Geschehen ist es nicht, doch das Bewusstsein dafür ist in der Finanzbranche schon länger da: Die Löhne müssen sinken. Die Coronakrise scheint nun ein Umdenken auszulösen. Das legt eine Umfrage bei Asset- und Wealth-Managern nahe.
Von Experten und Beratern ist er schon lange ausgerufen worden: Der grosse Lohnrutsch im Banking und in der Finanzindustrie im Allgemeinen. Doch geschehen ist dies bislang nicht – den Banken gelingt es trotz gestiegenen Regulierungs- und Compliancekosten sowie des Drucks von Fintechs und neuen Anbietern, ihre Margen und Wertschöpfungsketten recht gut zu bewahren.
Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise hat die Lohn- und vor allem die Bonusfrage bei den Finanzunternehmen wieder aktuell gemacht: Manager von spanischen Banken waren die ersten, die angesichts der Folgen der Coronakrise einen Lohn- und Bonusverzicht angekündigt haben.
Zaghaftes Umschwenken
Schweizer CEO üben sich dagegen in Zurückhaltung. Die UBS wäre bereit, auf die Auszahlung von Cash-Boni zu verzichten, sollte sie im kommenden Herbst die zweite Dividenden-Tranche nicht auszahlen. Die Credit Suisse (CS) schwenkte zwar in der Dividende-Frage wie ihre grössere Schweizer Konkurrentin vergangene Woche um. Doch bezüglich der Boni für 2020 äusserte sie sich nicht – wie auch Julius Bär nicht.
Einen Verzicht bereits jetzt auszusprechen, mag aus der starren Vergütungsperspektive Sinn machen: Das erste Quartal verlief für die Banken sehr gut. Und auch das erfolgreiche Managen in einer Krise dürfte als bonusrelevant gelten.
Helfen in Krisenzeiten
Das Beispiel des Bankensoftware-Herstellers Temenos zeigt jedoch eine klare Bereitschaft, zugunsten des Unternehmens und der Arbeitnehmer zu verzichten: Weil die Jahresziele kassiert werden mussten, haben sich am (gestrigen) Dienstag CEO Max Chuard und Verwaltungsratspräsident Andreas Andreades bereit erklärt, auf die Hälfte des Lohnes und der Vergütung zu verzichten.
Das ist in diesem Ausmass tatsächlich neu – und darf als Beleg gelten, dass die Coronakrise Veränderungen anstösst. Diesen Beleg stützt auch eine Umfrage der Zürcher Headhunter Biermann Neff bei Asset Managern und Private Bankern in der Schweiz und in Deutschland.
Trotz Krise grosse Zufriedenheit
Die finews.ch vorliegenden Umfrageergebnisse sind ein klares Signal in einer ungewöhnlichen Zeit. Aus den Resultaten spricht ein hohes Bewusstsein der Befragten, dass mit der Coronakrise etwas Neues beginnt – und auch darum ist der Grundton der Antworten mit wenigen Abstrichen positiv und optimistisch.
Am klarsten wird dies in der Antwort auf die Frage, wie gut der Arbeitgeber mit der Coronakrise umgeht: Ganze 98 Prozent antworteten darauf mit «sehr gut». Entsprechend fielen auch die Antworten zur gegenwärtigen Stimmung im Unternehmen aus: Knapp die Hälfte antwortete mit «gut», ein Drittel mit «wie immer» – und nur 2 Prozent mit «sehr schlecht».
Sorgen um die Zukunft der Firma
Trotz guter Noten für das Management und der positiven Stimmung ist die Coronakrise in den Asset- und Wealth Managern voll angekommen: Rund ein Viertel der Befragten macht sich effektive Sorgen um die Zukunft der Firma.
Es herrschen Zukunftsängste vor Ertragseinbrüchen, Kreditausfällen, Entlassungen oder der Widerstandskraft der Geschäftsmodelle und der Finanzsituation, wie aus einigen Statements hervorgeht. «Aus der Umfrage spricht eine grosse Verbundenheit zum jeweiligen Arbeitgeber in der aktuellen Lage – teilweise auch verbunden mit einer grossen Sorge über die Zukunft des Unternehmens», kommentiert Jonas Neff (Bild oben), Partner des Executive Search-Unternehmens.
Realistische Bonus-Erwartung
Die Umfrage ging auch spezifisch auf die Lohn- und Bonusfrage ein. Und hier zeigt sich Überraschendes: Annähernd die Hälfte aller Befragten würde auf einen Teil des Gehalts verzichten, «wenn es dem Unternehmen hilft». Auf Nachfrage ergab sich eine Bandbreite von 10 bis 25 Prozent des Lohnes, auf den verzichtet würde.
Klaus Biermann, der zweite Partner (Bild oben), sieht in der Bereitschaft zum Lohnverzicht und der hohen Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement einen engeren Zusammenhang. «Wir spüren aus der Befragung eine neue Offenheit und Gesprächsbereitschaft zur Frage der Kompensation», so Biermann. «Die Mitarbeiter ziehen am selben Strang und sind eher zu Zugeständnissen bereit, als dass es zu Entlassungen kommen muss.»
Entsprechend sind auch die Erwartungen an die Boni bescheiden.
«An den jeweiligen Einschätzungen zu den Bonus-Zahlungen lässt sich ablesen: Viele haben den Ernst der Lage begriffen und sind zu Zugeständnissen bereit», sagt Neff.
Chance für die Reputation
Bleibt die Frage, ob diese Antworten wegen der momentanen Betroffenheit so ausfielen oder ob es sich um ein tatsächliches Umdenken handeln könnte. Die Befragten gehen jedenfalls grundsätzlich von grösseren Veränderungen aus, welche die Corona-Pandemie auslöst; 38 Prozent erwarten starke Veränderungen, 50 Prozent leichte und nur 4 Prozent glauben, dass alles gleich bleibt.
Diese Wahrnehmung von Veränderungen ist wiederum gepaart mit der Grundhaltung, dass dies im Prinzip positiv ist. Biermann sagt dazu: «Die Bereitschaft zu verzichten, ist eine Chance für die Banken, ihre Reputation wiederherzustellen.»