Der Verkauf der Finter Bank an die Vontobel-Gruppe dokumentiert das Ende eines weiteren Kapitels in der Geschichte des Schweizer Finanzplatzes. Die Hintergründe.

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In den sechziger und siebziger Jahren gab es zahlreiche Gründe dafür, dass sich Banken mit italienischen Besitzern in der Südschweiz, namentlich in Lugano, etablierten. Dazu gehört das ursprünglich schon 1958 als Westbank (Schweiz) gegründete Institut, das bald in Finter Bank umfirmiert wurde und 1967 von der italienischen Familie Pesenti respektive von deren Finanzholding übernommen wurde.

In den späten 1960er-Jahren war Italien verschiedenen grossen Herausforderungen ausgesetzt, was vor allem auch die Wirtschaft zu spüren bekam. Die Stichwörter dazu sind: Lira-Abwertung, Terrorismus-Gefahr sowie die potenzielle Bedrohung durch den aufkeimenden Euro-Kommunismus. Unter diesen Prämissen floss sehr viel italienisches Kapital in die Schweiz.

Rasante Abwertung

Namentlich die Lira wurde von den Währungshütern in Rom laufend abgewertet, um die riesige Staatsschuld Italiens zu dämpfen, und um
Die Entwertung der italienischen Währung erfolgte vor allem aus zwei Gründen: Erstens, um riesigen Staatsschulden zu dämpfen, und zweitens, um die Exportindustrie zu schützen, allen voran die Grossunternehmen Fiat, Olivetti und Pirelli.

Und diese Abwertung verlief tatsächlich rasant: 1960 kostete ein Franken 140 Lire, 20 Jahre späteren waren bereits viermal mehr nötig, und 1995 sollte ein Schweizer Franken sogar 1'400 Lire kosten. Zudem wurde in Italien bis Mitte der 1970er-Jahre der Umtausch von Lire in Fremdwährungen mit hohen Gebühren praktisch unmöglich gemacht.

Auf der Suche nach Sicherheit

Umso mehr lohnte es sich für vermögende Italiener, ihre Ersparnisse in Franken zu tauschen, selbst wenn sie dafür wenig bis gar keinen Zins erhielten. Mit anderen Worten: Die Rendite auf dem angelegten Kapital hatte bei den (italienischen) Kunden (in der Schweiz) – wenn überhaupt – nur geringe Bedeutung.

Primär suchten die Kunden Vermögenserhalt und Sicherheit. Daher florierte die Schmugglerbranche, die Bargeld von Italien in die Schweiz brachte. Dem Einfallsreichtum der Italiener waren dabei kaum Grenzen gesetzt: So bauten die Kuriere zum Beispiel in die Benzintanks ihrer Autos doppelte Böden ein und karrten so täglich Milliarden von Lire über die Grenze.

Club für Investoren

Um die Kontrolle über die Notenberge zu bewahren, mussten die Banken im Tessin umgehend Zählmaschinen installieren. Die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG, heute UBS) rüstete in den 1970er-Jahren das ganze Erdgeschoss ihres Hauptsitzes in Lugano zu einem Kaffeehaus mit dem Namen «Investors Club» um.

Man wollte dem Andrang möglichst kundenfreundlich begegnen Bisweilen sorgten sogar die Pförtner dafür, dass die Kunden die Formular korrekt ausfüllten sowie an der richtigen Stelle unterschrieben und nahmen die Lire-Noten entgegen.

Entführungen und Banküberfälle

So war es auch nicht verwunderlich, dass manche dieser beherzten Helfer bald einmal selber ins Anlagefach wechselten. Paradoxerweise vermittelten sogar italienische Banken ihren Kunden die nötigen Bankkontakte in der Schweiz. Denn im Gegenzug räumten die Schweizer Finanzhäuser ihren italienischen Kollegen zum Dank bessere Kreditbedingungen ein.

In den siebziger Jahren stellte aber auch der Terrorismus der Roten Brigaden die innere Sicherheit Italiens auf eine harte Probe. Entführungen und Banküberfälle häuften sich, was viele vermögende Familien dazu veranlasste ihr Vermögen in die Schweiz zu verlagern. So gesehen geschah dies nicht aus steuerlichen Motiven, wie das später immer wieder insinuiert wurde, sondern aus Sicherheitsüberlegungen.

Politische Instabilität

Die Tessiner Banken spielten in diesem heiklen Umfeld eine höchst ambivalente Rolle. Einerseits floss ihnen noch mehr Geld zu, andererseits standen sie im Spannungsfeld der Lösegeld-Zahlungen. Die italienische Polizei wollte den Verlauf der Geldströme verfolgen, während die Schweizer Banken dem Schutz der finanziellen Privatsphäre verpflichtet waren.

Die politische Instabilität auf der Apenninenhalbinsel war ein zusätzlicher Grund dafür, dass das Tessin, und besonders die Stadt Lugano und der Grenzort Chiasso, eine Hochblüte als Finanzdrehscheibe erlebten. Denn der aufkeimende Europ-Kommunismus bot für wohlhabende Familien in Italien verständlicherweise keine Vertrauensgrundlage. So erklärt sich auch, dass für einige italienische Familien der Schweizer Finanzplatz so wichtig wurde, dass sie im Tessin sogar eine eigene Bank gründeten oder übernahmen, wie das bei der Familie Pesenti – wie eingangs erwähnt – der Fall war.

Unvermutetes Steuerproblem

Diese italienischen Industriellen-Banken hatten in der Regel kaum schweizerische Kundschaft, zumindest damals noch nicht. Für die Besitzer war es – neben den genannten Sicherheitsüberlegungen – vielmehr eine Sache des Prestiges, den Geschäftspartnern mit einer eigenen Schweizer Bank begegnen zu können – gewissermassen Swiss Banking aus eigener Hand anzubieten.

Dass sich aus dieser Vertrauenssituation heraus dereinst ein Steuerproblem ergeben sollte, dürften damals die allerwenigsten Kunden geahnt haben. Doch mit der weltweit veränderten Wahrnehmung der ganzen Steuerproblematik nach der Finanzkrise von 2007 und 2008 geriet der Schweizer Finanzplatz bekanntlich enorm unter Druck, und das Swiss Banking – wie man es zuletzt gekannt hatte – gab sozusagen seinen Geist auf.

Kein Einzelschicksal

Der Rest ist Geschichte und manifestiert sich seit rund zwei Jahren in dem epochalen Umbruch den der Schweizer Finanzplatz durchmacht und zur Folge hat, dass zahlreiche (ausländische) Vermögensverwaltungsbanken entweder ihre Geschäftstätigkeit aufgeben, sich aus diesem Land zurückziehen oder von einem Konkurrenten geschluckt werden.

Dieses Schicksal hat nun offenbar auch die Finter Bank ereilt. Verwaltete sie im Jahr 2007 noch rund 5 Milliarden Franken, so sind es gemäss den jüngsten Angaben nur noch 1,6 Milliarden Franken. Dieser Rückgang dokumentiert eindrücklich, wie sich der Wandel in der Bankbranche vollzieht und noch eine ganze Weile vollziehen wird.


  • Mehr zum Thema: «Swiss Banking – wie weiter?» von Claude Baumann und Werner E. Rutsch, Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2008. Bestellung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.