In der Vergangenheit haben sich zahlreiche chinesische Firmen für eine Kotierung in den USA entschieden. Aufgrund der geopolitischen Spannungen ist dies heute ein weniger attraktiver Weg. Howard Wang von J.P. Morgan Asset Management erklärt, wie sich die Anleger neu positionieren können.
Herr Wang, wie können Privatanleger am besten am chinesischen Aktienmarkt investieren?
Die erste Frage ist, ob man sich auf in Shanghai und Shenzhen notierte A-Aktien beschränken, oder den Offshore-Markt – z. B. die Hongkonger Börse – einbeziehen sollte. Der A-Aktienmarkt ist liquide, tief und ineffizient – alles Faktoren, die disziplinierten Anlegern Chancen bieten.
Unternehmen wie Chinas weltweit führende Internetriesen (zum Beispiel Alibaba und Tencent) sind jedoch im Allgemeinen am Offshore-Markt gelistet. Einige Anleger sind vielleicht bereits über regionale Asienportfolios oder globale Schwellenländerportfolios in diesen Offshore-Titeln engagiert, so dass es möglicherweise am sinnvollsten ist, zusätzliches Kapital nur in A-Aktien zu investieren. Wer dagegen nicht in diesen Offshore-Titeln investiert ist, wird vielleicht einen kombinierten Onshore-Offshore-Ansatz bevorzugen.
«Anleger müssen sehr selektiv sein und die Fundamentaldaten genau unter die Lupe nehmen»
In jedem Fall ist ausschlaggebend, dass Entscheidungen von Analysen und nicht von Emotionen bestimmt werden. Anleger müssen sehr selektiv sein und die Fundamentaldaten genau unter die Lupe nehmen. Eine hinreichende Diversifikation ist unerlässlich. Wir werben immer dafür, einen längerfristigen Anlageansatz zu verfolgen. Manche Menschen können dies selbst tun, andere investieren lieber über professionelle Manager wie J.P. Morgan, die den Vorteil umfangreicher, dedizierter Ressourcen haben, die weit über die Möglichkeiten eines Einzelnen hinausgehen.
Ist es für europäische Anleger besser, billiger und sicherer, nur in Hongkong zu investieren?
Während es für ausländische Anleger einfacher sein kann, über Hongkong statt am Onshore-Markt zu investieren, gibt es auch Möglichkeiten, am Onshore-Markt zu investieren – zum Beispiel über einen Investmentfonds.
«Hochwertige Firmen gibt es nicht nur in Hongkong»
Unserer Meinung nach sollte zuerst auf die Qualität der investierbaren Unternehmen geachtet werden, und nicht darauf, an welchem Markt sie gelistet sind. Hochwertige Unternehmen gibt es sicherlich nicht nur in Hongkong, und nicht jede Aktie in Hongkong ist eine Investition wert.
Daher spielt der Markt der Notierung für uns keine Rolle, wenn wir über Aktien nachdenken. Unseres Erachtens besteht der sicherste und lukrativste Ansatz darin, die besten Unternehmen ausfindig zu machen, da wir in sie investieren können, wo auch immer sie notiert sind – ebenso, wie sich Anleger in den USA auf die Geschäftsmodelle konzentrieren und nicht darauf, ob eine Aktie an der Nasaq oder an der NYSE gelistet ist.
Hat die Hongkonger Börse langfristig noch eine Zukunft oder verlagert sich das Geschäft zunehmend nach Shenzhen?
Angesichts der Grösse des Anlageuniversums und einiger anhaltender Beschränkungen für ausländische Direktanleger in China sind wir überzeugt, dass die Börsen in Hongkong, Shenzhen und Shanghai alle eine Zukunft haben.
«Aufgrund der geopolitischen Spannungen ist dies heute ein weniger attraktiver Weg»
Einige chinesische Unternehmen werden weiterhin wünschen, über eine Börsennotierung ausserhalb des Festlandes Zugang zu ausländischem Kapital zu haben. In der Vergangenheit haben sich einige Firmen für eine Börsennotierung in den USA entschieden.
Aufgrund der geopolitischen Spannungen ist dies heute ein weniger attraktiver Weg. So ist in den letzten Jahren tatsächlich mehr Geschäft an die Hongkonger Börse (HKSE) gegangen. Die HKSE hat auch durch das Stock-Connect-Programm, welches grenzüberschreitende Investitionen in bestimmte Aktien ermöglicht, Auftrieb erhalten. Wir sehen keine baldige Umkehrung dieser Entwicklung.
Welches Kurspotenzial hat der chinesische Aktienmarkt Ihrer Meinung nach in diesem Jahr?
Unserer Meinung nach ist es nicht entscheidend, die kurzfristige Marktperformance vorherzusagen, sondern auf Sicht mehrerer Jahre attraktive Titel zu finden. Unser hauseigenes Research-Team analysiert rund 600 Aktien in Grosschina sehr genau, darunter rund 280 A-Aktien, und ergänzt diese Liste kontinuierlich. Wir können viele Titel finden, die unserer Einschätzung nach längerfristig zweistellige Jahresrenditen bieten.
Howard Wang ist Co-Portfoliomanager für China und China A-Aktienfonds im Emerging Markets and Asia Pacific (EMAP) Equities Team bei J.P. Morgan Asset Management. Er stiess 2005 zum Unternehmen und arbeitet in Hongkong, wo er die Greater China Investmentteams in Hongkong, Shanghai und Taipeh verantwortet. Zuvor arbeitete er acht Jahre bei Goldman Sachs als Geschäftsführer und Leiter des Büros in Taiwan. Er erhielt einen BA summa cum laude in Wirtschaftswissenschaften an der Yale University.