Vor wenigen Monaten hatte eine Studie der Universität Zürich bei Bankern einen verstärkten Hang zu kriminellen Handlungen belegt und damit in der Branche viel Kritik ausgelöst. Wie Daten der KPMG aber zeigen, lag die Studie nicht ganz falsch.
Die Unternehmenskultur im Bankensektor toleriert oder begünstigt implizit unehrliches Verhalten eher als in anderen Wirtschaftszweigen. Dies war die Kernaussage einer Studie von Ernst Fehr und Michel Maréchal von der Wirtschaftsfakultät der Universität Zürich. Die Erhebung war im vergangenen November veröffentlicht worden, wie auch finews.ch berichtete.
Im angesprochenen Bankensektor reagierte man empfindlich. Obschon eine Reihe von Betrugsskandalen in Grossbanken den Berufsstand bereits reichlich in Verruf gebracht hatte, hiess es unter den Finanzleuten bald, jetzt werde ihre Gilde pauschal verunglimpft.
Der Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren
Hatten die Wirtschaftsprofessoren ihre These auf Grund von Umfragen erstellt, zeigt nun eine ganz andere Datenerhebung, dass Banken und Betrug doch in einem stärkeren Zusammenhang stehen – jedenfalls im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren.
Die Daten dazu hat das weltweit tätige Beratungsunternehmen KPMG in ihrem «Forensic Fraud Barometer» zusammengetragen, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.
86 Prozent des Schadens im Finanzsektor
Darin wird ersichtlich, dass deutlich mehr als die Hälfte der Schadensumme der gesamten erfassten Fälle von Wirtschaftskriminalität im Jahr 2014 in Finanzinstituten anfiel, nämlich 323,3 Millionen Franken von landesweit 537,2 Millionen Franken. Entsprechend wurden auch die meisten Fälle in der Finanzmetropole Zürich registriert.
Zählt man noch die Schadensumme dazu, welche bei Investoren angefallen ist, kommt man sogar auf 460 Millionen Franken. Das wären dann rund 86 Prozent aller Schadenfälle, die auf Grund von kriminellen Handlungen 2014 in Banken, Finanzinstituten und weiteren Bereichen der Finanzbranche begangen worden sind.
Anzahl Fälle nicht abnormal
Das ist kein statistischer Ausrutscher. Wie KPMG darlegt, zeigten die Ergebnisse in den Jahren eine ähnliche Verteilung. Sind die Banken nun Brutstätten für Kriminelle, oder fördern sie gar kriminelles Handeln, wie dies die Studie der Universität Zürich impliziert hatte? Die Daten von KPMG belegen dies nicht eindeutig.
Zwar ist die durch kriminelle Handlungen verursachte Schadenssumme im Finanzbereich mit grossem Abstand die höchste. Doch bei der Anzahl Fälle sticht der Finanzsektor nicht sonderlich hervor: So registrierte KPMG in Finanzinstituten 18 begangene Fälle, in der öffentlichen Hand waren es 15 Fälle.
Der himmelweite Unterschied zeigt sich aber in der Schadenssumme: Ein krimineller Beamter betrog seinen Arbeitergeber oder das entsprechende Unternehmen im Durchschnitt um 170'000 Franken, ein krimineller Banker hingegen um 18 Millionen Franken.
Versuchung liegt im «Gewinn»
Daraus lässt sich schliessen, dass die Versuchung als Angestellter in der Finanzbranche kriminell zu werden, nicht bedeutend grösser ist als in anderen Wirtschaftszweigen. Die Versuchung könnte aber daraus entstehen, dass sich ein Betrug im Finanzsektor für den Täter weit mehr lohnt als in anderen Wirtschaftszweigen.
Bleibt noch die Frage nach dem Täterprofil: Die kriminell erlangten Vermögenswerte seien oft zur Finanzierung eines teuren Lebenswandels oder Suchtverhaltens, insbesondere von Drogen- oder Spielsucht, verwendet worden, schreibt KPMG.
Täter aus dem Management
Für Philippe Fleury, dem Leiter Forensik bei der KPMG, ist jedoch klar: «Es sind die Manager, die den meisten Schaden verursachen.» Der Beleg dafür ist die Zahl 9,3 Millionen Franken. Dies ist der durchschnittliche Schaden aus den Fällen, in denen die Täter aus dem Management stammten.