht immer ein glückliche Hand
Denn eines ist sicher: Die SNB hatte mit ihren Kapitalanlagen in den letzten Jahren nicht immer eine glückliche Hand. So verkaufte sie zwischen 2000 und 2005 immerhin 1‘300 Tonnen Gold zu 16'241 Franken pro Kilo, was einem Verkaufserlös von 21,1 Milliarden Franken entsprach.
Hätte sie dieses Gold nicht verkauft, dann entsprächen diese 1‘300 Tonnen heute bei einem Kilopreis von 44'000 einem Wert von 57,2 Milliarden Franken. Die Differenz von 36 Milliarden Franken würde ausreichen, um den Schweizer Steuerzahlern die direkte Bundessteuer für zwei Jahre zu erlassen.