Die Semesterzahlen der Bank Vontobel sind nicht berauschend. Aber jedenfalls besser, als einige selbsternannte Experten zu wissen glaubten.
Gross war die Skepsis im Vorfeld der Publikation der Halbjahreszahlen der Vontobel-Gruppe. Genährt wurden die kritischen Stimmen vor allem noch dadurch, dass die Bank selber in einigen Medien so genanntes Expectation Management betrieben und im Prinzip eine verklausulierte Gewinnwarnung herausgegeben hatte.
Unter diesen Prämissen hatten die Kritiker ein leichtes Spiel, CEO Zeno Staubs Leistung in Frage zu stellen, die angeblich schwache Ertragskraft zu brandmarken, die namhaften Personalabgänge in den letzten Monaten nochmals aufzuwärmen und die Werthaltigkeit des «integrierten» Geschäftsmodells der Bank anzuzweifeln.
Schwaches Private Banking
Tatsache ist, dass das Private Banking auch im 1. Halbjahr 2012 extrem schwach abgeschnitten hat, was für die Positionierung von Vontobel sicherlich nicht von Vorteil ist. Es zeigt sich damit auch, dass es dem Unternehmen unter der bisherigen Führung im Private Banking nicht gelungen, Marktanteile zu gewinnen respektive eine wichtige Position in dieser Domäne zu erreichen. Ein neuer Private-Banking-Chef, der im Herbst seinen Job antritt, soll's nun richten.
Enttäuschend ist auch die derzeitige Entwicklung im Investmentbanking, wo sich der Gewinn vor Steuern nahezu halbiert hat. Hier kann sich Vontobel nur damit trösten, dass es anderen Investmentbanken oder Investmentbanking-Abteilungen nicht besser ergeht. Im Gegensatz zur Konkurrenz dürfte Vontobel in diesem Bereich aber bereits «leaner» sein, oder anders formuliert: Weitere Sparmassnahmen, wie sie bei anderen Investmentbanken noch anstehen, dürften bei Vontobel wohl nicht nötig sein. Eher könnte die Zürcher Bank bei einer Erholung der Weltwirtschaft schneller als andere massgebliche Erträge erzielen.
Viel Potenzial im Asset Management
Eines Besseren belehrt die Bank Vontobel ihre Kritiker bei der Entwicklung der verwalteten Kundenvermögen, wo das Unternehmen insbesondere im Geschäft mit der institutionellen Klientel massiv zulegen konnte. Das zeigt sich auch im Gewinnbeitrag des Asset Management.
In dieser Sparte, die früher vom heutigen CEO Zeno Staub geführt wurde, liegt noch enorm viel Potenzial, dass sich über die nächsten Monate positiv auf den Geschäftsgang auswirken dürfte – namentlich mit der am Freitag bekräftigten Expansion im Nahen Osten sowie in Singapur.
Rund 600 Millionen Franken für Übernahme
Alles in allem sind die am Freitag präsentierten Halbjahreszahlen viel weniger schlecht, als dies von einigen «Experten» in Aussicht gestellt wurde. Vor allem aber verfügt die Vontobel-Gruppe in ihrer derzeitigen Ausgestaltung über ein grosses Potenzial, um eine zunehmend besser informierte und anspruchsvollere Klientel zu betreuen.
Und last but not least könnte Vontobel in der laufenden Konsolidierungsphase im Private Banking durchaus noch eine wichtige Rolle übernehmen, zumal die Bank gemäss eigenen Angaben über mindestens 600 Millionen Franken für eine Übernahme verfügt. Diese Andeutung in der heutigen Medienmitteilung dürfte wohl nicht ganz zufällig gewesen sein.
Raus aus dem Dornröschenschlaf
Unter der Ägide von CEO Staub übernehmen oder haben unlängst verschiedene neue, unverbrauchte Leute wichtige Funktionen innerhalb des Hauses übernommen. Sie dürften massgeblich dazu beitragen, dass die Bank aus ihrem Dornröschschlaf erwacht und nochmals mit einem blauen Auge davon kommt.