Die «Forbes»-Liste der mächtigsten Frauen enthält erstaunlich viele Finanz-Profis. Aufräum-Expertinnen sind speziell häufig.

Das amerikanische Wirtschaftsmagazin «Forbes» ist bekannt für seine Listen – die Liste der Milliardäre, die Liste der bestbezahlen Manager, die Liste der besten Business Schools –, und weltweit beachtet ist auch seine Liste der mächtigsten Frauen.

Sie ist jetzt wieder erschienen, und sie zeigt: Die Finanzbranche scheint gar nicht so frauenwidrig, wie man ihr oft nachsagt. 15 der 100 mächtigsten Frauen machten in diesem Bereich Karriere.

Heimvorteil für Amerikanerinnen

Dazu trägt bei, dass die Auswahl von «Forbes» naturgemäss etwas wirtschaftslastig ist: Obwohl in Realität viel häufiger als Wirtschaftsführerinnen, sind Politikerinnen im Ranking gar nicht so oft vertreten. Die Chefin eines grossen Konzerns hat allemal mehr Einfluss als eine Ministerin: Dies lässt jedenfalls die Liste vermuten.

Gewiss, an der Spitze steht Angela Merkel. Aber dann? US-Aussenministerin Hillary Clinton landete beispielsweise auf dem wenig spektakulären Rang 36, wo sie noch ein gutes Dutzend Konzernchefinnen vor der Nase hat.

Im weiteren zeigt sich in der Rangliste natürlich eine amerikanisch geprägte Perspektive. Am greifbarsten wird dies auf Rang 2: Als zweitmächtigste Frau der Welt gekürt wurde Sheila Bair, die Chefin der amerikanischen Einlagenversicherung FDIC. Sie ist also (laut «Forbes») zugleich die mächtigste Frau der Finanzwelt.

Vor allem gewürdigt wird dabei, dass sich Sheila Bair erfolgreich gegen alle Versuche der Einvernahme durch das Fed wehrte – und dass sie in der Kreditkrise letztlich fast 70 Banken unter ihre Kontrolle bekam.

Andererseits haben gerade auch Vertreterinnen aus Schwellenländern prominente Rollen unter den einflussreichsten Frauen derFinanzwelt. Laut «Forbes» ist Ho Ching (links) die fünftmächtigste Frau der Welt – sie leitet Temasek, also einen der milliardenschweren Staatsfonds von Singapur.

Die einflussreichste Konzernchefin einer Grossbank ist Chanda Kochhar, CEO von Indiens zweitgrössten Finanzinstitut ICICI (Rang 20 insgesamt).

Für ihre Herkulesarbeit gewürdigt wird Paula Reynolds (Rang 23): Sie übernahm im Oktober die Aufgabe, AIG umzubauen. Der «Chief Restructuring Officer» von AIG (so Reynolds' Titel) beschäftigt sich vor allem mit Desinvestitionen – doch befragt nach ihrem Ziel, sagte sie unlängst: «Ganz einfach, wir wollen wieder den Groove».

Dass Aufräumarbeiten derzeit gut fürs Image sind, zeigt auch die nächst-mächtigste Frau der Finanzwelt: «Forbes» platziert Barbara Desoer von der Bank of America auf Rang 28 (deutlich vor Sallie Krawcheck, s.u.), weil sie als Chefin des Hypothekengeschäfts «einen eindrücklichen Reinigungs-Job geleistet hat». Ihre Meisterleistung in diesem Jahr war die Integration von Countrywide Financial in den Bankenkonzern.

Die einflussreichste Vertreterin der europäischen Finanzwelt kommt aus Spanien: Ana Patricia Botin (links)ist Präsidentinvon Banesto, also einer Bankengruppe, die sich in der Finanzkrise hervorragend halten konnte.  Sie studierte in Harvard und startete ihre Karriere einst bei JP Morgan – aber irgendwie besagt die Tatsache, dass die Spanierin doch erst auf Rang 45 auftaucht, auch viel über die US-Lastigkeit solcher Listen.

Knapp darauf folgt auch eine französische Geld-Managerin: Dominique Senequier, Chief Executive von Axa Private Equity (Rang 50). Ihr unterstehen derzeit Vermögenswerte von gesamthaft rund 30 Milliarden Franken.

Vielleicht eher überraschend (zumal im Vergleich mit Sheila Bair) scheint die Rangierung von Mary Schapiro: Die neue Chefin der SEC taucht erst auf Rang 55 auf. Dies mag in ihrer erst kürzlich erfolgten Wahl liegen, womit sie noch nicht allzuviele Möglichkeiten hatte, sich als Chefin der Überwachungsbehörde zu profilieren. Allerdings war Schapiro bereits zuvor Mitglied der SEC gewesen (und vor ihrer Wahl Leiterin der CFTC).

Und dann folgen – wie üblich ein bisschen zufällig aufgereiht – noch diverse Geschäftsleitungs-Mitglieder und Chief Executives von grossen amerikanischen Finanzinstituten, nämlich:

  • Ellen Alemany, Chefin von RBS Americas (Rang 57);
  • Terri Dial, Chief Executive des Kleinkundengeschäfts von Citigroup (Rang 72);
  • Christina Gold, die Konzernchefin von Western Union (Rang 76);
  • Sallie Krawcheck, die neue Chefin des Global Wealth Management der Bank of America (Rang 87);
  • Sharon Allen, die Präsidentin  von Deloitte & Touche;
  • Heidi Miller, Chefin des Treasury and Securities Services von JP Morgan (Rang 99);
  • Mary Erdoes, Chefin des Global Wealth Management bei JP Morgan (Rang 100).

     

    Übrigens: Eine Schweizerin ist auf der ganzen Liste nicht vertreten, und auch Angestellte von Schweizer Firmen (oder Institutionen) fehlen gänzlich.