An nachhaltigen Finanzprodukten führt heute kein Weg mehr vorbei. Allerdings lassen sich bei ESG-Anlagen «Greenwashing» und Fehlverkäufe nicht kategorisch ausschliessen. Für Bankkundenberater stellt dies ein wachsendes Risiko dar.
Ohne Untertreibung kann man heute bereits von einem Megatrend sprechen. Die Rede ist von Investitionen in nachhaltige Anlagen – verbunden mit den Nachhaltigkeitskriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführtung (auf Englisch: Environment, Social and Governance, ESG).
Kein Finanzinstitut kann es sich heute noch leisten, solche Produkte nicht im Angebot zu haben. Zu gross ist das öffentliche Interesse an diesen Vehikeln, wobei die Nachfrage nun von den institutionellen Anlegern zunehmend auch auf private Investoren überschwappt.
Immer mehr Kleinanleger
Einige Zahlen dokumentieren dies: Gemäss der Schweizer Marktstudie für nachhaltige Anlagen 2020 hat sich das Volumen nachhaltiger Anlagen zwischen 2014 und 2018 von 71 Milliarden Franken auf 717 Milliarden Franken verzehnfacht. Im Jahr 2019 erreichte das Volumen sogar 1,1 Billionen Franken.
Das Wachstum im Segment der Kleinanleger hat sich dabei deutlich beschleunigt – im vergangenen Jahr stiegen die nachhaltigen Anlagen in diesem Bereich um sage und schreibe 185 Prozent.
Leitfaden der Bankiervereinigung
Aufgrund dieser Zahlen sind auch die Kundenberater gefordert. Aber trotz Schulungen und Produktscreenings lauern Gefahren. Denn auch ungewollt falsche Empfehlungen stellen für Banken enorme Compliance-Risiken dar, wie Patrick Schmucki (Bild unten), Experte im Bereich Financial Services beim Beratungsunternehmen KPMG, in einem Kommentar schreibt.
Die Schweizerische Bankiervereinigung hat dieses Jahr einen Leitfaden veröffentlicht, der den Finanzinstituten als Orientierungshilfe dazu dienen soll, dass Kundenberater ihre Kunden in Übereinstimmung mit den regulatorischen Regeln zu nachhaltigen Anlagen beraten können.
Vier Herausforderungen
Trotzdem lassen sich Fehlverkäufe oder «Greenwashing» nicht immer ausschliessen. Unter letzterem versteht man, dass Firmen so tun, als ob sie umweltfreundliche Produkte herstellen, obwohl dies nicht der Fall ist. Mit anderen Worten: Sie geben sich ein «grünes Image», nur um höhere Umsätze zu erzielen.
In der Praxis sind die Banken vor diesem Hintergrund mit vier Herausforderungen konfrontiert:
1. Kundenpräferenzen und Produktmerkmale
Das Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG) sowie die Anforderungen an den Prospekt von Finanzinstrumenten gemäss FinSA enthalten Schutzbestimmungen, um die missbräuchliche Aneignung bestimmter Anlagemerkmale durch Anlagefonds oder andere Finanzinstrumente zu verhindern.
Obwohl dies auch die «Nachhaltigkeitsleistung» von Finanzinstrumenten einschliessen kann, ist der gegenwärtige regulatorische Rahmen in den meisten Fällen zu generisch, um eine sinnvolle Klassifizierung zu ermöglichen, wie Schmucki feststellt.
Infolgedessen obliegt es in der Regel der Finanzinstitution, die solche Produkte vertreibt, eine Bewertungsmethodik zu entwickeln. «Eine klare Methodik sollte die geäusserten Kundenpräferenzen mit den ESG-Merkmalen der Produkte oder Strategien verknüpfen, unterstreicht Schmucki.
2. Aufklärung von Kundenberatern
Die Ausbildung muss funktionsspezifisch sein mit relevanten und verständlichen Inhalten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Finanzdienstleisters wie Verantwortlichkeiten, Produktablage oder Eignung und Beratungsverfahren.
Vor allem aber müssen die Schulungsinhalte auf dem ESG-Klassifikationssystem der Institution und den damit verbundenen Produktkriterien und Kundenpräferenzen basieren.
«Ihre Bedeutung und ihr Zusammenhang müssen allen Beratern klar sein, um Fehlkommunikation oder schlechte Beratung zu vermeiden», betont der KPMG-Experte.
3. Eignung und ESG-Präferenzen
Kundenberater müssen sich strukturiert mit Kunden auseinandersetzen, um ESG-Präferenzen beurteilen zu können. Dazu können Werte oder Normen gehören, die sich in der Anlagestrategie oder in der Ausübung von Stimmrechten widerspiegeln sollten.
Wichtig ist, dass die ESG-Präferenzen nicht zu Widersprüchen hinsichtlich des Wissens und der Erfahrung des Kunden, seiner finanziellen Situation und seiner Anlageziele führen sollten.
«Daher sollten ESG-Präferenzen zwar Teil der Eignungsbeurteilung sein, aber ein Nebenfaktor», schreibt Schmucki.
4. Umgang mit Kundenmitteilungen
Die Ex-post-Berichterstattung sollte Aufschluss darüber geben, wie die Anlageziele des Kunden (inklusive ESG-Präferenzen) erreicht wurden und somit das allgemeine Klassifizierungssystem der Institution widerspiegeln. Je nach Herkunft der Produkte (von Dritten oder intern) stehen diese Informationen möglicherweise nicht zur Verfügung.
Neben dem Klassifizierungssystem selbst muss die Institution auch den Zugang zu ESG-Daten sicherstellen, um die Berichterstattung erstellen zu können. In der Praxis kann dies ein komplexeres Unterfangen sein, und der Zugriff auf die Daten kann erhebliche Kosten verursachen.
Mehr Methodik nötig
Greenwashing und Fehlverkäufe sind allgegenwärtige Risiken bei der Beratung zu nachhaltigen Anlageprodukten. «Mit der Einführung der FinSA-Eignungsanforderungen können diese leicht zu Eignungsverletzungen führen», erklärt der KPMG-Fachmann.
Um solchen Risiken zu begegnen, benötigen Banken eine Methodik, nach der ihre Produkte geprüft und über die berichtet werden kann. «Eine solche Methodik bildet denn auch die Grundlage für die Ausbildung der Kundenberate», folgert Schmucki.