Exklusiv bei finews.ch: Investorenlegende George Soros erwartet in China eine kurze, aber heftige Rezession.
Von George Soros
Über China
Unter den Entwicklungsländern ist China der wichtigste Faktor. Von der Globalisierung hat China am stärksten profitiert. Entsprechend schwer wurde die Volksrepublik vom Rückgang der Exporte getroffen, der sich auf den Konsum im eigenen Land ausgeweitet hat. Das chinesische Finanzsystem wurde von den globalen Turbulenzen jedoch kaum in Mitleidenschaft gezogen, derzeit verfügt China über die grössten Währungsreserven weltweit. Dadurch steht der chinesischen Regierung eine grössere Auswahl an finanzpolitischen Massnahmen zur Verfügung als den meisten anderen Ländern.
Die Entscheidungen Chinas werden sich auf die Zukunft der Weltwirtschaft fast ebenso stark auswirken wie die von Präsident Obama. Weltweit kommt den bilateralen Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten die grösste Bedeutung zu.
Neue Weltmächte sind gefährlich
China hat ein enormes Interesse am Wohlergehen der Weltwirtschaft. Darauf kann Präsident Obama bei der Neugestaltung des internationalen Finanzsystems bauen, allerdings ist auf beiden Seiten viel Einfühlungsvermögen und Weitblick erforderlich.
Die Entstehung einer neuen Weltmacht ist ein sehr gefährlicher Vorgang. Zweimal entwickelte sich daraus ein Weltkrieg, in dem die aufstrebende Macht geschlagen wurde. Der Machtübergang vom britischen Empire auf die USA bildet dabei eine Ausnahme, allerdings sprechen beide Mächte dieselbe Sprache.
Furcht und Misstrauen im Westen
Die USA und China haben eine ganz unterschiedliche Sprache und Kultur. Im Westen betrachtete man China lange mit einer Mischung aus Furcht und Misstrauen. China darf keine Mühen scheuen, um akzeptiert zu werden, wenn es die führende Weltmacht werden will. Das Land hat die Doktrin der harmonischen Entwicklung übernommen, was der richtige Ansatz ist, verfolgt aber beispielsweise in Hinblick auf Taiwan und Tibet eine kontraproduktive Politik.
Aufgrund der fehlerhaften Politik der Regierung Bush und dem Platzen der Superblase erlangte China zu früh zu grosse Macht. Für eine konstruktive Partnerschaft müssen beide Seiten Zugeständnisse machen. Präsident Obama muss China als gleichberechtigten Partner behandeln, und China muss die fortgesetzte amerikanische Führung akzeptieren. Das wird für keine Seite einfach.
Chinas Regierung ist zu langsam
Für China steht viel auf dem Spiel. Im Land herrscht keine Demokratie, und es gibt kein etabliertes Verfahren für einen Machtwechsel. Wenn ein zufriedenstellendes Wirtschaftswachstum ausbleibt – das allgemein mit acht Prozent im Jahr definiert wird –, könnte es leicht zu politischen Unruhen kommen, und diese politischen Unruhen hätten verheerende Folgen für die ganze Welt.
Zum Glück hat China ein Beratungsmodell entwickelt, das zwar nicht demokratisch ist, aber den beteiligten Interessengruppen ein politisches Mitspracherecht einräumt. Allerdings hat diese Form der Konsensbildung den gravierenden Nachteil, dass sie langsam und schwerfällig ist, daher besteht die Gefahr, dass die chinesische Regierung nicht schnell genug Massnahmen gegen den plötzlichen Absturz der Weltwirtschaft ergreift. Auch hier könnte sich die starke Führung der neuen Obama-Administration günstig auswirken.
Ich rechne damit, dass China eine kurze, aber heftige Rezession erleben wird, die Mitte 2009 ihren Tiefpunkt erreicht. Danach wird sich die chinesische Wirtschaft wieder rasch erholen und für 2009 insgesamt eine Wachstumsrate von acht Prozent erreichen.
Lesen Sie am kommenden Mittwoch, was George Soros über Europas Probleme und das Bankensystem denkt.
«Die Analyse der Finanzkrise... und was sie bedeutet - weltweit», George Soros, Seiten 144, ISBN 978-3-89879-500-5, Preis CHF 28.90, EUR 14.90, Erscheinungstermin: 13. Juli 2009, FinanzBuch Verlag, jetzt bestellen.